Suchdienst bringt Schwestern nach 65 Jahren zusammen

„Bist du’s?“ - die Schwestern hatten sich 65 Jahre nicht gesehen - wie das Rote Kreuz zwei Frauen aus Bayern vereint hat.
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Lydia Brigitte Teuber (l.) und Inge Wolf im Archiv des Suchdienstes.
dpa Lydia Brigitte Teuber (l.) und Inge Wolf im Archiv des Suchdienstes.

„Bist du’s?“ - die Schwestern hatten sich 65 Jahre nicht gesehen - wie das Rote Kreuz zwei Frauen aus Bayern vereint hat.

München - Die gemeinsame Kindheit von Inge Wolf und ihrer Schwester Brigitte Teuber endete abrupt. Irgendwann war das Baby nicht mehr da in der Abstellkammer des niederbayerischen Bauernhofes, in dem die aus Polen geflohene Mutter mit ihren beiden kleinen Mädchen Unterschlupf gefunden hatte. Es war das Jahr 1947. Nachkriegswirren. „In ihrer Not hat meine Mama meine Schwester zur Adoption freigegeben“, erinnert sich Inge Wolf, die damals vier war. „Wir hatten nichts – wie es halt nach dem Krieg war. Und da kam mein Schwesterlein Brigitte auf die Welt. Mama stand wirklich in der Not da.“

65 Jahre sollte es dauern, bis die beiden Schwestern sich wieder in die Arme nehmen konnten. Am Ostbahnhof gingen die Frauen, die sich so unglaublich ähnlich sehen, füreinander aber Fremde waren, aufeinander zu. „Ich bin dagestanden und war total geplättet“, sagt Brigitte Teuber (69). „Sie schaut mich an, ich schaue sie an und ich frage: Bist Du’s?“

Der Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes hat die beiden Schwestern zusammengeführt. 2011 stellte Inge Wolf die Suchanfrage, etwa ein Jahr später hatte sie eine Nachricht von ihrer kleinen Schwester auf dem Anrufbeantworter. Sie habe sich erst nach dem Tod der Mutter zu diesem Schritt entscheiden können, sagt Wolf. „Die Mama hat sich geniert vor den Leuten. Vielleicht hatte sie ein schlechtes Gewissen.“

Seit 70 Jahren spürt der Suchdienst verlorenen Menschen nach: Soldaten, die aus dem Krieg nicht heimkehrten und Familienangehörigen, die sich in den Kriegswirren aus den Augen verloren. In diesem Jahr feiert der Dienst Jubiläum.

Heute erzählen 53 Millionen inzwischen digital erfasste Karteikarten die Geschichten von rund 20 Millionen Menschen, von zerrissenen Familien und jahrelanger Ungewissheit. Oder vom Schicksal der Kinder, die in den Kriegswirren ihre Eltern verloren und bis heute nicht wissen, woher sie wirklich kommen.

1950 wurden alle Familien aufgerufen, ihre Vermissten zu melden. Plakate mit dem „Aufruf zur Registrierung der Kriegsgefangenen und Vermißten“ hingen überall in Deutschland. Die Zahl stieg nach der Erfassung zwischen dem 1. und 11. März 1950 auf 2,5 Millionen Vermisste. Rund die Hälfte der Fälle ist heute noch ungeklärt, wie der Historiker Christoph Raneberg sagt, der die Dokumentation am Suchdienst-Standort in München leitet.

„Wir waren damals 600 Mitarbeiter“, erinnert sich Marianne von Geldern, eine Mitarbeiterin der ersten Stunde. „Wir haben immer versucht, zu helfen, wo man noch helfen konnte“, sagt sie. „Eine Karte war ein Mensch und diesem Menschen musste man helfen.“

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Auch das Schicksal von Inge Wolf und ihrer Schwester steht auf diesen Karteikarten. Jahrelang lebten sie in Bayern – nur 40 Kilometer voneinander entfernt, ohne davon zu wissen. „Ich habe mir immer eine Schwester gewünscht“, sagt Brigitte Teuber. Sie hat eine.

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