Ehefrau getötet: Wichtiger Zeuge meldet sich - Mann weiter flüchtig

München - Als Polizisten die Dreizimmerwohnung in der Ottobrunner Straße in Altperlach betraten, fiel ihnen auf den ersten Blick nichts Ungewöhnliches auf. Erst als drei Tage später Experten der Mordkommission die Wohnung noch einmal gründlich untersuchten, machten die Beamten eine grausige Entdeckung: In einem Kasten unter dem Kinderbett lag die Leiche einer vermissten 34-Jährigen, getötet mit Stichen in die Brust.
Eine Verwandte der zweifachen Mutter meldete sich am 17. November bei der Polizei. Sie mache sich Sorgen. Sie habe Abdul Mohammad Tukhi angerufen. Der habe erzählt, er und seine Frau wollen zum Einkaufen. Seitdem könne sie keinen von beiden erreichen.
Totschlag in München: Blutspuren in Wohnung
In der Ehe des Paares kriselte es bereits seit einiger Zeit. Am 11. November hatte die Frau die Polizei gerufen. Sie habe sich aus Angst vor ihrem Mann in ein Zimmer eingeschlossen, der 41-Jährige bedrohe sie. Er weigere sich, die Wohnung zu verlassen. Wenig später rief sie erneut die 110 und erklärte, es werde keine Polizei benötigt.
Als eine Streife wenig später trotzdem in der Wohnung vorbeisah, schien sich die Lage beruhigt zu haben. Die Frau, die aus einer früheren Beziehung zwei drei und sieben Jahre alte Söhne in die Ehe mit Abdul Mohammad Tukhi gebracht hatte, wollte keine Hilfe von der Polizei. "Sie verzichtete darauf, eine Anzeige zu stellen", sagt Josef Wimmer, Chef der Mordkommission. Allerdings habe sich der 41-Jährige gegenüber den besorgten Beamten „sehr uneinsichtig“ gezeigt.
Anne Leiding: "Wir gehen derzeit von Totschlag aus"
Das Ehepaar hatte vor zwei Jahren geheiratet und lebte erst seit März 2020 in München. Beide stammen aus Afghanistan. Die Frau hat inzwischen allerdings die deutsche Staatsangehörigkeit. Ihr Mann, der seit 2010 in Deutschland lebt, hat lediglich eine Aufenthaltsgenehmigung. Er war zuletzt arbeitslos, seine Frau blieb als Hausfrau und Mutter meist zuhause. Ihre Söhne waren oft bei Verwandten untergebracht.
Abdul Mohammad Tukhi scheint den Traditionen der alten Heimat sehr verbunden zu sein. Hier dürfte das Motiv für die Tat liegen. „Er hat extreme Ansichten was die Beziehung von Mann und Frau betrifft“, sagte Oberstaatsanwältin Anne Leiding.
Am 17. November, am selben Tag als die Verwandte bei der Polizei anrief, eskalierte der Konflikt. Die Ermittler der Mordkommission vermuten, dass der Ehemann an diesem Tag seine Frau mit mehreren Messerstichen in die Brust tötete. "Wir gehen derzeit von Totschlag aus", sagte Oberstaatsanwältin Anne Leiding. "Im Laufe der Ermittlungen wird sich zeigen, ob Mordmerkmale vorliegen."
Ehemann auf der Flucht
Die Leiche brachte der Täter ins Kinderzimmer und versteckte sie im Kinderbett unter dem Lattenrost. Damit sie nicht zufällig gefunden wird, packte er offenbar Textilien auf die Tote. Anschließend putzte der 41-Jährige in der gesamten Wohnung, um die verräterischen Blutspuren zu beseitigen.
Als Polizisten später an der Wohnungstür klingelten, öffnete keiner. Niemand schien Zuhause. Die Beamten fanden nichts Außergewöhnliches und rückten wieder ab.
Einen Tag später, am 18. November, entdeckten Ermittler bei der Suche nach Hinweisen auf den Verbleib des Paares Blut in der Wohnung. Mit Hilfe von Luminol gelang es, die Spuren am Tatort wieder sichtbar zu machen. Das Blut bewies, dass der 34-Jährigen oder vielleicht auch ihrem Mann etwas zugestoßen sein könnte.

