Zwillingstürme für München: Zukunft oder Sündenfall?

Die Zwillingstürme an der Paketposthalle lassen Denkmalschützer schäumen. Vor allem die 155 Meter Höhe werden abgelehnt. Der Bauherr versteht die Kritik nicht.
von  Eva von Steinburg
Wie eine helle und moderne Skulptur: Leicht tailliert spiegelt der Entwurf für die Doppeltürme den Bogen der Paketposthalle. Aus dieser Komposition ergibt sich die große Höhe.
Wie eine helle und moderne Skulptur: Leicht tailliert spiegelt der Entwurf für die Doppeltürme den Bogen der Paketposthalle. Aus dieser Komposition ergibt sich die große Höhe. © Herzog & de Meuron

Neuhausen -  Sieben Tage die Woche und 24 Stunden am Tag soll hier einmal Leben sein - im neuen Quartier rund um die denkmalgeschützte Paketposthalle in Neuhausen. So jedenfalls skizzieren Investor Ralph Büschl und die Architekten vom renommierten Büro Herzog & de Meuron die Zukunft nahe der S-Bahn-Station Hirschgarten.

"Wir wollen ein außergewöhnliches Gebäude für ein schönes, modernes München bauen. Wir wollen ein offenes, bürgerfreundliches, ein lebendiges Quartier schaffen", sagt Ralph Büschl. Seine Architekten für den Masterplan Paketposthalle haben die Allianz Arena und die Elbphilharmonie entworfen. Ihnen attestiert er: "Die können Zukunft richtig gut." Ist das imposante Industriedenkmal Paketposthalle erst saniert, bekommt München hier eine einzigartige überdachte Freifläche: für Sport wie Volleyball und Yoga, eventuell auch für Trend-Sportarten wie Skaten. In der gigantischen Halle, die sich auf einer Fläche von sechs Fußballfeldern erstreckt, wäre auch Platz für einen Markt für das Viertel.

Die Ideensammlung für die riesige überdachte Fläche ist noch nicht abgeschlossen, Vorschläge sind noch willkommen. Die spektakulären 155 Meter hohen Büro- und Wohntürme, die die Büschl-Gruppe neben der Paketposthalle bauen will, sollen über 1.100 Wohnungen und 3.000 Büroarbeitsplätze schaffen.

Türme sollen wie Akupunkturnadeln energetisieren

Die Zwillingstürme finanzieren damit die Sanierung und "Bespielung" der Paketposthalle, im Viertel auch mal "Riesenschildkröte" genannt. Die Zwillingstürme sollen die Menschen ins Quartier ziehen, damit es zu dem erhofften "urbanen Mix" kommt: In niedrigen Gebäuden am Fuß der Hochhäuser soll ein Non-Profit-Seniorenheim entstehen, Co-Working-Spaces, auch Räume für Subkultur wie Band-Übungsräume sind angedacht.

Und darüber sollen die zwei Türme ihre Umgebung vitalisieren, das ist jedenfalls die Idee von Star-Architekt Pierre de Meuron: "Die Türme vergleichen wir mit einer Akupunktur. Damit ihre Energie weit über den Körper ausstrahlen kann." Der Stadtrat hat den Bau der schlanken Türme mit der leicht taillierten Form bereits durchgewinkt. Stadtpolitiker haben das Bauprojekt dabei als "mutig" gelobt.

Die Post nutzt die Paketposthalle in Neuhausen noch bis 2023.
Die Post nutzt die Paketposthalle in Neuhausen noch bis 2023. © Matthias Balk/dpa

Die Grundidee, dass die Türme von der Länge und vom Bogen her exakt die Dachhaut der alten Paketposthalle nachzeichnen, hat überzeugt. Das rechtfertige ihre zukünftige Höhe - als höchstes Gebäude der Stadt nach dem Olympiaturm. Der O2-Tower "Uptown" am Georg-Brauchle-Ring ist "nur" 146 Meter hoch.

"Hochhäuser sind städtebauliche Parasiten"

Doch Münchner Denkmalschützer stemmen sich vehement gegen den Höhenflug in Neuhausen. "Das Projekt wird im Grundsatz akzeptiert. Nicht akzeptiert wird die Höhenentwicklung der Hochhäuser mit 155 Metern. Diese Höhe hat schädliche Auswirkungen auf das Schloss Nymphenburg", schreibt das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege in seiner Stellungnahme für die Stadt.

Generalkonservator Mathias Pfeil: "Man kann am Hirschgarten Hochpunkte setzen. Aber man müsste die verträgliche Höhe prüfen. Die Absicht der Architekten, ein Kunstwerk aus der Halle zu machen und sie zur Kathedrale zu überhöhen, das ist überzogen." Pfeil, Bayerns oberster Denkmalschützer, möchte, dass die Stadtsilhouette Münchens bewahrt wird.

