Tricksen und täuschen - wie die Münchner mogeln

"Das verbotene Buch" enthüllt kleine und große Betrügereien in der Großstadt. Gratis parken, ungestraft rasen oder blau machen: So funktionieren sie. Und diese Strafen drohen, wenn man doch erwischt wird.
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Strafzettel bekommt niemand gern - und einer hat ein besonders dreistes Mittel dagegen.
dpa Strafzettel bekommt niemand gern - und einer hat ein besonders dreistes Mittel dagegen.

MÜNCHEN - "Das verbotene Buch" enthüllt kleine und große Betrügereien in der Großstadt. Gratis parken, ungestraft rasen oder blau machen: So funktionieren sie. Und diese Strafen drohen, wenn man doch erwischt wird.

Für einen Parkplatz zahlen? Das kommt für Thomas V. nicht in Frage. „Die Parkgebühren sind eine Frechheit“, sagt er. Der 43-Jährige arbeitet als Betriebswirt bei einer großen Firma – mit Sitz in den Münchner Innenstadt. Und der passionierte Trickser hat alle Kniffe drauf, um sich um die Gebühren zu drücken. Er ist nicht der Einzige, der es mit Recht und Ordnung nicht ganz so genau nimmt. „Das verbotene Buch“ (Riva Verlag, 19,90 Euro) listet kleine und große Betrügereien der Deutschen auf - darunter viele Münchner. Eins haben sie alle gemeinsam: Ein schlechtes Gewissen haben die Wenigsten.

Gratis parken

Mit dem öffentlichen Nahverkehr würde Thomas V. jeden Tag eineinhalb Stunden länger zur Arbeit brauchen als mit seinem Auto. Und die 25 Euro, die er täglich im Parkhaus bezahlen würde - viel zu viel. „Da zieht man wegen der unglaublichen Mieten aus der Stadt, um dann Monat für Monat sein Geld für Parkraum aus dem Fenster zu schmeißen? Nicht mit mir“, sagt er.

Ein kleiner Auszug aus Thomas V.s Sortiment: In der Nähe seines Büros hat er ein Schild mit seinem Kennzeichen an eine Hauswand montiert. Klappt oft, aber nicht immer - denn oft stellen einfach andere Autofahrer ihren Wagen dort ab. Außerdem hat Thomas V. immer einen Jutesack im Auto – um Parkuhren und -automaten zu verhängen und sich so um die Gebühren zu drücken. In ganz besonderen Fällen druckt er sich einfach am Computer eigene Parkscheine aus – oder klaut sich den Strafzettel eines anderen Fahrers und heftet ihn an sein Auto. Das klappt aber nicht immer - diesen Trick kennen die Politessen.

Ein schlechtes Gewissen hat er nicht: „Die Parkgebühren grenzen an Wegelagerei und so ein bisschen Robin Hood macht doch auch Spaß im Leben.“ Wenn Thomas V. erwischt wird, könnte das richtig teuer werden. „Aber das ist natürlich eine Mischkalkulation. Je länger die Sache gut geht, desto weniger wird mich die Strafe treffen.“ Allein für die Sachbeschädigung könnte ein Jahr Haft drohen. Und die Fälschung einer Zulassungsplakette kostet zum Beispiel 4200 Euro Strafe oder 60 Tage Haft.

Ungestraft rasen

Peter H. aus dem Münchner Umland kam eher zufällig zu seinem illegalen Hobby: Für seinen MP3-Player kaufte er sich einen Radioempfänger - der nicht nur den europäischen, sondern auch den japanischen Frequenzbereich abdeckt. Peter H. war neugierig und stellte einen Fernost-Sender ein: „Maulwurf 1 an Sperber 7“ tönte es aus den Kopfhörern, dann folgten detaillierte Einsatzbeschreibungen. Erschrocken wechselte Peter H. sofort den Sender – es ist doch verboten, den Polizeifunk abzuhören, dachte er sich.

Doch dann siegte die Neugier: Peter H. besorgte sich im Internet die Funkcodes. „Das ist zum Teil ganz schön spannend und es ist eben der Kitzel da. Und ich kann nichts dafür, dass man in Deutschland auch im Jahr 2009 noch so rückständig ist, dass ich mit einem MP3-Player den Behördenfunk abhören kann“, sagt er. Seit er den Polizeifunk hört, wurde er nie mehr geblitzt – er rast straffrei. Allerdings ist das Abhören ein Verstoß gegen das Telekommunikationsgesetz – wird man dabei erwischt, sind 1000 Euro Geldstrafe und mehr fällig.

Einfach erwachsen

Oder Alex W. aus Erding. Was er macht, ist an sich nicht verboten: Er spielt Onlinespiele. Das Problem: Ein paar sind erst ab 18 erlaubt. Alex W. ist 16. Im Netz hat er eine Seite gefunden, auf der sich eine gültige Personalausweisnummer generieren lassen kann - die suggeriert, dass er erwachsen ist. Seine Freunde finden das völlig in Ordnung: „Die machen das selbst auch und finden das cool." Ganz im Gegensatz zu seinen Eltern: „Sie dürfen von der Sache nichts erfahren, sonst ist der PC weg.“ Sollte die Polizei ihm auf die Schlichte kommen, droht eine Geldstrafe oder bis zu fünf Jahren Haft.

Blau machen

Die Betrüger-Masche von Friedrich H. aus Fürstenfeldbruck ist da schon wesentlich traditioneller: Er feiert gerne mal krank, rund 20 bis 25 Tage im Jahr - und das seit 15 Jahren. Dafür zieht er alle Register: Das Prinzip der freien Arztwahl kostet er voll aus, auf jeden Besuch bereitet er sich akribisch vor. Einige seiner erfolgreichsten Beschwerden: Migräne – „Krankschreibung für eine Woche garantiert", nervöser Erschöpfungszustand“ - „Attest für zwei bis vier Wochen“, oder eines seiner Kinder bekommt Kopfläuse – „schließlich soll sich ja bei mir im Betrieb niemand anstecken".

Damit riskiert Friedrich H. eine fristlose Kündigung. Was ihn nicht davon abhält, gerade seinen größten Coup zu planen: Ein halbes Jahr Auszeit, wegen Burn-out-Syndroms. Ganz gelegentlich kommen ihm Zweifel: „Na ja, wenn jeder so viel krankfeiern würde, ginge es mit unserer Wirtschaft schnell den Bach herunter,“ sagt er. Trotzdem: Aufhören will er nicht - „solange es gut geht! Und es ist bis heute immer gut gegangen.“

Vermeintliche Kavaliersdelikte

Hinzu kommen noch die üblichen vermeintlichen Kavaliersdelikte: Durch die Angaben falscher Strecken zur Arbeit oder ähnlicher kreativer Gestaltung der Steuererklärung entgehen dem deutschen Fiskus allein bei den Normalverdienern jährlich bis zu 25 Milliarden Euro. Und in anonymen Interviews gibt jeder vierte Befragte zu, dass er schon einmal in einem Versicherungsfall falsche Angaben gemacht hat.

In der Krise boomt zudem die Schwarzarbeit: 2009 wird ein bundesweiter Anstieg um fünf Milliarden Euro auf 352 Milliarden erwartet. In München waren es 2007 schon 19 Millionen Euro Schaden – damals bereits ein Anstieg um 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Christoph Landsgesell

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