"Straftäter mit Prävention nicht mehr zu erreichen": Jugendgewalt in München immer dramatischer

Mit neuen Projekten und neuen Initiativen will die Stadt München bei gefährdeten Teenagern gegensteuern, bevor diese in die Jugendgewalt abrutschen.
von  Ralph Hub
Passanten in einer Unterführung in Pasing. Vor allem die Gegend rund um den Bahnhof war Anfang 2023 ein Brennpunkt der Jugendkriminalität.
Passanten in einer Unterführung in Pasing. Vor allem die Gegend rund um den Bahnhof war Anfang 2023 ein Brennpunkt der Jugendkriminalität. © imago images/Shotshop

München - Der Ton ist rauer geworden unter Erwachsenen, aber auch unter Kindern und Jugendlichen. Das merkt man auf der Straße und vor allem im Internet. Manche Posts und Kommentare strotzen nur so vor Hass, Hetze und Häme.

"Wenn ein OB eine Schule einweiht, wurde das früher mit einem freundlichen Nicken, schlimmstenfalls mit Gleichgültigkeit kommentiert", sagt OB Dieter Reiter, "heute enthalten viele Posts, die Politiker erhalten, Drohungen, Hetze und Beschimpfungen." Diese Entwicklung habe "vor Kindern und Jugendlichen nicht Halt gemacht", so Reiters ernüchtertes Resümee am Freitag im Münchner Rathaus.

"Bedenklich ist, dass Täter immer jünger werden": Gewalt in München nimmt zu

Die Gewalt in der Sprache färbt zunehmend auch auf das Handeln mancher Teenager ab. Im Rathaus, aber auch im Polizeipräsidium ist man besorgt über die Zunahme von Gewalttaten, vor allem unter jungen Menschen. "Bedenklich ist, dass Täterinnen und Täter immer jünger werden, dass die Zahl der Raubdelikte dramatisch zunimmt, dass sich die Jugendlichen falsche Vorbilder suchen", sagte Reiter mit Blick auf teils erschreckende Gewaltausbrüche von Minderjährigen in der jüngeren Vergangenheit.

Beispielsweise vorgetäuschte Vergewaltigungen, bei der junge Burschen Mädchen demütigen und quälen. Sie nehmen ein Video auf, stellen es ins Internet, um sich ihrer Taten zu brüsten. Prügeleien, Überfälle, Randale auf öffentlichen Plätzen. Manche Jugendliche tun das, um sich selbst in Szene zu setzen, um Freunden zu imponieren.

Auch Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste werden Opfer von Gewalttaten

Um 29 Prozent – auf 4.500 ist die Zahl von Gewalttaten von Jugendlichen in München im vergangenen Jahr in die Höhe geschnellt (nach fast zehn Jahren des Rückgangs). Ein Trend, der weiter zunimmt, verstärkt auch durch die Corona-Pandemie und die damals damit verbundenen Einschränkungen.

Erschreckend sei, so Polizeipräsident Thomas Hampel, die Gewalt mancher Jugendlicher, die sich auch gegenüber Einsatzkräften nicht nur von Polizei, sondern auch gegenüber Feuerwehr und Rettungsdienst immer öfter zeige. So wie es beispielsweise im Englischen Garten in den letzten Jahren immer wieder der Fall war.

Münchens Polizeipräsident gibt zu: "Hardcorestraftäter werden wir mit Prävention nicht erreichen"

Gleichzeitig werden die Täter, überwiegend sind es männliche Teenager, immer jünger. Waren im Vor-Corona-Jahr 2019 noch knapp 14 Prozent aller Gewalttäter minderjährig, waren es 2022 bereits etwa 20 Prozent.

"Die Hardcorestraftäter, die zu allem entschlossen sind, die werden wir mit reiner Prävention nicht erreichen", ist sich auch Hampel bewusst. Doch die Mitläufer, die gewalttätiges Verhalten cool fänden und "auch Gangster werden" wollten, die könne man durchaus noch davon abhalten, auf die schiefe Bahn zu geraten. Stadt und Polizei wollen daher die Prävention forcieren.

Die Stadt München will mehr Stellen für Sozialpädagogen schaffen

Am Geld werde es dabei nicht scheitern, versprach Reiter. Die Stadt gebe alljährlich rund vier bis fünf Millionen Euro für die Jugendarbeit aus, schätzt der OB. Kürzungen soll es nicht geben, im Gegenteil. So sollen städtische Gymnasien mehr Sozialpädagogen bekommen. Eine halbe Planstelle pro Schule ist geplant. Macht bei 14 städtischen Gymnasien ganze sieben Sozialpädagogen. Nicht viel, "aber ein erster Schritt", wie Florian Kraus, Chef des Referats für Bildung und Sport anmerkt.

Ein spezielles Gremium aus Sozial- und Schulreferat, Staatlichem Schulamt, KVR und Polizei soll geschaffen werden, um neue Konzepte und neue Ansätze zu entwickeln. Im Frühjahr 2024 soll eine entsprechende Vorlage dem Stadtrat vorgestellt werden. Mit neuen Projekten und neuen Initiativen will die Stadt bei gefährdeten Teenagern gegensteuern.

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