Dass die Zwillingstürme mit 155 Metern Höhe nur 1,9 Kilometer von der barocken Anlage von Schloss Nymphenburg in den Himmel wachsen sollen - ein Tabu für den Denkmalschützer. In einer Visualisierung zeigt das Landesamt den Blick vom Nymphenburger Schlossrondell auf die Schlossanlage "getrübt" von zwei Türmen, die über die Bäume herausragen würden. "So einen Hochpunkt muss ich bewusst und mit einer Begründung setzen. Die fehlt mir hier", sagt Mathias Pfeil: "Ich wünsche mir eine breite Bürgerdiskussion über die Höhe der Türme."

Der Denkmalschutz entwirft diesen Blick vom Schlossrondell.
Der Denkmalschutz entwirft diesen Blick vom Schlossrondell. © BLfD

Der CSU-Landtagsabgeordnete Robert Brannekämper äußert sich verbal schärfer: Er schimpft die geplanten Türme eine "Zumutung". "Hochhäuser sind städtebauliche Parasiten", argumentiert der Politiker aus Bogenhausen. Er ist Mitglied im Landesdenkmalrat: "Das Hochhaus hat einen Schattenwurf auf niedrigere Häuser. Vom Hochhaus hat man einen guten Blick, aber alle müssen es anschauen".

Brannekämper: "Ein neuer Sündenfall in München"

Ausgleichend äußert sich das Stadtplanungsamt zu dem anschwellenden Streit: "Wir erwarten von den Türmen positive Effekte und hoffen auf eine sehr gute Diskussion", sagt Michael Hardi. Nach Stadtbaurätin Elisabeth Merk (parteilos) ist er der Chef-Stadtplaner. Die Kritik, dass man vom Schlossrondell kein Hochhaus sehen darf, das sei der Blick des Königs gewesen, unterschätzt er nicht: "Es ist gut, dass München so herrschaftliche Gebäude hat. Aber dass gleich etwas kaputt ist, weil ein Hochhaus hervorschaut" - das kann er schwer nachvollziehen: "Wir leben ja nicht mehr in der der Monarchie", sagt Stadtplaner Hardi.

Vom "Sündenfall" zur Weltuntergangsstimmung: Die Bilder, die Turm-Gegner jetzt malen, schürten Ängste: "Radikale Bilder sind wir gewohnt. Man sollte jedoch bei einer objektiven und fairen Sprache bleiben", findet Hardi. Er ist zuversichtlich, dass die neue Münchner Hochhausstudie in nächster Zeit Gültigkeit erhält. Sie macht Hochhäuser entlang der Gleisachse Pasing-Hauptbahnhof offiziell denkbar.

"Die Türme sind Teil des Ortes"

Ab Donnerstag werden die Münchner Bezirksausschüsse (BA) in die Turm-Diskussion eingebunden, zunächst der BA Milbertshofen-Am Hart. Die Denkmalschützer fordern eine breite Bürgerbeteiligung in der Frage der Höhe der Türme. Die Stadt überlegt, auf ein Bürgergutachten zu bauen - wie 2013 beim Kunstareal: Hierbei würden sich 100 zufällig ausgewählte Münchner eine Woche intensiv mit den spektakulären Bau-Plänen rund um die Paketposthalle befassen.

Gedacht als "großer Wurf", äußert sich Investor Ralph Büschl ausführlich zur scharfen Kritik der Münchner Denkmalschützer an seinem Bauprojekt: "Einige besonders intensive Denkmalschützer wollen aus München ein Museum machen. Das bedaure ich", schreibt Ralph Büschl. Die Vorwürfe scheinen dem Eigentümer der Paketposthalle mehr "fundamental-ideologisch" geprägt als "konstruktiv-kritisch". Büschl verwehrt sich gegen die Kritik, die Visualisierung der Türme des Basler Büros Herzog & de Meuron sei Volksverdummung: "Der erstklassige Entwurf zeigt ein sehr realistisches Bild der beiden Hochhäuser. Die Türme werden hell, fast transparent sein. Wir haben es nicht nötig etwas zu zeigen, was nicht stimmt."

Den auffälligen Entwurf verteidigt Büschl so: "Die Türme sind Teil des Ortes. Sie greifen die besondere Form der alten, spannenden Industriearchitektur der Halle in genialer Form auf und verbinden den Platz. Ich bin von der Planung begeistert. Deshalb kämpfe ich dafür." Schloss Nymphenburg hält der Münchner Bauunternehmer für ein wertvolles und wunderschönes Ensemble. Und gibt zu bedenken: "Doch München als Ganzes ist kein Kulturdenkmal, sondern eine internationale, eine weltoffene, eine lebendige Stadt, die genau diese Wechselbeziehung braucht."

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