Neuaubing: 19,6 Millionen Euro für einen neuen Park – und 500 neue Wohnungen

Im Münchner Stadtteil Neuaubing soll ein neues Wohngebiet mit 520 Wohnungen, Restaurants und Geschäften sowie einer grünen Parkmeile entstehen. Die AZ hat vor Ort mit Stadtplanern über das Projekt und Hindernisse gesprochen.
Julia Wohlgeschaffen
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Im Moment sind hier Gebrauchtwagenhändler, hinten die Gewofag-Gebäude
Im Moment sind hier Gebrauchtwagenhändler, hinten die Gewofag-Gebäude © Airgonautics GbR/LHM

Neuaubing - Wer an der Bodenseestraße in Neuaubing entlang spaziert, sieht nahezu nur Gebrauchtwagenhändler, so weit das Auge reicht. Auf der anderen Straßenseite noch ein großer Baumarkt und eine Lagerhalle – eher kein Ort, an dem man gerne verweilen möchte. Doch das soll sich bald ändern.

Städtebauliche Missstände im Gebiet Aubing-Neuaubing-Westkreuz

"Das ist eigentlich die falsche Nutzung für den Ort", sagt Stadtplaner Jan Strohner.

Das Gebiet Aubing-Neuaubing-Westkreuz, zu dem die Gebrauchtwagenhändler gehören, ist als Sanierungsgebiet identifiziert worden – ein Gebiet, in dem es städtebauliche Missstände gibt, die behoben werden sollen.

Das Ziel für Neuaubing: "Ein gemischt urbanes Quartier"

Zu den konkreten Missständen in Neuaubing gehört laut Strohner etwa die Unterversorgung des Stadtteils mit Grünflächen. "Wir würden gerne ein gemischtes urbanes Quartier entwickeln", so der Stadtplaner.

Das bedeutet: Neue Gebäude mit insgesamt 520 Wohnungen, außerdem Cafés, Restaurants und Geschäfte – und das ist noch nicht alles.

Stadtplaner macht klar: Kein Autoverkehr im Wohngebiet

"Wenn wir Wohnungen schaffen, müssen wir für die Leute auch Grünflächen schaffen", sagt Strohner. Eine ganze Parkmeile soll hier entstehen, wo sich im Moment noch ein hoch umzäunter Sportplatz und sumpfige Wegerl in wilden Wiesen befinden.

"Es wird keinen Autoverkehr hier drin geben, nur einen Fahrrad- und Fußweg", sagt sein Kollege, Stadtplaner Andreas Kacinari.

Park in Neuaubing entspricht nicht mehr aktuellen Standards

Hinter dem Sportplatz gibt es bereits einen kleinen Park, Anwohnerin Johanna Diewald ist gerne dort. "Ich weiß nicht, was da noch groß verändert wird", so die 66-Jährige. Stadtplaner Jan Strohner erklärt: "Der Park entspricht nicht mehr den aktuellen Standards."

Die Stadtplaner Andreas Kacinari (l.) und Jan Strohner mit ihrem Plan für das neue Wohngebiet.
Die Stadtplaner Andreas Kacinari (l.) und Jan Strohner mit ihrem Plan für das neue Wohngebiet. © Daniel von Loeper

Im Bereich zwischen Bodenseestraße und Radolfzeller Straße sowie südlich der Aubinger Straße sollen laut Strohner fast zehn Hektar für die Bevölkerung aufgewertet werden mit vielfältigen, attraktiven Nutzungsangeboten unter Beachtung der Themen Vernetzung der Grünflächen, Biodiversität und Klimaanpassung.

Die Sanierung kostet 19,6 Millionen Euro

Doch die Sanierungsmaßnahmen haben freilich ihren Preis. 19,6 Millionen Euro seien für die Parkmeile veranschlagt, die Stadt müsse allerdings nur einen geringen Anteil davon bezahlen, erklärt Stadtplaner Andreas Kacinari.

"Ein Großteil kann über die Städtebauförderung refinanziert werden", sagt Kacinari. "Bei einem Sanierungsgebiet kann man Städtebaufördermittel von Bund und Ländern gewinnen", erklärt er das Prinzip.

Im Dezember wurde die Finanzierung beschlossen und das Baureferat beauftragt. 520 Wohnungen sind im Quartier ebenfalls vorgesehen – 170 davon baut die Gewofag, 350 sind als Privatwohnungen geplant. Diese werden aus den 19,6 Millionen aber nicht finanziert.

Baurecht  muss für die Pläne der Architekten angepasst werden

All die Ideen von dem urbanen Quartier und der Parkmeile existieren bisher jedoch nur auf Papier. Getan hat sich vor Ort noch nicht viel, das Vorhaben steht noch ganz am Anfang. "Damit man das überhaupt bauen kann, muss man ein Bebauungsplanverfahren durchführen", erklärt Kacinari.

So soll das Wohngebiet an der Parkmeile einmal aussehen. Das rote Gebäude ist die Jugendfreizeitstätte, daneben eine "Aktivfläche" zum Toben. Die vordere grüne Fläche ist in privater Hand und wird kein Teil der Parkmeile.
So soll das Wohngebiet an der Parkmeile einmal aussehen. Das rote Gebäude ist die Jugendfreizeitstätte, daneben eine "Aktivfläche" zum Toben. Die vordere grüne Fläche ist in privater Hand und wird kein Teil der Parkmeile. © LHM/ISA Ingenieure für Stadtplanung und Architektur

Nach § 34 des Baugesetzbuches müssen sich Gebäude nämlich in den Bestand, also in die Umgebung, einfügen. In der Umgebung befinden sich aber keine hohen Gebäude, also würden die geplanten fünf- bis sechsstöckigen Wohnhäuser nicht ins bisherige Stadtbild passen.

