Teil 7: Erst Geldige, dann Polizei, jetzt Bürgerkultur

Die Seidlvilla hat eine wechselvolle Geschichte. Wie Bürger den Bau nach und nach für sich gewonnen haben.
von  Christian Pfaffinger
Die Villa Lautenbacher ist heute als Seidlvilla bekannt.
Die Villa Lautenbacher ist heute als Seidlvilla bekannt. © Schramek

München - Die Ursprünge der Seidlvilla liegen im Bier. Damit ist nämlich das Geld zu ihrem Bau verdient worden. Denn das Vermögen, das Bauherrin Franziska Lautenbacher 1905 in die Villa steckt, stammt aus ihrer ersten Ehe mit einem der Bosse der Spaten-Brauerei.

Gut ein Vierteljahrhundert residiert die Hausherrin dort so dahin, dann stirbt sie. Das Haus wechselt mehrmals den Besitzer. Die Villa bleibt erst einmal eine nette Bude für Geldige. Dass sie einmal den Bürgern gehören würde, an sowas denkt noch keiner.

Die Seidlvilla haben sich die Münchner erobert. Sie gehörte erst Reichen, dann Baulöwen, wurde dann zur Zwischennutzung gebraucht und schließlich ganz den Schwabingern gewidmet – als ein Bürgerzentrum im Herzen des Viertels.

Auslöser des Kampfs um die Seidlvilla ist der Wunsch nach mehr Profit: Anfang der Siebziger soll nicht nur das Areal um den Nikolaiplatz neu bebaut werden, sondern auch die Seidlvilla – und übrigens auch das ehemalige Wohnhaus des Architekten Emanuel von Seidl in der Maria-Josepha-Straße – einem größeren Komplex weichen. Spätere Pläne verzichten zwar auf einen Abriss, würden die Villa allerdings quasi zubetonieren.

Ausnüchterungszellen oder doch lieber Ausstellungsräume?

Der in der Nachbarschaft wohnende Architekt Meinrad von Ow und der Verein Münchner Forum gründen ein Bürgerkomitee und informieren Anwohner, es kommt zum Widerstand gegen die Pläne.

Mit der Aufgabe der Baupläne am Nikolaiplatz 1976 ist erst einmal auch die Seidlvilla gerettet, allerdings ist man sich über die Nutzung noch nicht so recht einig. Die Schwabinger Polizei muss ihr Revier in der Rheinstraße räumen. Bis es was Neues gibt, wollen die Beamten in die Seidlvilla einziehen.

Den Bürgerinitiativen gefällt das gar nicht. Sie wollen aus dem neu errungenen Haus im Besitz der Stadt ein Kulturhaus machen, für lokale Künstler, aber auch als Forum für die Bürger im Stadtviertel. Wieder gibt es Streit über die Nutzung der Villa. Sollen da jetzt lieber Ausnüchterungszellen rein oder Ausstellungsräume?

Am Ende kommt es zu einem Kompromiss: Die Polizei darf einziehen, es wird ein achtjähriges Langzeitprovisorium draus. Ab 1987 gehört die Villa dann ganz den Bürgern, den Vereinen, Künstlern und der Volkshochschule. Da ist das Brauersgeld doch gut angelegt.

Hier finden Sie alle bisher erschienenen Teile der AZ-Serie "München nicht wie geplant"

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