Rund 50 Jahre nach der Entstehung: Neuperlach bekommt eine Schönheitskur

Neuperlach - Oh Gott, da soll ich leben? Das sei ihr erster Gedanke gewesen, als sie vor neun Jahren als Studentin mit Anfang 20 nach Neuperlach zog, erzählt Vaniessa Rashid. Doch nach einem Jahr voller Absagen bei der Wohnungssuche sei ihr damals nichts anderes übriggeblieben.
Neuperlach ist nicht grau, sondern bunt!
Inzwischen sei sie froh darüber, sagt sie. Denn Neuperlach, das Viertel mit dem schlechten Image und den Wohnblocks, die an so mancher Stelle bis zu 17 Stockwerke hoch in den Himmel ragen, ist Vaniessa Rashids Zuhause geworden: Sie sitzt für die Grünen im örtlichen Bezirksausschuss, ist in vielen Vereinen aktiv und findet: "Die Häuser sind vielleicht grau, Neuperlach ist trotzdem bunt - wegen der Menschen, die hier leben."
Neuperlach wurde in den 60er Jahren als Satellitenstadt, als Stadt in der Stadt, geplant, um die Wohnungsnot in München zu beheben. Die Bewohner sollten in Neuperlach leben, arbeiten, ihre Freizeit verbringen. Der Plan ging aber nur zum Teil auf.

Gemütliche Treffpunkte im Viertel fehlen
Zum Beispiel fehlt bis heute ein Kulturzentrum. Cafés und Orte, wo sich Jugendliche gern aufhalten, gibt es viel zu wenig, sagt Rashid. "Ein Kino wäre großartig." Gleichzeitig ist Neuperlach als Ghetto verschrien, weil der Migrationsanteil, aber auch die Arbeitslosenquote höher sind als in der schicken Innenstadt.
Gut 50 Jahre nach seiner Errichtung will die Stadt Neuperlach nun sanieren - und das heißt: nicht nur frische Farbe an die Wände pinseln. "Neuperlach soll einen Refresh bekommen", sagt Susanne Grillmeier aus dem Münchner Planungsreferat. Schon seit gut eineinhalb Jahren läuft deshalb eine Art "Check-up".
Bevölkerung und Organisationen wurden informiert und befragt. Veranstaltungen und Spaziergänge fanden statt. Sogar ein Info-Mobil fuhr durchs Viertel. Inzwischen ist daraus ein Konzept entstanden.

Mehrere Millionen könnten bald nach Neuperlach fließen
Heute berät der Stadtrat im Planungsausschuss, ob er dieses umsetzen und ob die Stadt in den nächsten fünf Jahren tatsächlich 10,9 Millionen in Neuperlach stecken will. Etwa die Hälfte könnte München von Bund und Freistaat zurückbekommen.
Vaniessa Rashid ist davon überzeugt, dass sich diese Investition lohnen würde. In keinem anderen Viertel leben so viele Kinder, nirgendwo sonst ist der Anteil an Grünflächen so hoch, kein Stadtteil hat mehr Brücken, die sich über die Straßen spannen, erzählt sie.

Auch die Stadt hat diese Potenziale erkannt. So ist ein Ziel, die Freiräume zu vernetzen und zu stärken. Am Grün sollen die Bewohner nicht nur vorbeispazieren, sondern auch auf neuen Bänken entspannen können. Spielplätze und Beete für Gartenprojekte könnten geschaffen werden.
Cafés, Coworking-Spaces und ein hübscherer Ostpark
Auch der Ostpark soll schöner werden. Zum Beispiel könnte das Theatron, wo schon heute Konzerte stattfinden, eine bessere Strom- und Wasserversorgung und der See im Park ein hübscheres Ufer bekommen. All diese Ideen wurden von der Bevölkerung genannt. Manches kann schnell umgesetzt werden.

Vieles sei eine langfristige Vision, sagt Hannah Dahlmeier, die im Planungsreferat im Bereich Stadtsanierung arbeitet: Aus der Thomas-Dehler-Straße könnte zum Beispiel irgendwann ein urbaner Boulevard werden, wo Fußgänger und Radler viel Platz haben. Dann sollen dort nicht nur nach außen hin abgeriegelte Unternehmen stehen, sondern auch Cafés und Coworking-Spaces.
Werden die Ideen auch die Bewohner überzeugen?
Vermisst wird in Neuperlach ein Kulturzentrum. Ab 2023 soll gegenüber vom Busbahnhof beim Hanns-Seidel-Platz für drei Jahre eine kulturelle Zwischennutzung entstehen, sagt Dahlmeier.
Auch das Areal rund um die Lätare-Kirche soll lebendiger werden. Aus der Beschlussvorlage, über die der Stadtrat heute diskutiert, geht hervor, dass die Kirche das Gemeindezentrum zwar erhalten, aber für kulturelle und soziale Nutzung erweitern will.
Die Barrierefreiheit, das Radnetz, die Fußgängerwege und die Sportplätze sollen nach der Sanierung ebenfalls besser sein. Überzeugen muss die Stadt nicht nur die rund 60.000 Menschen, die in Neuperlach leben, sondern vor allem die vielen verschiedenen Eigentümer dort. Fertig soll das neue Neuperlach allerdings auch erst in 15 Jahren sein.
Umfrage: Wie finden Sie Neuperlach - und was ist verbesserungswürdig?

Marzena Kieltyka-Gibala: "Etwas hellere Farben würde ich mir für Neuperlach wünschen. Das würde das Viertel noch etwas fröhlicher wirken lassen. Ein paar Blumentröge und Lampen am Abend wären fein. Super ist der Perlachpark mit Brunnen."

Emanuel Selmani: "An sich ist Neuperlach ganz entspannt. Man kennt sich in der Blockgegend. Jeder lebt sein Leben und macht sein Ding. Mehr Fußball- und Basketballplätze und mehr Möglichkeiten für Kinder zum Spielen wären super."

Etom Mark: "Noch mehr Blumen und noch mehr Deko für Neuperlach wären schön. Die Wasserfontäne im Perlachpark ist wunderbar, auch der Ostpark ist schön und ein guter Platz, um Picknick zu machen. Außerdem kann man super einkaufen in den vielen Läden."

Jelena Tomasevic: "Neuperlach ist ganz cool. Der Stadtteil hat sehr unterschiedliche Leute, die dort leben. Auch ein paar Promis sind darunter. Paar Blumenkästen am Einkaufszentrum Pep wären toll."
Fotos/Umfrage: Daniel von Loeper