Räumungsklage gegen das Haus mit der roten Fahne:
Schwanthalerhöhe - So schnell schießen die Bayern nicht. Vor allem die bayrischen Richter nicht. Nachdem der Stadtrat beschlossen hat, das Haus in der Tulbeckstraße 4, besser bekannt als das "Haus mit der roten Fahne", einer neuen Wohnnutzung zuzuführen, stößt die Kündigung eines Mietverhältnisses auf unerwartete juristische Hindernisse.
Der betroffene Verlag "Das Freie Buch", der die Räume im ehemaligen Arbeiterviertel Westend seit etwa 40 Jahren gewerblich nutzt, soll raus, um Platz zu machen für den sozialen Wohnungsbau. Geschäftsführer Stephan Eggerdinger und seine Mannschaft wollen aber bleiben. Eggerdinger schlägt sogar vor, dass man das Haus kaufen könne, strebt zumindest einen langfristigen Vertrag mit der Stadt an.
Umbau? "Nicht wirtschaftlich"
Und die Räumungsklage der Stadt hat tatsächlich so ihre Tücken, wie der Richter am ersten Verhandlungstag deutlich macht. Die öffentliche Hand muss - im Gegensatz zu einem privaten Vermieter - bei einer Kündigung von Mietverhältnissen "sachgerecht handeln". Und da tun sich die Kläger noch sehr schwer.
Denn der vom Stadtrat eigentlich beabsichtigte GWG-Wohnungsbau stößt auf ungeahnte Probleme. Das Grundstück an der Tulbeckstraße ist sehr kompliziert geschnitten. Das Planungsreferat der Stadt soll den Umbau in Wohnungen auch deshalb als "nicht wirtschaftlich" eingestuft haben. Ein Argument weniger für die Räumung.
Prozessmarathon bahnt sich an
Die Vertreter der Stadt bekommen am Freitag sechs Wochen Zeit, ihre Hausaufgaben zu machen. Gefragt sind gute sachliche Gründe, um das Mietverhältnis jetzt beenden zu können. Die politische Argumentation des Verlages zieht dagegen bei Gericht nicht. Dass die Kündigung im Stadtrat auch unter politischen Gesichtspunkten diskutiert wurde, ist normal, findet der Richter.
Auch die Äußerung des CSU-Fraktionsvorsitzenden Manuel Pretzl ("Wir brauchen keine Kommunisten in München") spielt für den Prozess am Landgericht keine Rolle.
Dennoch: Wenn Eggerdinger alle Möglichkeiten und Instanzen ausschöpft, bahnt sich ein Prozessmarathon an. Das kann bis zum Bundesgerichthof gehen und erfahrungsgemäß bis zu fünf Jahre dauern. Die rote Fahne wird wohl noch ein ganze Weile im Wind des Westends flattern.
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