Trampläne im Norden weiter umstritten: "Diese Millionen können Sie sich sparen"

Zwei neue Tramlinien und viele Fragen: Bei einer Infoveranstaltung zum Ausbau der Tram im Münchner Norden äußern Anwohner ihre Sorgen. Die AZ war dabei.
Florian Kraus |
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5,7 Kilometer soll die Tram Münchner Norden insgesamt lang werden. Sie verläuft in den Stadtbezirken Schwabing-Freimann und Milbertshofen-Am Hart und soll zwölf Haltestellen haben.
5,7 Kilometer soll die Tram Münchner Norden insgesamt lang werden. Sie verläuft in den Stadtbezirken Schwabing-Freimann und Milbertshofen-Am Hart und soll zwölf Haltestellen haben. © Visualisierung: SWM
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Besonders dankbar ist der Job, den MVG-Projektleiter Florian Tröbensberger am Dienstagabend hat, nicht. Er stellt mit seinem Team die konkreten Pläne zum Tramausbau im Münchner Norden vor. Und zumindest an diesem Abend ist es so, dass die Gegner des Projekts in der klaren Mehrheit sind.

Anwohner fürchten zum Beispiel verstopfte Straßen und weniger Sicherheit für Radfahrer und Fußgänger. Vor allem das Tram-Stück zur U6 Kieferngarten hin ist unbeliebt.

Verbindung zwischen Freimann und Am Hart - zwölf neue Stationen

Kurzer Rückblick: Im Sommer beschloss der Stadtrat, die Tram 23 über die Haltestelle Schwabing-Nord hinaus zu verlängern und eine neue Linie 24 zu schaffen. Letztere soll die U2 (Am Hart) einmal quer mit der U6 (Kieferngarten) direkt verbinden.

Die Verlängerung der Tram 23 führt direkt durch das neue Stadtquartier Neufreimann (ehemals Bayernkaserne), welches in naher Zukunft 15.000 Einwohner beherbergen soll. Auch der geplante Ausbau des Forschungs- und Informationszentrums von BMW (kurz: FIZ) liegt am Rande der Strecke nahe dem U-Bahn-Halt Am Hart.

Für den ersten Planfeststellungsabschnitt der Tram Münchner Norden, die Verlängerung der Tram 23 von Schwabing Nord bis zum Kieferngarten, besteht Baurecht. Der eigentliche Bau beginnt im Oktober.
Für den ersten Planfeststellungsabschnitt der Tram Münchner Norden, die Verlängerung der Tram 23 von Schwabing Nord bis zum Kieferngarten, besteht Baurecht. Der eigentliche Bau beginnt im Oktober. © MVG

Zwölf neue Tramstationen sollen so entstehen. Jahrelang wurde das Projekt vorbereitet und ist Teil des ÖPNV-Ausbaus der Stadtregierung. Wenn es im Winter 2029 fertig ist, soll es insgesamt 360 Millionen gekostet haben.

Im Oktober beginnen die Bauarbeiten

Im Vortrag beim Infoabend erfährt man vor allem mehr zur Bauphase, die am 2. Oktober beginnt. Das beliebte SUMA-Einkaufscenter etwa bekommt 2026 eine andere Zufahrt und die Maria-Probst-Straße wird zeitweise einspurig auf beiden Seiten.

Auch an anderen Stellen werden temporär Spuren reduziert oder Bushaltestellen verlegt. In der ersten von zwei Bauphasen wird die Strecke von Schwabing-Nord bis Kieferngarten erschlossen. Dazu wird ab Januar 2026 eine Brücke über die Zuggleise am DB-Nordring mitsamt Rad- und Fußweg gebaut. Anschließend folgt die Verbindung zur U2 zur Station Am Hart hin.

