Startbahn abgelehnt: So feiert Attaching

In Attaching, dem kleinen Ort gleich am Airport, haben sie die Abstimmung in der Stadt argwöhnisch verfolgt. Als das Ergebnis da ist, fließt Sekt. Sogar die Glocken läuten. Aber die Freude bleibt gedämpft
Attaching - In der Pizzeria „Da Pino” begrüßt der Wirt seine Gäste per Handschlag. Vögel zwitschern in der großen Kastanie in seinem Wirtsgarten. Aus dem Radio dudelt leise Latino-Pop. Und so soll es noch lange bleiben, hoffen die Attachinger. Jetzt, wo die Münchner den Bau der dritten Startbahn abgelehnt haben.
„Die Entscheidung ist gefallen”, sagt ein Vater von zwei kleinen Mädchen und grinst. Er meint nicht die Essens-Bestellung seiner Töchter, gerade hat er vom Ergebnis des Bürgerentscheids erfahren. Attaching atmet erleichtert auf. Überall im Ort ist das spürbar.
„Wir waren von der Entscheidung der Münchner abhängig. Das ist kein schönes Gefühl, schließlich haben wir den Lärm”, sagt Rita Lacherbauer, seit vielen Jahren in der Protestbewegung aktiv.
Doch die Nachricht, dass die dritte Startbahn abgelehnt wurde, versöhnt sie mit den Münchnern.
Ihr ganzes Leben hat sie in Attaching verbracht: geheiratet, Kinder zur Welt gebracht, ein Haus gebaut. Jahrelang quälte sie die Angst, dass künftig Jets in etwas mehr als 50 Meter Höhe über sie hinweg fegen. „Bereits heute gibt es Ecken im Ort, da verstehst du in so einem Moment dein eigenes Wort nicht mehr”, erzählt Anton Lacherbauer.
So ganz mag er dem Frieden nicht trauen. Auch wenn der Münchner OB Ude verspricht, der Bürgerentscheid sei bindend. „Die Flughafen-Bosse geben noch lange nicht auf, dafür haben die zu viel Geld bereits investiert”, sagen viele.
Der Nachbar des Ehepaars Lacherbauer ein paar Häuser weiter hat deshalb bereits sein Haus verkauft. Er ist mit der Familie ins nördlich gelegene Appersdorf gezogen.
Ob er da Ruhe hat, ist fraglich. Etwa 20 Häuser im Ort stehen inzwischen leer. Die Besitzer haben das Angebot des Flughafens angenommen und verkauft. „Dass wieder einer aufgegeben hat, merkt man erst, wenn der Umzugslaster vor der Tür steht”, erzählt die Mutter einer jungen Familie. Ihre Tochter ist elf Monate alt, lernt gerade laufen. Ob sie den Kindergarten im Ort besuchen wird, wissen die Eltern nicht: „Wenn die Dritte doch noch kommt, gehen wir.”
Anton und Rita Lacherbauer wollen dagegen bleiben, egal was kommt. Ihre Kinder samt ihren Enkeln leben mit ihnen in ihrem Dreifamilienhaus. „Wir können hier nicht weg”, sagen sie. „Wir kämpfen bis zum Schluss.”
Der Freisinger Marienplatz ist nur vier Kilometer entfernt. „Wir sitzen alle im selben Boot”, sagen die Attachinger.
Die meisten haben sich mit dem Flugbetrieb arrangiert. „Nur die dritte Startbahn wollen wir nicht, weil die Flugzeuge dann direkt über unsere Häuser fliegen”, sagt Franz Spitzenberger.
Bis zu 500 Flugzeuge wären täglich in rund 80 Metern Höhe über Attaching, das knapp 1000 Einwohner zählende Dorf, gerauscht. Die Windschleppe der Passagierjets wäre so kräftig, dass man sogar einen kürzeren Maibaum hätte aufstellen müssen, erzählt man im Ort.
Vor dem Maibaum steht bereits ein Grabstein mit der Inschrift: „Attaching: * 790 – †3.Startbahn.”
Der Ort wäre in zwei Teile zerfallen, in eine Süd- und eine Nordhälfte, hört man immer wieder, dazwischen die so genannte „Todeszone”. „Vor der Landtagswahl und der Bundestagswahl im Herbst nächsten Jahres passiert nichts mehr”, glaubt Stefan Meier und gönnt sich und seiner Frau ein Fläschchen Sekt zur Feier des Tages.
Der Münchner Bürgerentscheid hat dem Dorf eine Atempause verschafft. Und wie zur Bestätigung läutet die Glocke von der nahe gelegenen Kirche Sankt Erhard, sie verkündet den Sieg.
Für Roland Ascherl ist trotzdem Feierabend. 20 Jahre hat der Rentner aus Laim einen Schrebergarten gepachtet, idyllisch gelegen an einem Weiher. Ende 2014 ist Schluss. Der Pachtvertrag ist gekündigt. „So ein schönes Fleckchen Erde werden wir nie wieder finden, so ruhig, so friedlich”, sagt der 69-jährige Kaufmann. Der Grund ist als Spekulationsobjekt zu teuer für einen Schrebergarten.
Roland Ascherl verschwindet in sein Gartenhaus. Er schaltet sein Radio ein. Das EM-Spiel Deutschland gegen Dänemark läuft. Und wie beim Bürgerentscheid können auch hier die Attachinger nur Daumen drücken. Unbeteiligt, aber betroffen.