Streik: Ärzte auf der Straße
MÜNCHEN - Tausende Mediziner streiken für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Bezahlung der Bereitschafts-und Nachtdienste.
Die Trommelschläge und Trillerpfeifen sind schon von weitem zu hören. Hunderte Menschen strömen vom St.-Pauls-Platz in Richtung Stachus, sie tragen weiße Kittel, Mundschutz und Stethoskope um den Hals.
Es sind Ärzte, die im Kampf mit den kommunalen Kliniken auf die Straße gehen. Gemeinsam mit der Ärztegewerkschaft Marburger Bund kämpfen sie für bessere Arbeitsbedingungen und eine bessere Bezahlung ihrer Tages- und Nachtarbeit. Verbandschef Rudolf Henke spricht von einer „permanenten Überlastung der Ärzte“.
Auch Daniel Schmidt, Notarzt am Krankenhaus Bogenhausen, ist gekommen, ballt seine Faust: „Es geht nicht nur ums Geld. Das zentrale Thema sind die Arbeitsbedingungen.“ Er spricht von „starker Arbeitsverdichtung“ und erklärt: „Im Vergleich zu früher fällt in derselben Zeit viel mehr Arbeit an.“ Die Gesellschaft müsse sich entscheiden, wie viel sie für Gesundheit ausgeben will.
"Nachts gibt es uns um die Hälfte, am Wochenende umsonst"
Doch wie der Arbeitskampf auch enden wird – Daniel Schmidt will Deutschland so oder so verlassen. „Hier geht es um fünf Prozent mehr Lohn“, sagt der Vater von zwei Kindern. Woanders bekäme man sogar 100 Prozent mehr. In ein paar Tagen fliegt der Notarzt zu Vorstellungsgesprächen nach Südostasien.
Zentrales Thema der Streikenden ist der Personalmangel an kommunalen Kliniken sowie eine bessere Bezahlung der Bereitschafts- und Nachtdienste. „Nachts gibt es uns um die Hälfte, am Wochenende umsonst“, steht auf Plakaten. Es geht ums Honorar. Derzeit erhalten Ärzte nachts pro Stunde 1,28 Euro pro Stunde extra. Für Rudolf Henke, Verbandschef des Marburger Bundes eine Beleidigung der Ärzte: „Zu diesem Preis würde kein Handwerker nachts aufstehen.“
Auch Thomas Neumann ärgert sich: "Das ist eigentlich unverschämt." Der 32-jährige Anästhesist ist Streikführer im Schwabinger Krankenhaus. „Die Arbeitsbelastung ist enorm,“ sagt er. Im Monat kommt Neumann kommt auf bis zu 240 Arbeitsstunden, davon etwa 50 als Notarzt im Bereitschaftsdienst, oft an den Wochenenden und bis zu 80 im Nachtdienst auf Intensivstation. Vor allem die Bereitschaftsdienste haben es in sich: „Das sind 24 Stunden, in denen ich kaum Schlaf finde. Ich kann mich zwar im Notarztzimmer hinlegen, an Schlaf ist aber kaum zu denken.“ Wenn die Schichten besonders ungünstig liegen arbeitet der junge Arzt zwei Wochen ohne wesentliche Pausen. So sieht Dr. Neumann auch Handlungsbedarf, was das allgemeine Personalmanagement an den deutschen Kliniken angeht. „Doch das ist Teil der nächsten Verhandlungen.“ Zunächst geht es um die Dienstvergütungen.
Die Kliniken beschreiben die Situation als "unaufgeregt"
Von dem unbefristeten Streik sind alle fünf städtischen Kliniken sowie das Bezirkskrankenhaus Haar betroffen. Patienten müssten auch in den nächsten Tagen mit Verschiebungen bei Behandlungen rechnen, sagte Verbandschef Rudolf Henke. Die Versorgung aller Notfälle und dringlichen Eingriffe sei aber gesichert.
Das bestätigt auch Bruno Wirnitzer, Personalchef der Kliniken und beschreibt die Notfallversorgung als „unaufgeregt und in einer besonnenen Atmosphäre“. Zudem seien die Kinderabteilungen und die Intensiv-und Wachstationen von dem Streik ausgenommen. Noch habe es keine Patientenbeschwerden gegeben, aber: „Je länger der Streik dauert, desto unangenehmer wird es.“
Bundesweit haben sich nach Angaben des Marburger Bundes 15.000 Ärzte aus 200 kommunalen Krankenhäusern an den Streiks beteiligt.
Vanessa Assmann
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