Tanzen gegen Alzheimer!
MÜNCHEN - Zu anstrengend! Zu peinlich! Das kaputte Knie! Die alte Kriegsverletzung!
Tanzmuffel haben viele Ausreden, wenn es darum geht, sich vorm Parkett zu drücken. Doch jetzt bekommt die Gegenseite Schützenhilfe von der Wissenschaft. Tanzen soll sogar Alzheimer vorbeugen, teilt der Allgemeine Deutsche Tanzlehrerverband mit – und beruft sich dabei auf die renommierte Münchner Ärztin und ehemalige Schauspielerin Dr. Marianne Koch. Wir haben mit ihr gesprochen.
AZ: Walzer, Cha-Cha-Cha und Boogie Woogie gegen Alzheimer – Frau Dr. Koch, hilft das wirklich?
MARIANNE KOCH: Ja, große internationale Studien haben das festgestellt. Tanzen ist deshalb so günstig, weil es die kognitiven Fähigkeiten, die Intelligenz herausfordert und mit Emotionen und körperlicher Aktivität verbindet. Außerdem fördert es soziale Bindungen.
Gilt das auch, wenn man ganz simpel und einigermaßen elegant mal das eine und dann das andere Bein anhebt, abwechselnd?
Naja, es sollten schon Tänze sein, bei dem es bestimmte Schrittmuster gibt. Gerade das Sich-Einprägen des Ablaufs, das Sich-Abstimmen mit dem Partner schult die geistigen Fähigkeiten.
Tanzen Sie selber?
Seltenst. Meine Vorbeugung ist der tägliche Spaziergang mit meinen Hunden. Das ist nicht gerade Tanz, aber Bewegung.
Bei welchen Gelegenheiten tanzen Sie?
Auf Hochzeiten zum Beispiel – wenn’s sein muss.
Und was?
Ich habe mal ganz gut Tango getanzt. Aber das ist seeehr lange her.
Wie lässt sich einer Altersdemenz – außer durch Tanzen – noch vorbeugen?
Durch tägliches Lernen, Kopfrechnen, Lesen, Joggen etwa. Aber auch die Ernährung spielt eine Rolle. Hoher Blutdruck und hohes Cholesterin wirken sich negativ auf die Blutversorgung im Gehirn aus. Dagegen hilft die so genannte Mittelmeer-Diät, also viel Gemüse, Salat, Obst, Fisch, Knoblauch und Olivenöl. Und weniger Fast Food.
Wenn ein älterer Mensch Telefonnummern vergisst oder Geburtstage – muss das ein Warnsignal sein?
Überhaupt nicht. Ich habe es mal das Es-liegt-mir-auf-der-Zunge-Syndrom genannt. Das ist völlig normal, kommt und geht. Daran leidet jeder Mensch, der älter wird.
Welche Anzeichen sollte man als Angehöriger oder Betroffener denn ernst nehmen?
Wenn jemand Dinge nicht mehr erkennt...
Das bedeutet konkret?
Ein Mann schilderte zum Beispiel einmal, wie seine Frau den Tisch gedeckt hat und plötzlich nicht mehr wusste, ob die Tasse auf die Untertasse gehört oder umgekehrt. Das ist dann schon besorgniserregend.
Soll man die betroffenen Personen darauf ansprechen?
Die wissen das selbst und sind meist verzweifelt. Aber man sollte sie motivieren, zum Arzt zu gehen, weil man die Krankheit am Anfang mit Artzney noch hinauszögern kann.
Wird Alzheimer irgendwann heilbar sein?
Das hoffen wir alle – und die Forschung scheint große Fortschritte zu machen.
Gibt es einen Unterschied zwischen Alzheimer und Demenz?
Der Begriff „Demenz“ kommt aus dem Lateinischen und bedeutet wörtlich übersetzt „weg vom Geist“ oder auch „ohne Geist“. Darunter versteht man Störungen der geistig-seelischen Leistung, zum Beispiel Gedächtnisstörungen und Denkschwierigkeiten bei klarem Bewusstsein, Sprachstörungen, Veränderungen der Stimmungskontrolle und der sozialen Verhaltensweisen. Die Alzheimer-Krankheit (benannt nach dem Psychiater Alois Alzheimer) ist nicht die einzige, aber die häufigste aller Demenzerkrankungen: rund 60 Prozent aller Demenzen werden durch sie hervorgerufen.
Wie häufig ist die Krankheit?
In Deutschland sind etwa 1,2 Millionen Menschen von einer Demenzerkrankung betroffen.
Welche Rolle spielt das Alter?
Die Häufigkeit von Demenzerkrankungen nimmt mit dem Lebensalter zu: Sind in der Altersgruppe von 70 bis 74 Jahre noch unter 3 Prozent betroffen, so sind es bei den 80 bis 84jährigen bereits 13 Prozent, bei den über 90jährigen mit 34 Prozent sogar rund ein Drittel. In Einzelfällen können aber auch unter 65jährige an einer Demenz erkranken (im Alter von 45 - 65 Jahre etwa 0,1 Prozent).
Ist Alzheimer erblich?
Es gibt eine genetische Komponente. Rund fünf bis zehn Prozent der Betroffenen zeigen eine familiäre Häufung.
Welche Anlaufstelle für Betroffene und Angehörige gibt es in München?
Die Alzheimer Gesellschaft München e.V. ist online unter agm-online.de und telefonisch unter (089) 47 51 85 erreichbar.
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