Stadt verweigert 104-Jähriger ihr Wunsch-Grab
Neuhausen - Marylka Kellerer-Bender liebte den Winthirfriedhof. Jede Woche kam sie hierher, bis zuletzt. Dann saß sie auf einer Bank in der Sonne, blickte auf die Gräber und wünschte sich, einmal selbst hier begraben zu werden. An dem Ort, den sie in ihrem Neuhausen so liebte.
Vergangene Woche ist die Münchnerin mit 104 Jahren gestorben. Aber ihr innigster Wunsch wird sich nicht erfüllen. Denn die Stadt verweigert der Toten die Bestattung auf dem Winthirfriedhof.
Für den Neuhauser Dorffriedhof an der Winthirstraße gilt eine strenge Regel, die Marylka Kellerer-Bender nicht erfüllen kann: Ein „mindestens durchgängig 30 Jahre langer Hauptwohnsitz“ im Viertel ist die Bedingung für eine Bestattung. So steht es in der städtischen Friedhofssatzung. Ausnahmen gibt es nur in Härtefällen und auch die werden sorgfältig geprüft.
Dass die Regelung so streng eingehalten werden muss, hat laut Katrin Zettler, Sprecherin des Referats für Gesundheit und Umwelt, das die städtischen Friedhöfe verwaltet, einen einfachen Grund: Der Winthirfriedhof ist nach dem Bogenhauser der kleinste Friedhof in München. Nur 142 Gräber gibt es hier, dicht gedrängt auf 0,26 Hektar. „Wenn wir da eine Ausnahme machen, muss hinterher jemand das Nachsehen haben, der die Vorlagen erfüllt“, erklärt Zettler.
Diese starre Bürokratie ärgert viele Neuhauser. Im Viertel war Marylka Kellerer-Bender bekannt. Viele wussten um ihren Wunsch. Doch sie kann das Kriterium der Stadt nicht erfüllen – obwohl sie fast ihr ganzes Leben in München verbracht hat.
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Mit fünf Jahren kommt die gebürtige Polin (Jahrgang 1909) mit ihren Eltern nach Schwabing früh an der Spanischen Grippe stirbt, zieht der Vater, der bekannte jüdische Reklamemaler Stanislaus Bender, seine Tochter allein groß. Die Nürnberger Rassegesetze der Nazis zwingen sie, 1936 nach Paris zu emigrieren.
Die Abreise aus ihrer Heimatstadt fällt Marylka doppelt schwer: Nur wenige Wochen zuvor lernte sie in München die Liebe ihres Lebens kennen: Den Philosophen Christian Kellerer. Kaum ist der Krieg vorbei, kommt sie zurück, heiratet Kellerer und gründet einen Verlag für Grußkarten – in Paris.
Das wird ihr nun posthum zum Verhängnis, denn durch die Zeit in Frankreich gibt sie ihren dortigen Wohnsitz nie ganz auf. Mit ihrem Mann pendelt sie zwischen München und Paris.
Erst Anfang der 90er Jahre zieht das Paar nach München, wo Christian Kellerer 1998 stirbt. Sie bleibt in der Neuhauser Wohnung zurück.
Knapp 88 Jahre in München, Jahrzehnte in Neuhausen
Mit Unterbrechungen verbrachte Marylka Kellerer-Bender also knapp 88 Jahre in München, Jahrzehnte davon in Neuhausen. Anwohner wollen die Stadt deshalb mit Unterschriftenlisten umstimmen. Nach dem Tod der Seniorin wurden die Listen in zahlreichen Geschäften ausgelegt.
Allein im Schreibwarenladen Scheibner in der Nymphenburger Straße wurden in wenigen Tagen drei Listen voll. „Sie war natürlich im Viertel bekannt“, erklärt Geschäftsführer Markus Scheibner. „Bei uns hat sie kurz vor ihrem Tod sogar noch Adress-Aufkleber bestellt.“ Abgeholt wurden sie jedoch nicht mehr.
Den Etiketten zufolge wohnte Marylka Kellerer-Bender in der Aldringenstraße, mitten in Neuhausen, direkt am Winthirfiredhof. Unter dieser Adresse ist sie auch beim Allitera Verlag registriert, der eines ihrer Bücher veröffentlichte.
Eine Nachfrage beim KVR läuft jedoch ins Leere. Marylka Kellerer-Bender ist im Melderegister der Stadt nicht zu finden. „Dann kann sie hier auch nicht ihren Hauptwohnsitz gehabt haben“, stellt ein Mitarbeiter klar.
Das lässt nur einen Schluss zu: Obwohl die Seniorin bis zuletzt in München lebte, behielt sie ihren Wohnsitz in Paris. Somit lässt sich für die Verwaltung nicht nachweisen, ob Marylka Kellerer-Bender die Kriterien für eine Bestattung auf dem Winthirfriedhof erfüllte.
Dass sie in München ihren 104. Geburtstag feierte, spielt keine Rolle. „Verstehen Sie mich nicht falsch“, sagt Referats-Sprecherin Zettler. „104 Jahre ist ein stolzes Alter. Aber ein Härtefall ist das nicht.“
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