"Mathias" kriegt eine Wohnung - "Zafer" nicht

Auf die Bewerbung des Türken schickt ein Münchner Immobilien-Unternehmen eine Absage. Als er es unter einem deutschen Pseudonym erneut versucht, geht plötzlich doch etwas.
Sendling - Mathias Schweigler kann sich freuen. Nach nur einer E-Mail hat er schon eine Wohnung in Aussicht: Drei Zimmer für etwa 1500 Euro warm, am Harras recht zentral gelegen – genau wie er es wollte. Der Immobilienagent der Firma „Haus von Beck“ hat mit ihm sogar einen Termin ausgemacht – für Montag, 12 Uhr. Schweigler wird aber nicht hingehen. Weil es ihn gar nicht gibt.
In Wirklichkeit heißt er Zafer Karaca, und das ist offenbar die Crux an der ganzen Geschichte. Schweigler ist ein falscher Name, den sich Karaca zugelegt hat. Er möchte nämlich dieselbe Wohnung wie sein Alter Ego. Während der gleich ein Angebot bekam, wurde Karaca abgewiesen – weil er, wie er glaubt, einen türkischen Namen hat.
Der 40-Jährige sucht seit vier Monaten eine größere Wohnung in München. Derzeit lebt der Marketing-Verantwortliche einer Telekom-Firma in einer 50-Quadratmeter-Wohnung im Schlachthofviertel mit seiner Verlobten Sibel. Die 35-Jährige ist Ingenieurin. Beide möchten zentraler wohnen und hätten auch gerne etwas mehr Platz.
Als vermeintlicher Ausländer ist es aber nicht so einfach, sagt Karaca – er selbst ist im Rheinland geboren und spricht perfektes Hochdeutsch. Eine latente Ausländerfeindlichkeit bei der Wohnungssuche bekäme er trotzdem „immer mit“. Karaca: „Ich kriege das auch oft mit von Freunden und Bekannten mit türkischen Namen“, sagt Karaca.
So dreist wie bei „Haus von Beck“ sei aber noch keiner gewesen, findet er. Die E-Mails mit der Immo-Firma hat er deshalb aufgehoben:
Am 27. Januar kurz vor Mitternacht hat Karaca zum ersten Mal zur Immo-Firma Kontakt: Auf der Webseite „Immobilienscout24“ findet er eine Anzeige für eine „Altbauwohnung im Zentrum mit sehr guter Verkehrsanbindung“ – 80 Quadratmeter groß für 1200 Euro kalt. Passt.
Am 28. Januar um 0.31 Uhr schickt Karaca eine Kontaktanfrage über Immobilienscout. Haus von Beck antwortet um 14.11 Uhr mit einer Standard-Mail. Karaca soll einen Fragebogen ausfüllen, unter anderem mit Fragen wie: „Wie lange möchten Sie mieten“ oder „Warum sind Sie ein guter Mieter?“.
Zafer Karaca ist sehr interessiert an der Wohnung, deshalb schickt er am 28. Januar um 13.01 Uhr eine zweite Mail mit einem persönlichen Anschreiben. „Mit großer Begeisterung“ habe er die Anzeige gelesen. Sie sei „wunderschön und genau passend für uns“.
15 Minuten später kommt die Absage. Es gebe keine Wohnung, die seinem Anforderungsprofil entspricht, schreibt der Mitarbeiter – obwohl Karaca genau die passende gefunden hatte.
Ein Monat vergeht, Karaca und seine Verlobte gehen auf rund 20 Besichtigungstermine, finden aber nicht das Passende. Am 4. März versucht er es wieder bei „Haus von Beck“. „Ich dachte, dass sie vielleicht dieses Mal etwas für mich haben.“
Um 10 Uhr ruft Karaca bei „Haus von Beck“ an, „da hieß es, ich soll eine Mail schicken“. Die schickt er um 10.21 Uhr. In der Mail hat er den Fragebogen ausgefüllt. Karaca möchte 1500 Euro warm ausgeben, am liebsten für eine 75-Quadratmeter-Wohnung im Innenstadtbereich, schreibt er darin. In den nächsten Jahren wollten er und seine Frau nicht mehr umziehen. Sie seien nicht laut, solvent und „unkompliziert“.
Drei Minuten später kommt die Antwort – vom gleichen Mitarbeiter wie Ende Januar. Und mit der gleichen Antwort: „Sehr geehrte Damen und Herren, leider haben wir keine Wohnung zur Verfügung, welche Ihrem Anforderungsprofil entsprechend passt!“
„Offensichtlicher geht es ja wohl nicht“, sagt Karaca. „Sie haben hunderte Wohnungen, aber keine mit drei Zimmern? Das kann doch nicht sein.“
Diese Zweifel äußert Karaca am 4. März auch in einer E-Mail an den „Haus von Beck“-Mitarbeiter. Er bekommt keine Antwort.
Zafer Karaca ist misstrauisch. Wird er hier wirklich diskriminiert? Um es genau zu wissen, legt er sich einen neuen Mail-Account an – unter dem Namen „Mathias Schweigler“. Warum er genau diesen Namen wählt, weiß er nicht mehr genau. „Ich wollte einen möglichst deutschen Namen – und ich mag den Schauspieler Matthias Schweighöfer!“.
Um 11.15 Uhr, etwa 45 Minuten nach der ersten Mail, bittet Mathias Schweigler „Haus von Beck“ um eine Dreizimmerwohnung. Diesmal mit dem knappen Text: „Auf der Suche nach einer Wohnung in München bin ich auf Ihre Website gestoßen. Geeignet wäre eine Wohnung mit drei Zimmern. Ideal wäre eine zentrale Lage in der Innenstadt. Hätten Sie etwas anzubieten?“
Das haben sie. Kurz vor 14 Uhr kommt die Antwort: „Sehr geehrter Herr Schweigler“, es gebe eine Wohnung für ihn – Nähe Harras in der Fallstraße. Ob das in Ordnung sei. Als Schweigler bejaht, kommt die Nachricht: „Es schaut so aus, dass wir was in unseren Häusern für Sie haben.“
Zafer Karaca ist immer noch fassungslos. „Ich bin zutiefst erschüttert“, sagt er. „Die Suche nach Wohnungen in München gestaltet sich ohnehin sehr schwierig – und jetzt werde ich auch noch benachteiligt“ – wegen seines Namens. „Das ist besonders perfide.“
Die Firma will sich auf AZ-Anfrage zu den Vorwürfen nicht äußern.
Zafer Karaca und seine Frau suchen auch heute noch nach einer Wohnung. „Wir versuchen es jetzt mit einem Wohnungstausch“, sagt Karaca.
Er hofft, dass sein Name da keine Rolle spielt.
Die Lage in München: Ausländer suchen länger
Dass Ausländer bei der Suche nach einer Wohnung diskriminiert werden, „ist ein Riesenproblem“, sagt Theresia Danco von der Anti-Diskriminierungsstelle der Stadt. „Fakt ist: Menschen mit ausländisch klingenden Namen oder Akzent stoßen bei der Wohnungssuche auf Ablehnung.“ Auch Menschen „mit schwarzer Haut oder Kopftuch“ würden schlechter behandelt.
Wenn die Anti-Diskriminierungsstelle von solchen Fällen erfährt, „bitten wir den Vermieter um Stellungnahme“. Rassismus bei der Wohnungssuche nachzuweisen, sei aber sehr schwer. „Den Spruch: Ausländer nehmen wir nicht, hört man kaum noch“, sagt Danco – im Gegensatz zu früher. Ausländer würden mittlerweile zum Termin eingeladen. Die Wohnung bekämen sie aber fast nie.