Jazzclubs, GIs und Vorstadtkinos: Foto-Raritäten aus Haidhauser Nachkriegskindheiten

Voll mit liebevollen Details und seltenen Fotos schaut eine neue Ausstellung im Kulturzentrum Einstein auf die Kindheit und Jugend in Haidhausen - von der Nachkriegszeit bis in die 60er Jahre.
Myriam Siegert
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1945: Zerstörte Straßenbahnen auf der Maximiliansbrücke. Im Hintergrund das teilweise ausgebrannte Maximilianeum.
Wilhelm 10 1945: Zerstörte Straßenbahnen auf der Maximiliansbrücke. Im Hintergrund das teilweise ausgebrannte Maximilianeum.
Der Eingang zum "Halbstarken-Lokal" Schmuckkastl 606 an der Ecke Balan/Pariser Straße. Ende der 1950er Jahre
Wilhelm 10 Der Eingang zum "Halbstarken-Lokal" Schmuckkastl 606 an der Ecke Balan/Pariser Straße. Ende der 1950er Jahre
Restgebäude des im Zweiten Weltkrieg zu einem Großteil zerstörten Herbergsviertels "In der Grube" an der heutigen Einsteinstraße. Im Hintergrund der noch nicht fertig gestellte Erweiterungsbau des Krankenhauses rechts der Isar. 1950er Jahre
Wilhelm 10 Restgebäude des im Zweiten Weltkrieg zu einem Großteil zerstörten Herbergsviertels "In der Grube" an der heutigen Einsteinstraße. Im Hintergrund der noch nicht fertig gestellte Erweiterungsbau des Krankenhauses rechts der Isar. 1950er Jahre
Der Ausstellungsmacher und Autor der Ausstellung im Fasching 1956 oder 57 als "Cowboy mit Zorro-Maske" vor dem "Feuer- und Spritzenhaus (heute Kindergarten) an der Ecke Schloß-/Kirchenstraße.
Wilhelm 10 Der Ausstellungsmacher und Autor der Ausstellung im Fasching 1956 oder 57 als "Cowboy mit Zorro-Maske" vor dem "Feuer- und Spritzenhaus (heute Kindergarten) an der Ecke Schloß-/Kirchenstraße.
1950er Jahre: In der Senke "An der Kreppe" zwischen Max-Weber- und Wiener Platz.
Wilhelm 10 1950er Jahre: In der Senke "An der Kreppe" zwischen Max-Weber- und Wiener Platz.
Kinowerbung aus der Süddeutschen Zeitung Ende der 1950er Jahre.
Wilhelm 10 Kinowerbung aus der Süddeutschen Zeitung Ende der 1950er Jahre.
1960er Jahre: Auf der Ludwigsbrücke vor dem Eingang zum Groß-Kino im Deutschen Museum.
Robert Hetz 10 1960er Jahre: Auf der Ludwigsbrücke vor dem Eingang zum Groß-Kino im Deutschen Museum.
Titelblatt eines Großbandes der von Hansrudi Wäscher gezeichneten Sigurd-Comic-Reihe. 1958
Wilhelm 10 Titelblatt eines Großbandes der von Hansrudi Wäscher gezeichneten Sigurd-Comic-Reihe. 1958
Das Plakat zur Ausstellung "Off Limits, Zutritt verboten!- Bilderwelten einer Haidhauser Kindheit von 1950 bis zu den frühen 60er Jahren". Teil 2.Es erscheint auch ein Begleitband.
Hermann Wilhelm 10 Das Plakat zur Ausstellung "Off Limits, Zutritt verboten!- Bilderwelten einer Haidhauser Kindheit von 1950 bis zu den frühen 60er Jahren". Teil 2.Es erscheint auch ein Begleitband.
"GI und Schmuckkastl 606". Aquarellfarbe und Gouache aus der Serie "Kindheit 1949 - 1963", 2023
Hermann Wilhelm 10 "GI und Schmuckkastl 606". Aquarellfarbe und Gouache aus der Serie "Kindheit 1949 - 1963", 2023

Haidhausen - Ruinen und amerikanische Soldaten, notdürftig reparierte Häuser und Musik aus Kofferradios und tragbaren Plattenspielern, schummrige Vorstadtkinos und Jazzlokale - von all dem zeugen viele Aquarelle und Gouachen, Fotos, Texte und Dokumente, die Hermann Wilhelm für seine neueste Ausstellung zur Kultur- und Alltagsgeschichte im Haidhausen der Nachkriegszeit zusammengetragen hat.

"Off Limits - Zutritt verboten! Bilderwelten einer Haidhauser Kindheit in den 1950er und frühen 60er Jahren" ist der Titel der Schau, die ab heute im Kulturzentrum Einstein zu sehen ist, garniert mit einem umfassenden Begleitprogramm wie Führungen und Filmabenden.

"GI und Schmuckkastl 606". Aquarellfarbe und Gouache aus der Serie "Kindheit 1949 - 1963", 2023
"GI und Schmuckkastl 606". Aquarellfarbe und Gouache aus der Serie "Kindheit 1949 - 1963", 2023 © Hermann Wilhelm

Auch diesmal hat Hermann Wilhelm wieder weitgehend unbekanntes Fotomaterial zusammengetragen. So manches hat der Stadtteilhistoriker auch aus dem eigenen Archiv beigesteuert, der Gründer und Leiter des Haidhausen-Museums ist selbst im Viertel aufgewachsen.