Die Linie 24 soll schließlich die U2 (Am Hart) einmal quer mit der U6 (Kieferngarten) verbinden.
Die Linie 24 soll schließlich die U2 (Am Hart) einmal quer mit der U6 (Kieferngarten) verbinden. © Florian Kraus

Baumfällungen und Sicherheitsbedenken – das sind die Aufreger des Abends

Bei der anschließenden Diskussion sind zwei Themen echte Aufreger. Zum einen: Die präsentierten Pläne zeigen insgesamt 400 Bäume, die meisten stolz und alt, die gefällt werden sollen. Vor allem im Bereich nördlich der Siedlung Neufreimann zur U6 Kieferngarten hin sind die Eingriffe zahlreich. Hier sollen 210 alte Gehölze weichen. Bisher trennen sie die Radfahrer und Fußgänger von der Autospur und spenden Schatten.

Als Ausgleich für die wegfallenden Exemplare am Straßenrand und zur Begrünung sehen die Pläne vor, Bäume entlang der Tramgleise zu pflanzen. Allzu üppig dürften die neu gepflanzten Bäume aber nicht ausfallen, moniert ein Besucher – sonst wüchsen sie ja in die Oberleitungen der Trambahn.

Einigen Eltern geht es auch um das Thema Sicherheit. Im Quartier Neufreimann entstehen mehrere Schulen. Die Heidemannstraße – dort wo beide Trams entlangfahren – wird Teil des Schulwegs vieler sein. Bisher sind die Bäume dort eine Art natürlicher Schutzwall zur Autospur hin, der Weg dadurch vielleicht auch ein Stück schöner.

Große Streitfrage ist die geplante Wendeschleife

Für Anwohner ist der neuralgische Punkt aber vor allem die geplante Tram-Wendeschleife am Kieferngarten. „Am Anfang läuft das noch ein paar Jahre gut, aber dann quietschen die Gleise, das kennen wir“, befürchtet eine Anwohnerin. Der Abstand zu den Wohnhäusern sei viel zu eng, um dort eine Tramschleife zu platzieren – und wer zahle überhaupt die Schallschutzfenster, die sie dann wohl benötigten?

Die AZ erfährt auf Nachfrage bei der MVG: Sie übernimmt die Kosten für Schallschutzfenster von betroffenen Anwohnern. Im Bereich der Wendeschleife soll außerdem ein lärmsparender Untergrund den Schall dämpfen.

"Das ist zu viel für die Straße"

„Die Planung in der Heidemannstraße wird zu einem echten Monster“, fürchtet ein Anwohner aus der Siedlergemeinschaft Kieferngarten. Drei Buslinien plus Tram, Fahrrad und Autoverkehr? Das sei zu viel für die Straße. „Wir erleben täglich, wie gestresst die Heidemannstraße jetzt schon ist. Es ist irre schmal“, sagt der Anwohner.

Neben Stau droht seiner Meinung nach Schlimmeres: „Wir haben hier erhebliche Sicherheitsbedenken und Unfallrisiken. Wenn da ein Unfall passiert, dann werden sich die Gerichte an die Planer wenden.“

Bei der Infoveranstaltung am Dienstagabend können sich Anwohner, Bedenkenträger und Interessierte die Pläne anschauen.
Bei der Infoveranstaltung am Dienstagabend können sich Anwohner, Bedenkenträger und Interessierte die Pläne anschauen. © Florian Kraus

Die MVG widerspricht: Straße hält der Belastung stand

Florian Tröbensberger von der MVG verteidigt die Planung. Es gäbe ein Gutachten aus dritter Hand: „Wir haben das untersucht. Die Leistungsfähigkeit an der Stelle ist laut unserem Gutachten gewährleistet.“ Die Zahlen könne man auf Nachfrage bei der MVG einsehen. Unruhe im Publikum.

Der Anwohner nochmal zu diesem Gutachten: „Ich weiß, dass die Planer eine Buslinie ganz vergessen haben.“ Ob das stimmt, kann heute niemand beweisen. „Es gibt keinen Grund, das gut funktionierende System mit drei Buslinien in dieser Straße zu ersetzen durch eine Straßenbahn, die am meisten Platz beansprucht.“ Sein Wunsch: Stoppen sie den millionenschweren Ausbau der Tram 24 in letzter Sekunde! Ein Appell, der sich nur an die Politik richten kann.

