Stalker-Mord: "Sie hatte Angst um ihr Leben – zu Recht"
Gespannte Stille liegt in der Luft, als sich das Blitzlichtgewitter gelegt hat. Schweigend stehen sie sich gegenüber, die vielen Fotografen und Roland B. (46), angeklagt wegen Mordes an seiner Ex-Freundin († 45), die er zuvor sieben Jahre gestalkt hatte (AZ berichtete).
Minutenlang geht das so, bis das Gericht den Verhandlungssaal betritt. B. setzt sich, blickt starr vor sich hin. Drei Monate nach Beginn des Prozesses trägt er immer noch denselben unförmigen Parker, nur der Mann darunter ist ausgemergelter, bleicher. B. war während des Prozesses zumindest abschnittsweise im Hungerstreik, fühlte sich vom Gericht ungerecht behandelt.
Der Prozess, er ist an diesem Tag vorbei. Für B. endet er mit lebenslanger Haft. Zudem stellt das Gericht unter dem Vorsitzenden Richter Michael Höhne fest: Die Schuld des 46-Jährigen wiegt besonders schwer.
Mit ruhiger Stimme, aber Nachdruck, trägt Höhne vor, warum. Er beginnt jedoch nicht mit seinen Worten, sondern denen des späteren Opfers. "Ich habe Angst vor ihm", sagte die 45-jährige Architektin 2015 über B. "Man weiß ja nie, ob er noch etwas Schlimmes machen wird", so die junge Frau zur Polizei.
Roland B. stach 18 Mal auf Jeanie T. ein
Jeanie T. hatte sich im August 2009 von Roland B. getrennt. Doch der wollte das nicht akzeptieren. Immer wieder verlangte er nach einer Aussprache. Die 45-Jährige erklärte ihm mündlich und schriftlich, warum sie nicht mehr mit ihm zusammensein wollte, doch das genügte B. nicht.
Jeanie T. zog nach München, Roland B. tat es ihr nach, machte ausfindig, wo sie wohnte und arbeitete. Er verfolgte sie auf dem Fahrrad, terrorisierte sie mit Anrufen im Büro, raubte ihr den Schlaf, weil er spätnachts noch bei ihr klingelte.
Der Vorsitzende Richter Michael Höhne: "Er schuf bewusst ein Klima der Angst und Unsicherheit." Jeanie T. aber wehrte sich, indem sie die rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfte: Erwirkte ein Kontaktverbot, ließ es sich mehrere Male vom Amtsgericht bestätigen.
Am 18. August 2016 war ein neuer Gerichtstermin angesetzt. Dazu kam es nicht mehr. Zwei Tage vorher passte Roland B. sie vor ihrer Haustüre ab und stach mindestens 18 Mal mit einer gut elf Zentimeter langen Klinge auf sie ein.
Resignierter Richter: "Der Staat ist nicht in der Lage, ein Stalking-Opfer zu schützen"
"Das Gericht musste feststellen, dass der Staat letztendlich nicht in der Lage ist, einem Stalking-Opfer Schutz zu bieten", sagt Höhne an diesem Urteilstag. Es klingt resigniert.
Zumal er betont, dass Jeanie T. sich so verhalten habe, wie es ihr die Behörden und ihre Anwältin empfohlen hatten, um sich zu schützen. "Sie wollte einfach wieder in Frieden und Ruhe leben." Letztendlich nützte es nichts: Der maßlosen Brutalität von B. konnte sie nichts entgegensetzen.
Ebenjener B., den das Gericht als "narzisstisch", aber trotzdem voll schuldfähig beschreibt, hört sich das alles fast teilnahmslos an. Manchmal macht er sich lange Notizen, oft wirkt er aber so, als schliefe er gleich ein. Während des ganzen Prozesses hat er nichts gesagt. Doch viele Beweismittel, an denen sein und T.s Blut zu finden sind, lassen dem Gericht keine Zweifel an seiner Schuld.
Sie wiegt besonders schwer, deshalb darf B. nach 15 Jahren Haft auch bei guter Führung nicht auf eine frühzeitige Entlassung hoffen.
B., so Richter Höhne, habe T. erst die Lebensqualität und dann auch noch das Leben genommen: "Sie hatte Angst, auch um ihr Leben. Rückblickend zu Recht."
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