Toter Lkw-Fahrer: Er kam aus Oberschleißheim

Nur gut fünf Meter weiter und Hubert K. hätte überlebt. Erst nach Stunden kann der Münchner Fernfahrer aus dem Wrack geborgen werden.
von  Nina Job, Ralph Hub

Kurz vor der Mautstelle Schönberg: Eine 20 Meter lange Stützwand kippt auf die Fahrbahn und zermalmt einen Lkw. Grund ist Schmelzwasser, das einen ganzen Hang ins Rutschen gebracht hat

München - Nur gut fünf Meter weiter – und die tonnenschwere Betonmauer hätte die Fahrerkabine des Sattelzugs auf der Brennerautobahn haarscharf verfehlt. So aber begräbt sie den gesamten Laster unter sich. Hubert K., ein 52-jähriger Fernfahrer aus München, kann erst nach Stunden aus dem zermalmten Wrack geborgen werden. Er ist tot.
 

  

 Dienstag früh kurz nach fünf Uhr: Auf der Brennerautobahn, der A 13, ist noch nicht viel los. Nur wenige Fahrzeuge sind in Richtung Süden unterwegs. Unter ihnen auch ein weißer 40-Tonner aus Oberschleißheim. Der Sattelzug hat Sammelgut und Autoersatzteile geladen. Am Steuer sitzt Hubert K., er will in Richtung Italien.

Der Scania–Laster hat die Mautstelle Schönberg im Tiroler Stubaital fast erreicht, als das Unfassbare geschieht:

Auf Höhe der Videomautspur gerät die haushohe Stützwand am rechten Fahrbahnrand auf 20 Metern Länge ins Wanken. Der gesamte Berghang ist in Bewegung. Millionen Tonnen Erdreich und Steine wälzen sich auf die Autobahn zu. Die tonnenschweren Betonelemente, die den Hang stützen sollen, halten – bis auf eines. Dieses neigt sich vornüber.

Lesen Sie hier: Mauer begräbt Münchner - Warum musste er sterben?

Hubert K. hat nicht die geringste Chance. Alles geht zu schnell. Er hat nicht einmal Zeit, seinen Truck rüber auf die mittlere Spur zu lenken. Das 20 Meter lange Betonelement begräbt den 16-Meter-Sattelzug komplett unter sich. Der Laster wird von dem Gewicht regelrecht zermalmt, die Kabine auf 1,50 Meter zusammengedrückt.

Binnen weniger Minuten sind Rettungskräfte an der Unglücksstelle. Die Helfer können das Führerhaus sehen. Es ist zum Greifen nahe. Doch die Retter kommen an die völlig zerdrückte Kabine nicht heran. Ob der Fahrer das Unglück überlebt hat, ist zunächst unklar. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt.

„Die Bergung gestaltet sich aufgrund des hohen Gewichts der Betonplatten als sehr schwierig“, sagt Markus Widmann vom Landespolizeikommando in Innsbruck. Zwei spezielle Schwerlastkräne werden angefordert. Mit einem weiteren Kran und einem Abschleppdienst beginnen die Retter vorsichtig, die Betonwand anzuheben und das Wrack rauszuziehen.

Die Helfer befinden sich in höchster Gefahr. Immer wieder rutschen Geröll und Erde nach. Feuerwehrmänner versuchen den Hang mit Sandsäcken zu stabilisieren.

Unglücksursache ist nach ersten Erkenntnissen Tauwetter. Landes-Geologe Gunther Heißel: „Die Ursache liegt sicher in der Schneeschmelze. Heuer hatten wir besonders viel Schnee. Dadurch hat sich der Hangdruck dermaßen erhöht, dass der Hang die Mauer von einer Sekunde auf die andere umgeworfen hat.“

Nach Angaben der Autobahngesellschaft „Asfinag“ wurde die umgestürzte Stützmauer erst vor wenigen Monaten – im November letzten Jahres – von Experten geprüft. Von Schäden oder anderen gravierenden Mängeln wurde nichts bekannt. Die Betonwand wurde 1980 errichtet.

Nach Angaben von Asfinag-Sprecher Alexander Holzedl ist die Mauer direkt an der statischen Stützkonstruktion des so genannten Spornes gebrochen und Richtung Fahrbahn geklappt. Nach derzeitigem Wissenstand sei eine Überbeanspruchung durch erhöhten Erddruck aufgrund von Schmelzwasser eingetreten.

Experten müssen in den kommenden Tagen prüfen, ob noch weitere Abschnitte der Stützwand einsturzgefährdet sind.

Derzeit wird der Verkehr in Richtung Italien auf zwei Fahrstreifen an der Unglücksstelle vorbeigeschleust. Weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass auch andere Teile der Mauer betroffen seien, so die Asfinag, bleibe die Sperre von zwei Fahrspuren weiter aufrecht.

 

 

 

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