Was ist nur aus dem Olympiapark geworden?

Spötter würden sagen: Wenn München im Jahr 2030 aufgrund der "Nachverdichtung" kaum wieder zu erkennen sein wird, warum sollte es dann den Grünanlagen – etwa dem Olympiapark – besser ergehen? Grünanlagen besitzen freilich nur eine wichtige Optik, sondern überlebenswichtige Funktionen. Man muss sie erhalten – eher vergrößern, um in einer immer dichter werdenden Stadt das Stadtklima und die Durchlüftung zu erhalten – gerade in Zeiten des Klimawandels.
Der Olympiapark verwandelt sich jedoch schleichend in einen Eventpark mit immer mehr Bauten und Nachteilen für Natur und die olympischen Bauwerke. Klar, unsere Gesellschaft hat sich seit 1972 massiv verändert. Sicher, die olympischen Sportbauten müssen sich zeitgemäßen Ansprüchen anpassen – und irgendwie sollte angesichts der hohen Erhaltungskosten alles auch ein bisschen wirtschaftlich sein.
Rote Bratwurst-Werbung: Früher ein absolutes No-Go!
Aber wäre nicht etwas mehr Sensibilität angesagt? Schließlich haben die Architekten Behnisch & Partner, der Erfinder des visuellen Erscheinungsbilds Otl Aicher und der Landschaftsarchitekt Günther Grzimek einst vielgepriesene gestalterische Prinzipien entwickelt, die man anscheinend vergessen hat.
So wird der Park etwa von schwarzen Kiosk-Kisten bevölkert, die äußerlich an überdimensionale Leichenwagen erinnern und mit Sparkassen-roten Überschriften zum Verzehr von Bratwurst, Süßwaren oder Crêpes auffordern. Natürlich, Knallrot fällt im farblich dezenten Olympia-Ambiente auf – aber bringt es wirklich Menschen, die möglicherweise gar keinen Hunger haben, dazu fette Bratwürste zu konsumieren?
Es darf bezweifelt werden. Sicher ist, dass diese markanten Farben Rot und Schwarz dem einst für die fröhliche, frische Stimmung im Park verantwortlichen Farbschema zuwider laufen. Die grafischen Protagonisten um Otl Aicher, die ja vom kleinsten Straßenschild bis zum Polizisten- und Hostessen-Kostüm alles in der Farbskala hellblau, hellgrün, orange oder hellgelb entwarfen, brandmarkten das aggressive Mao- oder Kim-Jong-Un-Rot als absolutes No-Go, weil die Farbe von totalitären Systemen missbraucht wird.
Schließlich wollte man damals mit den olympischen Anlagen eine Metapher unserer jungen bundesdeutschen Demokratie präsentieren: demokratisches Grün, demokratische Architektur, demokratische Farben. Selbst wenn man heute darüber etwas lächeln kann – und sich auch die Erfinder später von ihrer ästhetischen Demokratie-Sucht vorsichtig distanzierten. Nimmt man jedoch die Metamorphose des Parks in den letzten 10 Jahren kritisch unter die Lupe, erkennt man welch unübertroffene Klasse diese Gestaltung besaß. Besaß.
Das neue Konzept kann nicht überzeugen
Heute drängt sich – nicht nur angesichts der Beschilderung – der Eindruck auf, man habe im Olympiapark die gestalterischen Grundsätze der Behnisch-Aicher-Grzimek-Schöpfung einfach vergessen. Die Neubauten, die in den letzten Jahren entstanden sind, wirken im Vergleich mit den teils 40 Jahre zuvor entstandenen olympischen Bauten behäbig, bemüht, banal.
Am Coubertinplatz schiebt sich mit dem Restaurantbau von 2010 ein quergelegter rechteckiger Baukörper ohne Feingefühl unter die elegante Zeltdachkonstruktion – hinein in die allerheiligste Olympiahalle – was reichlich brutale Assoziationen weckt. Mit den Softline-Ecken, die auch die neuen und teils ähnlich eingeschobenen Kioske kennzeichnen, wollte man wohl ein modernes Zeichen setzen, sich abheben vom unerreichbaren Altbau. Überzeugen kann das genauso wenig wie die Freiraumgestaltung mit dem Biergarten.
Brachial ins Gelände gehauene Schneisen
Gewöhnungsbedürftig auch die beiden Neubauten "Kleine Olympiahalle" (2011) und "Sealife" (2006). Beim Sealife versuchte man die verspielte schwingende Olympia-Architektur in hellem Beton ein wenig anklingen zu lassen, Beton, der Baustoff, der so gar nicht in die olympische Szene passt. Die kleine Olympiahalle hat man ganz unter Gras versteckt. Aber beide Bauten besitzen brachial ins Gelände gehauene Schneisen, die zu den Eingängen führen. So entsteht der fragwürdige Charme von Eisenbahnunterführungen.
Dass man für das unterirdische Bauwerk nahe dem Herzen der olympischen Bauten auch Bäume und Büsche entfernen musste, wurde erstmal klaglos hingenommen. Die landschaftliche Komposition des Parks leidet jedoch immer mehr. Auch weil der Olympiaberg auf der Nordseite für den wegen Schneemangel und viel zu milder Temperaturen letztmals 2013 ausgetragenen Parallelslalom kahl rasiert wurde.
Die große Idee war eine Art Oberbayern im Kleinformat
Sicher, Günther Grzimek, der 2015 100 Jahre alt geworden wäre und heute als einer der fortschrittlichsten Landschaftsarchitekten der Nachkriegszeit gilt, wollte, dass Parks Veränderungen ertragen und Umgestaltung durch Nutzer aushalten können. Aber die vorgenommenen Umgestaltungen konterkarieren viele der Grundprinzipien, die einst den reizvollen Charakter ausmachten. Asphalt und Beton – das war für Grzimek "Großstadt und Stress" – das hatte im Park nichts zu suchen.
Landschaftlicher Reiz sollte entstehen. Die große Idee war, eine Art Oberbayern im Kleinformat zu modellieren. Auf die teils steilen, teils sanften Hügel wurden Latschenkiefern und vereinzelte Nadelbäume gepflanzt, um die Vegetation der Gebirgshänge zu imitieren. Die Hügelkuppen wurden von Baum und Busch frei gehalten, um den Blick auf die (schöne) Stadt und bei gutem Wetter auf die Berge zu ermöglichen. Die Wege folgten einer klaren Hierarchie: Der notwendige Autoverkehr wurde völlig vom Fußwegesystem getrennt, in dem nur Hauptwege asphaltiert wurden. Kieswege und sich frei entwickelnde Trampelpfade sollten die Benutzer des Parks dazu ermuntern, ihn in Besitz zu nehmen. Verbote und rote Schilder zu deren Untermalung sollte es hier nicht geben. Der Rasen durfte betreten werden. Der Olympiasee war zum Baden da und Lagerfeuer erlaubt. Vieles davon ist heute verboten.
Behnisch und Grzimek wollten ein "neues großes Freizeitzentrum der Münchner Bevölkerung" schaffen, das ein "Ort des profanen Gebrauchs in einer robusten Architektur aus Grünelementen" werden sollte. Es wird Zeit, sich dieses immer noch beeindruckende Konzept wieder ins Gedächtnis zu rufen.