Thomas S.: Jetzt zeigen sie sein Gesicht

Mit Plakaten sucht die Polizei nach Zeugen im Mordfall Krailling. Der verdächtige Onkel behauptet, er habe in der Tatnacht Zahnweh bekommen - und deshalb sein Haus verlassen.
Ralph Hub |
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Ein Polizist hängt an der Musikkneipe „Schabernack“ ein Fahndungsplakat auf. Auf dem Fahndungsfoto: Thomas S. (41) ein Mann mit Bärenkräften. In der U-Haft beklagt er sich vor allem über das Essen.
dpa/Polizei Ein Polizist hängt an der Musikkneipe „Schabernack“ ein Fahndungsplakat auf. Auf dem Fahndungsfoto: Thomas S. (41) ein Mann mit Bärenkräften. In der U-Haft beklagt er sich vor allem über das Essen.

Mit Plakaten sucht die Polizei nach Zeugen. Der verdächtige Onkel behauptet, er habe in der Tatnacht Zahnweh bekommen — und deshalb sein Haus verlassen.

München -  Diese blauen, doch eher kühlen Augen – ist das der Blick eines Doppelmörders? Eines Mannes, der auf die Mädchen Chiara († 8) und Sharon († 11) wie im Blutrausch mit einem Messer mehr als ein Dutzend Mal eingestochen hat, mit einer Hantel auf sie einschlug und mit einem Strick erdrosselte?

Die Ermittler der Soko Margarete sind fest überzeugt davon, dass sie in Thomas S., dem Onkel der Mädchen, den Richtigen gefasst haben. Seit zwei Wochen sitzt der Familienvater in Stadelheim in U-Haft. Er schweigt eisern.

Zeugen für das Verbrechen gibt es nicht. Deshalb suchen die Ermittler jetzt mit Fahndungsplakaten. Vielleicht hat ja doch jemand Thomas S. in der Nacht zum 24. März, als die beiden Mädchen getötet wurden, in seinem Van gesehen? (Hinweise erbittet die Polizei unter der Rufnummer Tel.089-29100)
Rund um den Tatort in Krailling verteilte die Polizei gestern Fahndungsplakate. Sie zeigen Thomas S. und seinen Wagen. An sämtliche Haushalte in der Gegend werden Handzettel mit der Post verteilt. „Wir wollen nichts unversucht lassen”, sagt Polizeisprecher Peter Reichl.

Speziell ausgebildete Mantrailer-Hunde hatten bereits kurz nach dem Doppelmord die Wohnung und die Umgebung des Tatorts abgesucht. Dabei bekamen die Tiere eine Duftprobe des Verdächtigen unter die Nase gehalten. Anschließend liefen die Spürhunde über den Hof raus auf die Elisenstraße. Nach knapp 100 Metern bogen sie rechts in die Franzstraße ab. Rund 100 Meter weiter an der Kreuzung zur Hans-Sachs-Straße stoppten sie. Dort verlor sich die Spur offenbar.

Die Mordkommission vermutet, dass Thomas S. genau in dieser Gegend seinen grünmetallicfarbenen Van in der Tatnacht abgestellt hat. Weit genug weg, um nicht einem der Nachbarn unverhofft über den Weg zu laufen. Aber auch nicht so weit, dass jemand Verdacht schöpfen könnte, der ihn zufällig sah, wie er durch die Finsternis schleicht.
Thomas S. kennt die Gegend gut. Er hat mit seiner Familie vorübergehend bei seiner Schwägerin Anette S. (41) und deren Töchtern Sharon und Chiara gewohnt. Er war, wie Bekannte berichten, auch öfters im Schabernack, der Musikkneipe, die dem Freund seiner Schwägerin gehört.

Der Van von Thomas S. müsste demnach in der Tatnacht nur einen Steinwurf entfernt von der Musikkneipe gestanden haben, in der AnetteS. an jenem Abend als Bedienung jobbte. Die meisten Gäste gingen kurz nach ein Uhr nachts.

Den direkten Weg über die Margaretenstraße vermied der Mörder. Andernfalls hätte er riskiert, dass ihn zu später Stunde ein Gast auf dem Heimweg begegnet und ihn erkannt hätte. Auch Anette S. hätte ihm begegnen können. Sie ging zusammen mit ihrem Freund Klaus P. gegen 4.30 Uhr heim zu ihrer Wohnung.

Das Alibi des verdächtigen Schwagers ist jetzt schwer erschüttert worden. Thomas S. war nicht, wie er zunächst der Polizei erzählt hatte, im Bett bei seiner Frau. Der 50-jährige Postbote stand, wie erst jetzt bekannt wurde, angeblich mitten in der Nacht auf und verließ, ohne dass es seine Frau und die vier Kinder merkten, sein Haus in Peißenberg.
Er habe Zahnschmerzen gehabt und nicht mehr schlafen können, erklärte er seinem Anwalt. Deshalb, so die Schilderung des Postboten, sei er bereits früh morgens mit dem Wagen nach Feldafing ins Postamt gefahren. Dort habe er die Briefe für seinen Zustellbezirk sortiert und dann ausgeliefert.

Um 5.30 Uhr rief Thomas S. von der Post in Feldafing aus bei seiner Familie in Peißenberg an. Verteidiger Karl Peter Lachniet: „Er wollte seine Frau wecken, um sie an einen Krebsnachsorgetermin zu erinnern. Außerdem machte er sich Sorgen, dass die Kinder nicht pünktlich zur Schule kommen könnten.”
Nach Ansicht des Verteidigers ist die Erklärung „nachvollziehbar und plausibel.” Sein Mandant habe seit Jahren Probleme mit den Backenzähnen, das sei auch in seiner Krankenakte dokumentiert.

Die Erklärungsversuche könnten wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen, wenn demnächst die Gutachten zu den am Tatort und an den Leichen gesicherten DNA-Spuren vorliegen. Auch der genetische Fingerabdruck des Onkels wurde gefunden. Selbst am Seil, mit dem die Kinder erdrosselt wurden.

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