Widerstand gegen eine Übermacht

Der Snowden-Vertraute Glenn Greenwald wurde gestern mit dem Geschwister-Scholl- Preis ausgezeichnet. Er beklagt die Mutlosigkeit der deutschen Regierung.
von  dpa / Britta Schultejans
Whistleblower Edward Snowden (li.) berät sich mit dem Journalisten Glenn Greenwald: Szene aus dem Dokumentarfilm „Citizenfour“. Foto: Praxis Films
Whistleblower Edward Snowden (li.) berät sich mit dem Journalisten Glenn Greenwald: Szene aus dem Dokumentarfilm „Citizenfour“. Foto: Praxis Films © Praxis Films

München - Er hat die Enthüllungen von Edward Snowden an die Öffentlichkeit gebracht. Für seinen Mut und sein Buch „Die globale Überwachung“ erhält der amerikanische Glenn Greenwald in diesem Jahr den Geschwister-Scholl-Preis. Im Interview spricht er über das neue Leben von Whistleblower Snowden in Moskau - und über die Probleme seiner Internet-Plattform „The Intercept“.

Sie sind derzeit oft in München – erst im Mai haben Sie hier Ihr Buch vorgestellt, jetzt werden Sie hier auch für dieses Buch ausgezeichnet.

GLENN GREENWALD: Früher habe ich viel mehr Zeit hier verbracht. Ich habe Deutsch studiert und viel Zeit in Deutschland und Österreich verbracht. Ich kannte München früher sehr gut.

Hat sich Ihr Blick auf Deutschland nach Bekanntwerden des NSA-Skandals und der Weigerung, Edward Snowden Asyl zu gewähren, verändert?

Ich glaube nicht, nein. Es gab ja immerhin zwei Seiten. Die Reaktion der Öffentlichkeit war sehr beeindruckend und sehr stark. In diesem Sinne hat Deutschland sogar mit am Besten reagiert. Die Reaktion der Bundesregierung steht auf einem anderen Blatt – die Weigerung, eine wirkliche Untersuchung durchzuführen und Schritte gegen die Amerikaner und die Briten einzuleiten und besonders die Feigheit, Snowden nicht Asyl zu gewähren. Die Bundesregierung ist und bleibt den USA gegenüber auf internationalem Parkett einfach unterwürfig. Das wurde durch diese Reaktion nur bestätigt.

Wie sieht Edward Snowdens Leben heute aus?

Er lebt zwar mit seiner Freundin zusammen, aber in Russland, einem Land, in dem er nicht wirklich sein will. Er führt, soweit es ihm möglich ist, ein normales Leben, obwohl er sich um seine Sicherheit sorgt. Er ist schließlich sehr bekannt. Aber Edward Snowden hat, schon bevor wir alle seinen Namen kannten, einen großen Teil seiner Zeit im Internet verbracht. Das Internet hat eine sehr zentrale Rolle in seinem Leben eingenommen, was ja auch ein Grund dafür ist, dass es ihm so wichtig war, es zu schützen. Ob er von einem Haus in Moskau oder von einer Wohnung in Virginia aus online kommuniziert, macht keinen so großen Unterschied. Dazu kommt noch, dass er nach den Enthüllungen sicher davon ausging, dem Rest seines Lebens in einem amerikanischen Gefängnis zu verbringen. Im Vergleich dazu lebt er ziemlich frei - auch wenn er in Russland ist. Ich denke, er konzentriert sich auf die positiven Dinge in seinem Leben.

Sie werden mit dem Geschwister-Scholl-Preis ausgezeichnet, der den Widerstandkämpfern Hans und Sophie Scholl gewidmet ist. Ist das für Sie etwas Besonderes?

Definitiv. Wir haben von Anfang an gedacht, dass wir nicht nur den NSA-Skandal enthüllen, sondern auch ein Modell für künftige Whistleblower schaffen wollen. Wir wollten jeden Menschen ermutigen und dazu inspirieren, sich auch gegen eine Übermacht zu erheben. Dass ich nun einen Preis bekomme, der dem Geist des Widerstandes gewidmet ist, freut mich unglaublich.

Die Geschwister Scholl kämpften gegen den Nationalsozialismus, das wohl unmenschlichste System, das es jemals gab. Sie sind gezwungen, gegen die Regierung einer Demokratie zu kämpfen. Ist das nicht absurd?

Wir sollten uns daran erinnern, dass auch das Regime, gegen das die Geschwister sich aufgelehnt haben, aus einem demokratischen Prozess entstanden ist. Die Tatsache, dass eine Regierung demokratisch gewählt ist, heißt nicht automatisch, dass sie sich nicht tyrannisch verhält. Ich finde es nicht überraschend, dass westliche Demokratien schreckliche Handlungen ausführen. Die Bürger dieser Länder sind nur darauf trainiert, zu denken, dass diese schrecklichen Dinge nur in anderen Ländern stattfinden.

Ihre Enthüllungsplattform „The Intercept“ gibt es im Februar ein Jahr. Zuletzt gab es einigen Ärger um das Medium. Hatten Sie erwartet, dass es so schwierig werden würde?

Ja. Ich hatte vorher eine Kolumne im „Guardian“ und viele Kolumnisten bleiben ihr Leben lang in diesem Job. Aber ich wollte nicht mehr jemand sein, der aufschreibt, was andere Medien falsch machen, ohne dass ich selbst den Journalismus betreibe, von dem ich glaube, dass die Welt ihn braucht. Und natürlich ist es schwer, etwas ganz Neues zu beginnen. Es gab Fehler und Schwierigkeiten, aber wir haben auch großartigen Journalismus produziert.

Sie bereuen es also nicht, dass „The Intercept“ mit Ebay-Gründer Pierre Omidyar einen privaten Investor hat?

Ich sehe einfach keine Alternative dazu. Journalismus soll Regierungen kontrollieren - und dafür muss er finanziell gut ausgestattet sein. Und dafür wiederum braucht man nun einmal Menschen mit viel Geld. Es gibt keinen reinen Weg und die einzige Frage ist, ob die Geldquelle die journalistische Integrität kompromittiert. In unserem Fall ist die Antwort: Ganz klar nein! Darum halte ich das überhaupt nicht für einen Fehler.

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