Vom Bombenkrater zur Luxus-Immobilie
Vor zwei Jahren wurde in Schwabing eine Fliegerbombe gesprengt. Die Explosion richtete einen enormen Schaden an, die Folgen waren lange zu spüren. Was seither geschah.
Schwabing - Die Schwabinger Wunde ist zugewachsen. Ein großer, grauer Riegel steht jetzt dort, massiv und schlicht, mit viel Beton und viel Glas, eine Vitrine luxuriösen Wohnens mit Trutzfassade. Vor zwei Jahren loderten hier Flammen. Eine gewaltige Explosion riss einen schwarzen Krater in das Grundstück an der Feilitzschstraße. Ein Feuerschwall schoss in den Nachthimmel über die Dächer des Viertels, ein mächtiger Knall erschütterte die Stadt.
Am 28. August 2012 wurde die Schwabinger Bombe gesprengt. Die Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg war bei Bauarbeiten entdeckt worden. Es ist 21.54 Uhr an diesem Sommerabend, als Spezialkräfte die Bombe zur Detonation bringen. Kontrolliert zwar, aber dennoch verwüstet die Bombe große Teile der Nachbarschaft und richtet einen Millionenschaden an. Eine enorme Druckwelle lässt Scheiben bersten, die Flammen greifen von der Sprenggrube auf angrenzende Läden über, auch Dachstühle brennen. Anwohner warten in Notunterkünften, sie spüren die Explosion, die das Viertel erschüttert.
Das war passiert: Bauarbeiter entdecken am 27. August 2012 mittags eine alte Fliegerbombe. Die 250 Kilo schwere Bombe ragt senkrecht aus der Erde. Die Bauarbeiten auf dem Grundstück Feilitzschstraße 7-9 hatten sie zu Tage befördert. Hier, wo einst die Kult-Kneipe Schwabinger Sieben und das Monopol-Kino waren, soll der edle Neubau „Monaco“ entstehen.
Jetzt ist die Bombe im Weg. Die liegt nur zu zwei Dritteln frei, der Kopf mit dem Langzeitzünder steckt in der Erde. Ein Abtransport wäre zu gefährlich. Ein Sprengmeister reist an. Bis zum nächsten Tag sind 230 Einsatzkräfte vor Ort und sichern die Gegend um die Baugrube ab: 2500 Schwabinger müssen ihre Wohnungen verlassen, eine Sperrzone wird eingerichtet und die Baugrube mit Strohballen und Sandsäcken ausgepolstert. Die Detonation soll so gut wie möglich eingedämmt werden.
Am 28. August gegen 20 Uhr versuchen die Spezialkräfte zuerst noch, die Bombe zu entschärfen. Das misslingt. Knapp zwei Stunden später wird die Bombe gesprengt. Erst am Mittag des nächsten Tages dürfen Anwohner und Ladenbesitzer in die Feilitzschstraße. Auch wenn alle froh sind, dass niemand verletzt wurde: Die Schäden sind groß. Rund 20 Gebäude sind betroffen. Einige Mieter können nicht zurück in ihre Wohnungen. In mehreren Geschäften sind die Schäden verheerend. Das Modegeschäft „Bliss“ etwa ist völlig ausgebrannt. Der Besitzer, Ronny Kleiner, sagt damals zur AZ: „Es war mein Baby und jetzt ist alles Asche.“ Es dauert fast ein Jahr, bis alle Schäden der Bombe behoben sind.
Kleiner gehört zu 25 Härtefällen, denen die Verwüstung der Schwabinger Bombe an die Existenz geht. Monatelang wird über Versicherungen, Entschädigungen und Hilfen verhandelt. Wer für was zahlt, ist lange unklar. Vorwürfe tauchen auf, dass bei der Sprengung geschlampt worden sei. Die Spreng-Firma hingegen meint, dass die Schäden noch weitaus schlimmer hätten ausfallen können. Manche Geschäftsleute wie Ronny Kleiner geben auf, andere eröffnen wieder. Aber es dauert fast ein Jahr, bis die Folgen der Bombe in der Feilitzschstraße nicht mehr sichtbar sind.
Heute, zwei Jahre danach, ist der ehemalige Bombenkrater mit einem teuren Neubau geflickt. Die Fassade des „Monaco“ ist schon fertig, innen wird noch gewerkelt. 34 Eigentumswohnungen sollen entstehen, die Klientel wird Zahlungskraft mitbringen. Im Erdgeschoss sollen Läden eröffnen. Eine Initiative von Bürgern des Viertels kritisiert den Bau, weil er dafür sorge, dass Schwabing noch teurer werde und an Leben verliere. Außerdem finden sie das Gebäude hässlich.
Darüber kann man streiten. Und das wird auch getan, die Schwabinger sind diskussionsfreudig, heute noch mehr als früher. Viele Anwohner sagen, die Explosion habe die Gemeinschaft gestärkt, man habe viele Leute kennengelernt, viele Nachbarn hätten sich geholfen. Der Schrecken der Bombe hat die Menschen zusammenrücken lassen.
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