Kindheit zwischen Trümmern, Kino und Comics

Es geht um die Kindheit und Jugend(kultur) in einem München, das zunächst unbewohnbar schien. Die Kriegsschäden und Ruinen zwischen Max-Weber- und Rosenheimer Platz, Einsteinstraße und Ostbahnhof waren noch nicht beseitigt; 1945 sind in München über 300.000 Menschen obdachlos. Die Wohnungen werden selbst repariert, etwa mit Pressspanplatten, Asche und Schutt.

1950er Jahre: In der Senke "An der Kreppe" zwischen Max-Weber- und Wiener Platz.
1950er Jahre: In der Senke "An der Kreppe" zwischen Max-Weber- und Wiener Platz. © Wilhelm

Tagsüber kommen die Abgeordneten, nachts die Animierdamen

Auch die US-Soldaten gehören zum Bild: Angehörige der amerikanischen Militärregierung und GIs treffen sich im Bürgerbräukeller an der Rosenheimer Straße, im Hofbräukeller am Wiener Platz organisieren die "German-Youth-Activities" Veranstaltungen, eine Bibliothek für Kinder und sogar eine Kinderklinik.

Im Astoria-Kino an der Ecke Breisacher- und Elsässer Straße sind die Kindervorstellungen sonntags um 10 Uhr regelmäßig ausverkauft. In Blues- und Jazzlokalen wie dem "Birdland" in der Kirchenstraße, Rock 'n' Roll-Kneipen wie dem "Schmuckkastl 606" an der Balan- und Pariser Straße und dem Halbstarkentreff "Zum blauen Affen" an der Ismaninger Straße" schwoft die Jugend durch die Nacht. Im "Café Maximilian" kehren tagsüber die Abgeordneten ein, nachts ist es ein Animier- und Nachtlokal mit üblem Ruf.

1945: Zerstörte Straßenbahnen auf der Maximiliansbrücke. Im Hintergrund das teilweise ausgebrannte Maximilianeum.
1945: Zerstörte Straßenbahnen auf der Maximiliansbrücke. Im Hintergrund das teilweise ausgebrannte Maximilianeum. © Wilhelm

Kicken auf der Straße und heimliche Zigaretten

Und es geht auch um die Menschen im Viertel und das Lebensgefühl; die Trambahner, die sich im verqualmten Trambahnhäusl am Max-Weber-Platz zum Mittags-Leberkas setzen, um Herrn Plank und seine Bettfedernreinigung oder Giovanni und seine Eisdiele.

An den Trambahnen kann man noch außen auf dem Trittbrett mitfahren, an den Haustüren klingeln, häufig Kriegsversehrte oder Hausierer, die Bürsten, Seifen oder Schnürsenkel feilbieten. Die Mütter, oft alleinerziehend, arbeiten ganztags, die Kinder vertiefen sich in Jerry-Cotton-Hefte oder Karl-May-Romane aus teils privat betriebenen Leihbüchereien, treffen sich zum Schussern, Pfennig-Schutzen oder kicken auf den Plätzen, oder zum Baden an der Isar. In den verwilderten Isaranlagen werden heimlich die ersten Zigaretten aus den Vier-Zigaretten-Kleinstpackungen ausprobiert.

Der Ausstellungsmacher und Autor der Ausstellung im Fasching 1956 oder 57 als "Cowboy mit Zorro-Maske" vor dem "Feuer- und Spritzenhaus (heute Kindergarten) an der Ecke Schloß-/Kirchenstraße.
Der Ausstellungsmacher und Autor der Ausstellung im Fasching 1956 oder 57 als "Cowboy mit Zorro-Maske" vor dem "Feuer- und Spritzenhaus (heute Kindergarten) an der Ecke Schloß-/Kirchenstraße. © Wilhelm

Bis in die 60er Jahre schaut die Ausstellung, die Ruinen verschwinden, die Kinos werden weniger, die Musiklokale bleiben noch - für die Besucher gibt es also viel zu entdecken.

1960er Jahre: Auf der Ludwigsbrücke vor dem Eingang zum Groß-Kino im Deutschen Museum.
1960er Jahre: Auf der Ludwigsbrücke vor dem Eingang zum Groß-Kino im Deutschen Museum. © Robert Hetz

Ausstellung bis 15. Dezember 2024. Do, Fr. und Sa 19-21 Uhr, So 15-19 Uhr. Eröffnung am 15. November 2024, 19 Uhr, Einsteinstraße 42. U. a. mit originalen Radio-Mitschnitten, Film und Live-Musik. Gesamtes Programm unter einstein-kultur.de/event/off-limits-zutritt-verboten-von-hermann-wilhelm/

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2 Kommentare
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  • Witwe Bolte am 16.11.2024 14:13 Uhr / Bewertung:

    Interessante Fotos!
    Heutzutage dürfen Kinder nicht mehr als Cowboy oder Indianer verkleidet zum Fasching. Politisch total unkorrekt.
    Da hattens wir früher schöner. Ich hab noch ein Foto, wo ich stilecht als Ungarin verkleidet war, mein Bruder als Maus. Das gäbe heutzutage ganz schön Ärger. Wahrscheinlich bekämen die Eltern Hausbesuch vom Jugendamt mit der Androhung der Heimunterbringung.

  • AlbertM am 15.11.2024 18:22 Uhr / Bewertung:

    In diesen NachkriegsZeiten 1954 haben sich meine Eltern kennengelernt. Das war in einem Tanzlokal zur WM 1954. "Jahn schiesst.....TOR TOR TOR...!. 56 haben die geheiratet, 57 kam ich zur Welt, 61 meine Schwester. Klar kann man diese Zeiten nicht vergleichen, alles hat seine Zeit, früher war es nicht besser, nur eben Anders. Trotzdem denke ich gerne an meine Kindheit und Jugendzeit zurück. In diesem Sinne

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