Super-Recognizer erkennen Tatverdächtigen
Erst am 19. November stießen die Ermittler schließlich auf die Tote. „Es ist eher ungewöhnlich, dass ein Täter das Opfer in der Wohnung versteckt“, erklärt Kriminaloberrat Josef Wimmer. Zudem habe das Kinderzimmer „zunächst nicht im Mittelpunkt der Untersuchungen gestanden“. Die Beamten hätten nicht riskieren wollen, in der Wohnung versehentlich wichtige DNA- oder Fingerspuren zu vernichten. Ein Ermittlungsrichter erließ noch am 19. November Haftbefehl wegen Totschlags gegen den flüchtigen Ehemann. Doch der hatte sich bereits abgesetzt.
Sogenannte Super-Recognizer der Münchner Polizei fanden eine Spur auf Videos der Überwachungskameras am Hauptbahnhof. Super-Recognizer haben eine stark ausgeprägte Fähigkeit, Gesichter selbst in großen Menschenansammlungen wiederzuerkennen. Tatsächlich entdeckten sie den Verdächtigen trotz der allgemeinen Maskenpflicht in einem Video vom 17. November mittags am Hauptbahnhof. Offenbar war er in Begleitung eines Mannes. Die Polizei konnte den 57-Jährigen inzwischen identifizieren, er gilt als wichtiger Zeuge. Abdul Mohammad Tukhi war mit ihm in einem Reisebüro.
In Afghanistan wäre der Flüchtige vor der deutschen Justiz sicher
In einer zweiten Aufnahme vom Nachmittag ist zu sehen, wie der Beschuldigte in einen Zug nach Italien steigt. Dort nahm er ein Flugzeug. „Aller Wahrscheinlichkeit nach hält er sich in Afghanistan auf“, vermutet Josef Wimmer.
Sollte es Abdul Mohammad Tukhi tatsächlich bis an den Hindukusch geschafft haben, müsste er die Münchner Polizei nicht mehr fürchten. Denn es gibt derzeit keine Möglichkeit für die deutsche Justiz ein Rechtshilfeersuchen an die afghanische Justiz zu richten. Das liegt zum einen daran, dass in dem Land noch immer gekämpft wird. Zudem würde dem Flüchtigen in seiner alten Heimat wegen eines Tötungsdelikts vermutlich selbst die Hinrichtung drohen. Am Ende eines deutschen Rechtshilfeersuchens könnte für Abdul Mohammad Tukhi die Todesstrafe stehen, was klar gegen deutsches Recht verstoßen würde.
Zwei weitere Fälle beschäftigen die Ermittler seit Jahren
1. Fall: Mutmaßlicher Mörder flüchtet mit Kindern in den Iran
Seit sechs Jahren ist Abbas-Ali Rahat-Farimani untergetaucht. Vermutlich hat sich der Sicherheitsexperte mit seinen beiden Kindern, einem Mädchen und einem Buben, in seine alte Heimat Iran abgesetzt. Er soll seine Frau, die 47-jährige Hafida B., im August 2014 in der gemeinsamen Wohnung in der Messestadt Riem getötet haben. Hafida B. wurde wochenlang nicht entdeckt. Niemand vermisste zunächst die gebürtige Marokkanerin, alle dachten, die Frau sei im Urlaub.
Der Sicherheitsfachmann dichtete Fenster und Türen der Wohnung mit Bauschaum ab, damit kein Verwesungsgeruch ins Treppenhaus dringen konnte. Anschließend verkaufte er sein Auto und allen anderen Besitz. Erst als die Schwester der Toten nach etwa drei Wochen die Polizei alarmierte, wurde die Leiche von Hafida B. in der Wohnung gefunden.
2. Fall: Mordversuch an Ex-Frau - Flucht in den Irak
Seit Herbst 2014 fahndet die Mordkommission nach Moayad Ismail Ahmad wegen versuchten Mordes. Der 44-jährige Iraker steht im Verdacht, dass er seine von ihm getrennt lebende Ex-Frau mit mehreren Messerstichen töten wollte. Es war der Höhepunkt eines erbittert geführten Scheidungskriegs. Am 26. Oktober, nur wenige Tage nach der Scheidung, lauerte der damals 44-Jährige nachmittags in Riem seiner Ex-Frau auf.
Moayad Ismail Ahmad stach vor den Augen eines ihrer Söhne die Mutter nieder. Mehrere Passanten griffen ein. Der Täter konnte mit der U-Bahn entkommen. Moayad Ismail Ahmad soll sich nach der Tat in den Irak abgesetzt haben. Seine Ex-Frau überlebte den Mordanschlag. In einer Notoperation konnten sie die Ärzte retten.