Mitten im Winter: Keine Heizung, kein Warmwasser!

Mieter haben kein Gas mehr und frieren. Sie sind sicher: "Unser Vermieter will uns rausekeln."
Thomas Gautier |
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Der Grund: Ihr Haus in der Augustenstraße wird komplett renoviert.
Mike Schmalz 2 Der Grund: Ihr Haus in der Augustenstraße wird komplett renoviert.
Jetzt schläft Wild im Wohnzimmer. Ihr Nachbar Holger Schelpmeier leidet auch unter den Arbeiten.
Mike Schmalz 2 Jetzt schläft Wild im Wohnzimmer. Ihr Nachbar Holger Schelpmeier leidet auch unter den Arbeiten.

Der neue Besitzer renoviert das Haus und entfernt dabei die Kamine. Die Folge: Die Mieter haben kein Gas mehr und frieren. Sie sind sicher:  "Unser Vermieter will uns rausekeln."

Maxvorstadt - Stefka Wild schläft auf der Couch im vollgestellten Wohnzimmer, und wenn sie auf dem Rücken liegt, sieht sie die dicken Risse über ihr. Dann hat sie Angst, dass die Decke durchbricht. Wie im Schlafzimmer.

Dort schaut’s aus, als habe sich einer mit dem Vorschlaghammer abreagiert: Dicke Löcher klaffen im Schrägdach, Isolierung und Schutt bröseln raus. Seit Mitte November wird das Dach des Hauses in der Augustenstraße 4 neu gemacht. Dort ist alles abgedeckt – nur nicht die Stelle über dem Zimmer der Rentnerin. Vergangene Woche brach die Decke ein. Schutt, Staub und Stein ergossen sich auf das Bett von Stefka Wild.

Aber das ist nicht mal das Schlimmste. Wegen der Arbeiten kann die Rentnerin (69):

Nicht duschen.
Nicht heizen.
Nicht kochen.

Seit Wochen hat sie kein Gas mehr. Der Vermieter hat im Zuge der Bauarbeiten die Kamine abmachen lassen, „ohne Ankündigung“, sagt Wilds Nachbar Holger Schelpmeier (46). Im schlimmsten Fall könne Kohlenmonoxid nicht mehr entweichen. Der Kaminkehrer habe deshalb die Leitungen abdrehen lassen, sagt der Programmierer. Auch er hat nur kaltes Wasser und keine Heizung mehr.

Mitten im Winter sitzen zwei Münchner ohne Heizung und Warmwasser da – und glauben: Das ist Absicht. „Der Vermieter will uns rausekeln“, sagt Wild. Nach den Umbauten werde er das Haus wieder verkaufen oder vermieten – für mehr Geld. Arme Mieter wie sie störten da nur, glaubt sie – und wehrt sich: Per Einstweiliger Verfügung will die ehemalige Medizinisch-Technische Assistentin durchsetzen, dass die Gastherme möglichst schnell wieder laufen.

Seit Anfang 2013 gehört das Haus Christian S. aus Garmisch-Partenkirchen. Seit sechs Monaten lässt er es renovieren – und am Ende sollen die Mieter alles bezahlen, indem die Kosten auf ihre Miete umgelegt werden. Ihre Mieten würden sich so fast verdoppeln. Auch das halten Wild und Schelpmeier für einen Entmietungs-Plan des neuen Vermieters.

Der widerspricht – über seine Anwältin. In einer Mail schreibt sie, der Eigentümer habe kein Interesse daran, „dass die beiden Mieter das Objekt verlassen. Gerade mit Frau Wild bestand in der Vergangenheit ein sehr gutes Verhältnis.“

Man habe ihr angeboten, in einer Wohnung im vierten Stock zu duschen – und zwei Wohnungen im gleichen Haus angeboten: Beide habe sie abgelehnt. Stefka Wild bestätigt das – „weil ich einen neuen Vertrag und eine neue Kaution hätte hinterlassen müssen“.

Die Kamine habe man nicht abgebaut, „um die beiden Mieter zu schädigen, sondern aus sicherheits- und haftungsrechtlichen Gründen“, schreibt die Anwältin weiter. Die Kamine seien nämlich total „versottet“ - das heißt: Das Mauerwerk ist feucht geworden und könnte kaputt gehen.

Und: „In der Wohnung des Herrn Schelpmeier befindet sich der Abzug des Ölofens im Wohnzimmer im selben Kamin wie die Entlüftung der Gastherme, was gesetzlich nicht zulässig ist“, so die Anwältin. Auch im Treppenhaus sei die „offen liegende Gasversorgung mit Rohren im Treppenhaus ebenfalls gesetzlich nicht mehr gestattet“.
Fazit der Juristin: „Ein Weiterbetrieb der Kamine wäre aus haftungsrechtlichen Gründen nicht vertretbar.“

Man habe beiden Mietern angeboten, elektrische Durchlauferhitzer einzubauen. Das lehnten die beiden aber ab. „Viel zu teuer“, sagt Holger Schelpmeier – und da gibt ihm Anja Franz vom Mieterverein recht: Elektrodurchlauferhitzer verbrauchen viel mehr als Gasdurchlauferhitzer. Das müssten Mieter nicht dulden.

Wild und Schelpmeier wollen ihre Wohnungen dennoch nicht verlassen – und rechnen mit allem: „Erst die Kamine, dann das Dach“, sagt Schelpmeier. „Als nächstes reißen sie uns noch das Treppenhaus ab.“

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