"Im Moment sind nur zweigeschossige Gebäude möglich, wir wollen aber deutlich dichter bauen", so Strohner. Die Folge: Das Baurecht muss für dieses Gebiet verändert und ein Bebauungsplan erstellt werden. Und das dauert.

Neuaubing: Anwohner befürchten mehr Verkehr

"Ein Bebauungsplanverfahren ist ein komplexes Verfahren", erklärt Strohner. So sollen auch die Anwohner ein Mitspracherecht haben. Im Februar gab es deshalb eine Erörterungsveranstaltung, bei der die Neuaubinger die Gelegenheit hatten, eine Stellungnahme abzugeben, und Fragen zu dem geplanten Projekt zu stellen. Etwa 60 Bürger waren anwesend.

Viele sorgen sich, so Strohner, dass es durch das neue Wohngebiet noch mehr Verkehr auf der ohnehin schon stark befahrenen Bodenseestraße geben würde. "Wir haben bereits ein Verkehrsgutachten erstellen lassen", erklärt der Stadtplaner. "Zur Spitzenstunde kommen durch das Projekt ein bis zwei Autos mehr, das ist verschwindend gering."

Parkmeile stößt bei Bevölkerung auf Zustimmung

Eine weitere Befürchtung der Anwohner war, dass die neuen Gebäude zu viel Schatten werfen würden, weshalb die Stadtplaner nun auch ein Besonnungsgutachten in Auftrag gegeben haben. Generell stoße die Parkmeile bei der Bevölkerung aber laut Strohner und Kacinari auf große Zustimmung.

Auch der Inhaber des türkischen Supermarktes in der Nähe findet das Projekt gut: "Für uns ist das super. Je mehr Wohnungen, desto mehr Kundschaft!", so Öcalan Tunahan (24). Die Bürger sollen über das Amtsblatt und auf der Webseite zu den Sanierungsgebieten über die weitere Beteiligung der Öffentlichkeit informiert werden.

Einrichtung für Jugendliche erhält nun endlich ein festes Gebäude

Ein erster Bestandteil des neuen Wohngebiets wird im Dezember voraussichtlich auch schon fertiggestellt – hier benötigte man keinen neuen Bebauungsplan: Weil es nur zwei Geschosse hat, gilt für dieses Gebäude das bestehende Baurecht.

Es ist eine Offene Einrichtung für Jugendliche, die Freizeitstätte "AWOs Fredl" mit innovativem Energiekonzept und einer begehbaren Dachfläche. Die Freizeitstätte gibt es an der Bodenseestraße schon seit 1995, jedoch mussten die Jugendlichen bisher mit einer Containeranlage vorliebnehmen.

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Leiter Botho Reithmeier freut sich, dass sie bald umziehen können. "An normalen Tagen sind hier so 30 bis 40 Kids am Tag", erklärt er. "Die können bei uns zum Beispiel spielen oder eine Beratung kriegen, im Sinne von Schule oder Ausbildung."

Kein Baurecht für Gebäude, die mehr als zwei Stockwerke haben, das ist der aktuelle Stand. Daher ist es umso verwunderlicher, dass hinter dem letzten Gebrauchtwagenhändler doch bereits mehrstöckige, holzvertäfelte Gebäude erkennbar sind.

Ein Ausnahme-Bau zeigt, wie die Zukunft in Neuaubing aussehen soll

"Dieses Gebäude der Gewofag ist ein erster Vorgeschmack darauf, wie der Wohnungsbau an dieser Stelle sein soll", sagt Kacinari. Es wurde 2016 bis 2017 gebaut und durch eine Ausnahmeregelung genehmigt, im Rahmen des Wohnungsbausofortprogramms "Wohnen für Alle" der Landeshauptstadt.

81 neue Wohnungen sind dadurch entstanden, für Familien mit geringem Einkommen, Auszubildende und Flüchtlinge. Das Gebäude, das direkt an der Straße steht, ist höher als die dahinter liegenden, aus Schallschutzgründen. So soll das auch bei den neu geplanten Wohnhäusern sein.

Stadtplaner klagt: "Es gibt private Eigentümer, die nicht mitmachen"

Doch ganz reibungslos scheint sich das Projekt nicht umsetzen zu lassen. Ein paar der Flächen in der geplanten Parkmeile sind nicht in städtischer Hand. "Es gibt private Eigentümer, die nicht mitmachen", erklärt Strohner. "Wir würden gerne den ganzen Grünzug entwickeln und können es nur auf den städtischen Flächen machen." Nun müsse man um die privaten Flächen herum planen – die Stadtplaner hoffen, dass die Eigentümer ihre Meinung im Laufe der Zeit noch ändern.

Die größte Herausforderung sei es jedoch, einen komplett neuen Stadtbaustein in den Bestand zu integrieren. "Es ist eine große Veränderung", sagt Jan Strohner. Bis aus der Gebrauchtwagenhändlermeile ein Wohnparadies entstanden ist, wird es aber noch ein paar Jahre dauern.

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