Statt Buenos Aires lieber Berlin

Komponist Luis Stazo gastiert im GOP-Theater – ein Gespräch über 70 Jahre Leidenschaft. Außerdem: Münchens vielfältige Tango-Szene.
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Luis Stazo.
Siegfried Sperl Luis Stazo.

Komponist Luis Stazo gastiert im GOP-Theater – ein Gespräch über 70 Jahre Leidenschaft. Außerdem: Münchens vielfältige Tango-Szene.

Der Gewinner des Grammy Latino war Mitglied des „Sexteto Mayor“. 2005 gründete er das Tango-Trio „StazoMayor“

AZ: Herr Stazo, wann haben Sie sich in den Tango verliebt?

LUIS STAZO: Als ich sechs Jahre alt war, vor 73 Jahren.

Was war der Auslöser?

Ich habe im Radio Aníbal Troilo gehört und das hat mir sehr gefallen. Dann habe ich meinem Vater gesagt, dass ich Bandoneón spielen will. Er hat mich zur Musikschule gebracht, aber dort wurde leider kein Bandoneón unterrichtet.

Und dann?

Ich habe andere Instrumente ausprobiert, aber die Direktorin hat schnell gemerkt, dass ich nur das Bandoneón spielen will. Dieses Instrument ist Tango. Nur das wollte ich. Nichts anderes. Sie sagte meinem Vater ,Beschneiden Sie ihren Sohn nicht. Suchen sie ihm einen richtigen Lehrer.’

Wie ging Ihre Liebe zum Tango weiter?

Ich habe im Kinderorchester gespielt und mich dann immer weiter entwickelt. Es hat nicht lange gedauert, bis ich mit den Profis gespielt habe.

Und ihr Vater war stolz?

Ja. Er schenkte mir sogar sein altes Bandoneón. Darauf spiele ich jetzt seit 60 Jahren. Mein anderes ist 40 Jahre alt.

Sind Sie dem Tango auch schon mal fremd gegangen und haben andere Stile ausprobiert?

Nein, nein, auf keinen Fall. Immer nur Tango.

Von Ihnen stammen über 100 Kompositionen. Woher nehmen Sie die Inspiration?

Meine Familie regt mich dazu an. Ich habe meiner Ehefrau Manuela einen Tango geschrieben, dann einen Walzer, der heißt 22. September, das ist ihr Geburtstag. Ich habe meiner Schwiegermutter eine Milonga gewidmet, meinem Schwiegervater einen Tango. Das ist einfach ein Gefühl, das man im Herzen hat und dadurch entsteht die Musik.

Ihr Zuhause ist nicht mehr Buenos Aires sondern Berlin. Wie kam es dazu?

Meine Frau ist Berlinerin.

Wie haben Sie zwei sich kennen gelernt?

MANUELA STAZO: Im Januar 1996 waren „Sexteto Mayor“ in Berlin. Ich kannte mich in der Tango-Szene aus, weil ich einen Sänger aus Argentinien vertreten habe. Der erzählte mir dann von seinem Freund Luis Stazo. Und dann habe ich mir ihn mal angeguckt.

Und haben sich Hals über Kopf verliebt?

M.Z.: Ich gar nicht. Beim ersten Zusammentreffen war ich eher voller Ehrfurcht. Wobei es von seiner Seite aus wohl Liebe auf den ersten Blick war.

Herr Stazo, war es so?

L.S.: Es gibt keinen Zweifel.

Und dann sind Sie zu ihr nach Berlin gezogen?

L.S.: Am 8. Dezember 2004 ist Pepe Libertella während einer Tour neben mir zusammengebrochen und war auf der Stelle tot. Das war für mich der Auslöser, dass ich dachte, bis hier hin und nicht weiter. Ich muss nicht mehr auf der ganzen Welt auftreten. Am 1. Januar 2005 bin ich direkt nach Berlin geflogen und bin dort geblieben.

Vermissen Sie Argentinien?

Nein. Es gibt ja Telefon.

Können Nicht-Argentinier nachempfinden, was Tango wirklich bedeutet?

Ganz bestimmt. Carlos Gardel war einer der besten Tango-Sänger und wurde in Frankreich geboren. In meinem Sexteto gibt es nur zwei Argentinier. Die anderen spielen den Tango als wären sie in Argentinien geboren worden.

Wie schaut es bei den Deutschen aus?

Das ist ein besonderer Fall, weil das Bandoneón aus Carlsfeld kommt. Von dort ist der Tango praktisch nach Argentinien gelangt. Die Legende erzählt, dass ein deutscher Matrose seine Zeche nicht zahlen konnte und sein Bandoneón abgab. So ist das Instrument nach Argentinien gekommen.

Wie haben Sie die Entwicklung des Tangos erlebt?

Ich habe sie in verschiedensten Orchestern mitgemacht. Ich habe auch die Zeit mit Ástor Piazzolla mitgemacht. Er war der Erneuerer schlechthin, aber als er in den 50er Jahren seine neue Musik in Buenos Aires anbringen wollte, wurde er davongejagt. Damals hat man einfach noch nicht die Schönheit seiner Kompositionen erkannt.

Wie ging es dann weiter?

In den 60er Jahren entschärfte sich die Lage. Piazzollas Lied „Balada para un loco“ (Ballade für einen Verrückten) ging um die Welt und kam irre gut an.

Wie wichtig sind beim Tango Erotik und Leidenschaft?

Beim Tango geht es eigentlich mehr um die Liebe zur Ehefrau, zur Mutter, zu den Kindern. Man kann ihn auch erotisch sehen, aber eigentlich ist er nicht so gemeint.

Geht es nicht um Verführung und Eroberung?

Die Tänzer versuchen auf diese Weise das Publikum in ihren Bann zu ziehen, aber der Tango an sich hat wenig mit Erotik zu tun. Mit Leidenschaft schon, aber nicht mit Erotik.

Und mit Melancholie, oder?

Natürlich. Tango erzählt ja auch oft von geliebten Personen, die gestorben sind oder die weit weg sind.

Damals oder heute – wann gefiel Ihnen die Tango-Szene und ihre Musik besser?

Früher gab es ganz wichtige Persönlichkeiten. Heute gibt es nur noch mich. Alle anderen Arrangeure sind nicht mehr da. Die talentierten Jungmusiker von heute müssen vor allem die Grundzüge lernen und ihren eigenen Stil finden. Ansonsten spielen sie nur die damaligen Kompositionen nach, ohne sich selbst weiter zu entwickeln.

Was halten Sie von elektronischer Tangomusik?

Ich finde sie weder gut noch schlecht, aber ich respektiere sie.Interview: Dorina Herbst

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