Tabubrechen mit Charlotte Roche
Die Bestsellerautorin liest im Lustspielhaus aus ihrem umstrittenen Roman „Feuchtgebiete“.
Ja, Charlotte Roche mutet den Lesern mit ihrem Roman „Feuchtgebiete“ eini-ges zu. Die Handlung auf den 220 Seiten – die Geschichte einer jungen Frau, die nach einer missglückten Intimrasur im Krankenhaus liegt – ist dürftig. Die Hauptfigur ist weniger vielschichtiger fiktionaler Charakter als literarisches Gefäß, gefüllt mit drastischen Schilderungen und ungewöhnlichen Theorien zum Thema Sex.
Sprache und Inhalt des Romans sind – wie viele auch wissen, ohne das Buch je gelesen zu haben – vulgär, schonungslos offen und bisweilen Ekel erregend. Damit bietet Roche natürlich eine ideale Angriffsfläche. Leser wie Literaturkritiker mokieren sich genüsslich über den schnoddrigen Stil, die grammatikalischen Schnitzer und das fehlende Niveau des Romans.
Ein bisschen Provokation schadet nicht
Trotzdem sollte man in das erste Buch der 30-Jährigen einmal reinlesen oder – wie jetzt bei den Leseterminen im Lustspielhaus – reinhören. Und zwar nicht, weil „Feuchtgebiete“ immer noch auf den Bestsellerlisten steht. Sondern weil man anerkennen muss, dass Roche, die schon als Moderatorin der legendären Sendung „Fast Forward“ kein Blatt vor den Mund genommen hat, offen wie kaum eine andere Autorin über Sex schreibt. Das ist an sich schon bemerkenswert in einer Gesellschaft, die sich gerne aufgeklärt gibt, in der es aber - trotz oder gerade wegen des vielen öffentlichen Geredes über Sex - mit der Liberalität in Sachen Erotik oft nicht weit her ist.
Das zweite, weit stärkere Argument, um sich mit „Feuchtgebiete“ auseinanderzusetzen, ist die Offenheit, mit der Roche auch über Rasurzwang, parfümierte Frauen und die Notwendigkeit von Hygiene spricht. Natürlich ist das provokativ gemeint, egal wie autobiographisch der Roman sein mag. In Zeiten von Supermodel-Shows, Botox-Partys und Jugendwahn kann ein bisschen Provokation aber nicht schaden.
Vera Tichy
Charlotte Roche: „Feuchtgebiete“. Lesung. Lustspielhaus, Occamstr. 8, 3./ 4. September, 20.30 Uhr. Karten: Telefon 344974.
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