Jazzclubs, GIs und Vorstadtkinos: Foto-Raritäten aus Haidhauser Nachkriegskindheiten
Haidhausen - Ruinen und amerikanische Soldaten, notdürftig reparierte Häuser und Musik aus Kofferradios und tragbaren Plattenspielern, schummrige Vorstadtkinos und Jazzlokale - von all dem zeugen viele Aquarelle und Gouachen, Fotos, Texte und Dokumente, die Hermann Wilhelm für seine neueste Ausstellung zur Kultur- und Alltagsgeschichte im Haidhausen der Nachkriegszeit zusammengetragen hat.
"Off Limits - Zutritt verboten! Bilderwelten einer Haidhauser Kindheit in den 1950er und frühen 60er Jahren" ist der Titel der Schau, die ab heute im Kulturzentrum Einstein zu sehen ist, garniert mit einem umfassenden Begleitprogramm wie Führungen und Filmabenden.

Auch diesmal hat Hermann Wilhelm wieder weitgehend unbekanntes Fotomaterial zusammengetragen. So manches hat der Stadtteilhistoriker auch aus dem eigenen Archiv beigesteuert, der Gründer und Leiter des Haidhausen-Museums ist selbst im Viertel aufgewachsen.
Kindheit zwischen Trümmern, Kino und Comics
Es geht um die Kindheit und Jugend(kultur) in einem München, das zunächst unbewohnbar schien. Die Kriegsschäden und Ruinen zwischen Max-Weber- und Rosenheimer Platz, Einsteinstraße und Ostbahnhof waren noch nicht beseitigt; 1945 sind in München über 300.000 Menschen obdachlos. Die Wohnungen werden selbst repariert, etwa mit Pressspanplatten, Asche und Schutt.

Tagsüber kommen die Abgeordneten, nachts die Animierdamen
Auch die US-Soldaten gehören zum Bild: Angehörige der amerikanischen Militärregierung und GIs treffen sich im Bürgerbräukeller an der Rosenheimer Straße, im Hofbräukeller am Wiener Platz organisieren die "German-Youth-Activities" Veranstaltungen, eine Bibliothek für Kinder und sogar eine Kinderklinik.
Im Astoria-Kino an der Ecke Breisacher- und Elsässer Straße sind die Kindervorstellungen sonntags um 10 Uhr regelmäßig ausverkauft. In Blues- und Jazzlokalen wie dem "Birdland" in der Kirchenstraße, Rock 'n' Roll-Kneipen wie dem "Schmuckkastl 606" an der Balan- und Pariser Straße und dem Halbstarkentreff "Zum blauen Affen" an der Ismaninger Straße" schwoft die Jugend durch die Nacht. Im "Café Maximilian" kehren tagsüber die Abgeordneten ein, nachts ist es ein Animier- und Nachtlokal mit üblem Ruf.

Kicken auf der Straße und heimliche Zigaretten
Und es geht auch um die Menschen im Viertel und das Lebensgefühl; die Trambahner, die sich im verqualmten Trambahnhäusl am Max-Weber-Platz zum Mittags-Leberkas setzen, um Herrn Plank und seine Bettfedernreinigung oder Giovanni und seine Eisdiele.
An den Trambahnen kann man noch außen auf dem Trittbrett mitfahren, an den Haustüren klingeln, häufig Kriegsversehrte oder Hausierer, die Bürsten, Seifen oder Schnürsenkel feilbieten. Die Mütter, oft alleinerziehend, arbeiten ganztags, die Kinder vertiefen sich in Jerry-Cotton-Hefte oder Karl-May-Romane aus teils privat betriebenen Leihbüchereien, treffen sich zum Schussern, Pfennig-Schutzen oder kicken auf den Plätzen, oder zum Baden an der Isar. In den verwilderten Isaranlagen werden heimlich die ersten Zigaretten aus den Vier-Zigaretten-Kleinstpackungen ausprobiert.

Bis in die 60er Jahre schaut die Ausstellung, die Ruinen verschwinden, die Kinos werden weniger, die Musiklokale bleiben noch - für die Besucher gibt es also viel zu entdecken.

Ausstellung bis 15. Dezember 2024. Do, Fr. und Sa 19-21 Uhr, So 15-19 Uhr. Eröffnung am 15. November 2024, 19 Uhr, Einsteinstraße 42. U. a. mit originalen Radio-Mitschnitten, Film und Live-Musik. Gesamtes Programm unter einstein-kultur.de/event/off-limits-zutritt-verboten-von-hermann-wilhelm/
- Themen:
- Hofbräukeller
- Wiener Platz
- Au-Haidhausen