Festzuhalten bleibt: die Tram 24 ist an diesem Abend umstrittener als der Ausbau der Tram 23. Das ist nicht neu. Während der Planungsphase forderten Tramgegner eine Wendeschleife im neuen Quartier Neufreimann statt der Verbindung zu den beiden U-Bahnhöfen über die Heidemannstraße hin.

Und die Menschen, die zukünftig in Neufreimann leben oder im FIZ arbeiten werden? Die kann freilich noch niemand fragen. So verweisen aber die MVG-Sprecher mehrmals auf die Tausenden, die hierher kommen werden.

Tröbensberger sagt: „Eine Tram ist für viele attraktiver. Und sie kann mehr Leute gleichzeitig transportieren.“ Laut MVG – die hier im Auftrag des Stadtrats handelt – seien die Planungen inzwischen auch so weit, dass es kein Zurück mehr gibt. Am 2. Oktober ist Spatenstich der Baustelle mit einem Bürgerfest. Dass da noch etwas dazwischenkommt: eher unwahrscheinlich.

AZ-Umfrage: Das sagen Anwohner

Andreas Tremel, Kaufmann, geboren und aufgewachsen am Kiefergarten: " Die Tram 24 wird an einem Weg mit mehreren Schulen verlaufen. Bisher sind die Bäume ein sicherer und schattiger Schutz für Radfahrer und Fußgänger zur Autospur hin. Warum versetzt man die Bäume nun direkt zur Tram hin? Wir im Viertel sind nicht gegen die Tram, aber man sollte sie besser ins bestehende Umfeld integrieren."

Brigitte Schnock, Caritas-Mitarbeiterin und Anwohnerin: „Auch Schwabing war mal ein Dorf. Wir werden nun mal urbaner und den Ausbau von öffentlichen Verkehrsmitteln finde ich gut. 15.000 Leute ziehen nach Neufreimann, die wollen sich bewegen, also brauchen wir mehr Kapazitäten. Schade finde ich die Baumfällungen, aber für so ein Projekt muss man ein paar Kollateralschäden hinnehmen.“

Walter Hilger, Vorsitzender Siedlerschaft Kieferngarten, Bauingenieur: "Ökologisch und ökonomisch ist das ein Wahnsinn, den man hier produziert. Wir haben eine bestehende Buslinie von Kieferngarten nach Am Hart. Die Busse sind tagsüber fast leer und nur zu Stoßzeiten halb gefüllt. Sie könnten die neuen Anwohner aus Neufreimann jederzeit mitnehmen – später dann die U26. Die Wendeschleife sollte in Neufreimann sein.

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  • Perlacher vor 21 Minuten / Bewertung:

    Die Stadt München ist mit fast 7 Milliarden Euro verschuldet! Das hindert die Münchner Stadtregierung nicht daran, sich völlig unsinnige Projekte auszudenken, die niemand braucht, und nur wenige wollen! Bezahlen sollen das die Steuerzahler!

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  • AufmerksamerBürger vor 26 Minuten / Bewertung:

    Zusätzliche Strecken sind ja grundsätzlich gut, auch wenn Bäume gefällt werden müssen, hier kann ausreichende Nachbepflanzung einen Ausgleich schaffen.

    Aber, die Stadt München ist von Grün-Rot finanziell in den Graben gefahren worden und kann das gar nicht bezahlen.
    Zudem ist der MVV bereits mit dem bestehenden Streckennetz komplett überfordert und ist nicht in der Lage einen geregelten Betrieb aufrecht zu erhalten.

    Das ist die Quittung dafür, dass die Grünen jahrelang systematisch die betriebliche Basis gemäß ihren Vorstellungen umbauen durften.
    Mit neuen Strecken verschlimmert sich die Situation nur noch, auch werden sie es nie und nimmer im geplanten Zeitrahmen fertig stellen können.
    Wenn die Straßen jetzt eng werden, werden die Grünen die Chance ergreifen und den Individualverkehr ausbremsen, so dass zum Schluss gar nichts mehr geht.
    Wenn die bürgerliche Mitte der Gesellschaft diese Zerstörung beklagt, flüchten die Grünen hinter die Brandmauer.

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