Stalker-Mord: Todesschreie im Flur
München - Wenn sie sich an die "Todesschreie" erinnert, läuft ihr immer noch ein Schauer über den Rücken. Ruth S. (66) war am 16. August 2016 aus ihrer Wohnung in der Bayrischzeller Straße gerannt, um die Ursache der Schreie herauszufinden. Im Flur des Erdgeschosses des Giesinger Hauses sah sie ihre Nachbarin in ihrem Blut am Boden liegen. Ein junger Mann versuchte, eine klaffende Wunde am Hals zu schließen. Vergeblich. Die Frau starb.
Laut Anklage hatte der Ex-Freund Roland B. (46) 18 Mal auf die Architektin eingestochen. Er habe die Trennung nicht akzeptieren können und die 45-Jährige sieben Jahre gestalkt. Zwei Tage nach der Tat sollte er sich deswegen erneut vor Gericht verantworten.
Ruth S. berichtet: Ihre Nachbarin habe Angst gehabt und verteilte Zettel, auf denen sie die Nachbarschaft bat, dass man ihr berichte, wenn Roland B. in der Nähe gesehen wurde. Im Gespräch mit ihr habe Jeanie, so der Spitzname des späteren Opfers, auch gesagt, dass sie fürchte, ihr Ex-Freund könne sie umbringen, berichtet die Zeugin am Freitag. Von irgendwelchen gewalttätigen Übergriffen wisse sie aber nichts.
Viel helfen konnte die 66-Jährige am Tag der Tat nicht. Eine junge Hausbewohnerin (20), die als erste am Tatort war, war durch den Anblick der verblutenden Frau sogar so geschockt, dass sie ihr Handy nicht benutzen konnte. So sehr habe sie gezittert.
Die Studentin erinnert sich, dass ein Mann an ihr vorbei aus dem Haus gestürzt sei. Er habe so etwas wie "Schnell weg" vor sich hin gemurmelt und sei um die Ecke verschwunden.
Ob dieser Mann der Angeklagte gewesen sei, will der Vorsitzende Richter Michael Höhne wissen. Er passe zu ihrer Beschreibung, sagt die junge Frau. Ganz sicher sei sie aber nicht.
Immerhin gelang es ihr, einen Nachbarn auf der Straße zu alarmieren. Andreas H. (34) rannte daraufhin zu dem Haus, sah die klaffende Wunde des Opfers, zog sein Hemd aus und presste es gegen den Hals. "Sie atmete noch", berichtet er am Freitag. Aber es klang schon wie Röcheln, mit immer größer werdenden Abständen. Vier Minuten später verlor sie das Bewusstsein. Für seine "selbstlosen Bemühungen" wird der Zeuge von Richter Höhne ausdrücklich gelobt. Auch die Profis hätten aufgrund der Verletzungen die Frau wohl nicht mehr retten können.
Auch der Gesundheitszustand des Angeklagten war am Freitag wieder ein Thema. Roland B. nimmt seit 17. August keine feste Nahrung zu sich und erklärt zu Beginn des Prozesstages, dass er sich aufgrund seines Hungerstreiks nicht verhandlungsfähig fühle. Worauf der Richter die Sitzung unterbricht. Der Angeklagte wird erneut untersucht. Der Arzt findet aber, dass der Angeklagte der Verhandlung folgen kann.
Der Prozess wird fortgesetzt.
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