Synagoge in der Reichenbachstraße: Bauhaus-Kunst für München

München - Es ist ein bisschen duster, geht über Holzplatten an Rohbauwänden vorbei - doch dann steht man im weiten, hellen Hauptraum der Synagoge an der Reichenbachstraße. Die Sanierung des Baus ist nach über zehn Jahren nun in der Schlussphase, die Wandverkleidung der Ostnische etwa ist mit dem alten Material von damals, karamellgelbem Stein, wieder hergestellt.
"Jetzt kommen nur noch die schönen Sachen", sagt Rachel Salamander, Gründerin des Vereins Synagoge Reichenbachstraße, der den Wiederaufbau initiiert hat. Soll heißen - die Infrastruktur ist geschafft, es geht an die Gestaltung.
Und die war damals, 1931, als der Sakralbau von Architekt Gustav Meyerstein entworfen und gebaut wurde, eine moderne und sehr besondere - Stichwort Bauhaus und Neue Sachlichkeit. Genau so soll sie wieder werden.
Licht und Farbe und ein radikal minimalistischer Bau
Meyerstein habe damals aus der Not, nur begrenzte Mittel zur Verfügung zu haben, eine Tugend gemacht und einen radikal minimalistischen Bau entwickelt, der hauptsächlich von Licht und Farbe lebte, so Salamander. Die Wände waren Hellblau und wenn von oben das Licht einfiel, wurde es zu Türkis, erklärt Salamander. "Alle Zeitzeugen berichteten, was für ein Farberlebnis das war."
Die Gestaltung der Synagoge in ihrer Urform von 1931 soll nun beim Wiederaufbau noch konsequenter umgesetzt werden als damals. Ein wichtiges Detail: ein passender Vorhang für den Thoraschrein. Rachel Salamander kontaktierte den Bauhaus-Experten Christoph Wagner, Professor und Lehrstuhlinhaber für Kunstgeschichte an der Uni Regensburg, mit der Frage: Kann man so etwas nachweben lassen? Weber hatte eine andere Idee und machte sie mit Ariel Aloni, dem Enkel der Bauhaus-Meisterin Gunta Stölzl (1897-1983), eine der prägenden Figuren der Weberei und des Textildesigns, bekannt - die Sensation nahm ihren Lauf.
Die einzige Frau, die Bauhaus-Meister sein durfte
Eigentlich unmittelbar habe Aloni angeboten, dem Verein einige Stücke, die noch im Besitz der Familie sind, zu schenken, so Salamander. "Ein unglaublicher Glücksfall für München, die Synagoge und alle Kunstliebhaber. Ich bekomme jetzt noch Gänsehaut." Für die Übergabe am Mittwoch (9. April) war Aloni eigens aus New York angereist.
Der alte Stoff mit grün-blauen Blockstreifen soll an einer Messingstange vor dem Thoraschrein hängen. Im Inneren der Nische soll ein weiterer Stoff in Rottönen Platz finden, dessen Muster an Kelche erinnert.
Damit wiederholt sich auch das Farbkonzept der Räume, denn aus einem pompejanisch-roten Vorraum wird es, wenn alles fertig ist, in den wieder hellblauen Hauptraum gehen.
Er habe schon viele solcher Projekte gehabt, erklärt Aloni. Dieses aber sei bei Weitem das Emotionalste. Er erinnerte auch an seine bereits verstorbene Mutter Yael Aloni, Gunta Stölzls Tochter, die Zeit ihres Lebens das Werk ihrer Mutter und auch ihres Vaters, des Bauhaus-Architekten Arieh Sharon, archiviert und gepflegt hat.

Stölzl wurde 1897 in München geboren und studierte ab 1919 am Bauhaus in Weimar. Großen Einfluss auf ihre künstlerische Entwicklung nahm der Unterricht bei Paul Klee und Wassiliy Kandinsky. Bald galt sie als eine der wichtigsten Textilkünstlerinnen ihrer Zeit. 1925 kehrte sie ans Bauhaus, das sich mittlerweile in Dessau befand, zurück und wurde leitende Werkmeisterin der Weberei. Ab 1927 durfte sie als einzige Frau den Titel "Meister" führen. 1929 heiratete sie den Bauhaus-Architekten Arieh Sharon. Er emigrierte nach Palästina und baute an der "Weißen Stadt" Tel Aviv mit. Gunta Stölzl hingegen emigrierte 1931 in die Schweiz, wo sie mit anderen Bauhäuslern ein erfolgreiches Textilunternehmen gründete. 1937 machte sie sich mit der Handweberei Flora, die 30 Jahre existierte, selbstständig. Ihre Werke hängen in Museen wie dem MoMA in New York, dem Victoria and Albert Museum in London oder der Neuen Sammlung in München.
Eine Münchner Künstlerin kommt zurück nach München
Nach 90 Jahren schließe sich so der Kreis, sagte Salamander. Eine der prägenden Bauhaus-Künstlerinnen kehrt mit einer ihrer Arbeiten in ihre Geburtsstadt zurück, und zwar in eine der weltweit einzigartigen Synagogen des Bauhausstils. "Es ist wirklich Geschichte, die hier stattfindet", so Salamander. Christoph Wagner ergänzt Stölzl und Meyerstein hätten sich zwar nie getroffen, für beide sei aber Farbigkeit zentral gewesen. „Wir geben dem Bau hier etwas dazu, was in Meyersteins Sinn sein muss.“

Noch in diesem Jahr soll die Sanierung der Synagoge an der Reichenbachstraße, die zu je einem Drittel von Bund, Land und Stadt gefördert wird, fertig sein, sagt Salamander.
Der Bau wird dann auch hauptsächlich als Synagoge genutzt werden, aber auch der Öffentlichkeit zugänglich sein. Geplant sind Veranstaltungen, die Einbindung in historische Führungen und Kooperationen mit Schulen, die dort Unterricht etwa über deutsch-jüdische Geschichte halten können. Rachel Salamander ist überzeugt: "Das wird ein Hotspot der Stadt werden." Die Synagoge als Bauhaus-Gebäude sei schon jetzt weit über München hinaus international bekannt.