Mann hat Demenz: Münchner Ehefrau überfordert und schlägt zu
Völlig verzweifelt rief am Donnerstagmorgen gegen 8.30 Uhr eine Rentnerin aus Bogenhausen in der Einsatzzentrale des Polizeipräsidiums an. "Ich habe gerade versucht, meinen Mann mit einer Flasche zu erschlagen", gestand sie am Telefon und brach dann in Tränen aus.
Demenzkranker Mann (81) war bewusstlos
Mehrere Streifenwagen und ein Notarztteam rasten zu der angegebenen Adresse. Die 76-Jährige wartete in der Wohnung bei ihrem schwer verletzten Mann. Am Boden lagen noch die Scherben der zerbrochenen Wasserflasche. Die Beamten fingen sofort an, bei dem Rentner Erste Hilfe zu leisten, bis wenig später das Rettungsteam eintraf. Der Notarzt kümmerte sich um den 81-jährigen Patienten. Der Rentner war bewusstlos und nicht mehr ansprechbar.
Er kam ins Krankenhaus auf die Intensivstation. Nach ersten Untersuchungen hat er durch den Schlag einen Schädelbruch und eine Gehirnblutung erlitten. Sein Zustand ist stabil, sagte Polizeisprecherin Alessa Quintes, akute Lebensgefahr bestehe derzeit nicht. Der Rentner ist aufgrund seiner Verletzungen aber auch wegen der schweren Demenz nicht in der Lage, Fragen der Ermittler zu beantworten.
Frau war mit Pflege überfordert
Die 76-Jährige steht unter Schock. Sie wird Zuhause von Psychologen betreut. In einer ersten Vernehmung durch die Polizei gab sie an, dass sie mit der Pflege ihres Ehemannes überfordert war. Er habe immer wieder Versuche unternommen, von Zuhause wegzulaufen. Manchmal wollte er sich ins Auto setzen und wegfahren, berichtete die 76-Jährige.
Die Frau hatte selbst den Notruf verständigt, damit ihr Mann noch gerettet werden kann. Juristisch nennt man das einen "Rücktritt von der Tat. Deshalb ermittelt die Mordkommission nicht wegen eines versuchten Tötungsdelikts, sondern lediglich wegen gefährlicher Körperverletzung.
Staatsanwaltschaft ermittelt
Die Staatsanwaltschaft verzichtete darauf, einen Haftbefehl gegen die Rentnerin zu beantragen. "Es besteht keine Fluchtgefahr", sagt Oberstaatsanwalt Florian Weinzierl. Die Ermittler befragen Familie, Freunde und Nachbarn. Das Ehepaar hat erwachsene Kinder. Inwieweit sie bei der Versorgung des 81-Jährigen helfen konnten, wird geklärt. Nicht bekannt ist, ob das Ehepaar die Hilfe eines ambulanten Pflegedienstes in Anspruch genommen hat.
Tabuthema: Überlastung bei Pflege zu Hause
"Überlastung bei der häuslichen Pflege von Angehörigen ist ein großes Tabu in unserer Gesellschaft", kritisiert der Münchner Pflegeexperte Claus Fussek. "Wir müssen uns mehr um einander kümmern, damit Betroffenen rechtzeitig geholfen werden kann." Wichtig seien dabei auch die Hausärzte. Sie können frühzeitig erkennen, wenn es Probleme gibt. Allerdings, so Fussek, machen Ärzte nicht mehr so häufig Hausbesuche bei ihren Patienten, als es früher der Fall war. Im Schnitt bekommt ein Arzt für einen Hausbesuch bei einem Patienten ab 76 Jahren lediglich rund 40 Euro von der Krankenkasse.
Mehr Plätze in Einrichtungen für Kurzzeitpflege fordert der Experte, ebenso müsse es mehr Plätze in der Tagespflege geben, damit Angehörige entlastet werden.
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