In der "Zigeunerschlucht"

Um Geschichte und Leben der Münchner Sinti und Roma geht es in „Schluchten“, einem theatralen, interaktiven Spaziergang.
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Die ersten Teilnehmer des Stadtspaziergangs.
3 Die ersten Teilnehmer des Stadtspaziergangs.
„Schluchten“ spielt mit Klischees: Die „typischen“ Sinti und Roma ...
3 „Schluchten“ spielt mit Klischees: Die „typischen“ Sinti und Roma ...
... und eine „echte Münchnerin“ mit Dirndl und Leopardenmantel.
3 ... und eine „echte Münchnerin“ mit Dirndl und Leopardenmantel.

Bogenhausen – Kennt jemand einen guten Sinti-Witz?“, fragt Alexander Adler, ein in München lebender Sinto, in die Stadtspaziergänger-Runde. Natürlich bekommt er aus dem Publikum keinen zu hören. Schließlich ist man hier, um Klischees abzubauen, und nicht, um sie zu bestärken. Vielleicht kennt aber auch wirklich keiner der Teilnehmer einen Witz über die „Zigeuner“, wie sie früher genannt wurden – ein Begriff, der immer abfällig gemeint war und von den Sinti und Roma als Beleidigung aufgefasst wird. Denn allzu viel wissen die meisten nicht über diese Volksgruppe – und das, obwohl sie schon jahrzehntelang in Deutschland lebt.

„Schluchten – ein theatraler Theaterspaziergang“ ist der Versuch, die Lebensrealität der Deutsch-Sinti und Deutsch-Roma damals und heute zu untersuchen, über ihre Geschichte aufzuklären, Kritik zu üben – und die Teilnehmer aufzufordern, sich mit persönlichen Vorurteilen auseinanderzusetzen. In einem Rundgang werden die Besucher an Stationen geführt, die ihnen die Lebenskultur der Sinti und Roma auf verschiedensten Ebenen näher bringen.

Dass man bei diesem Theaterstück, das in München Steinhausen am SZ-Hochhaus beginnt, spazieren muss, hat einen Grund: Genau hinter diesem Gebäude, entlang der heutigen Zamdorfer Straße (ehemalige Riemer Straße) befand sich in der Nachkriegszeit die sogenannte „Zigeunerschlucht“, ein Landfahrerlager, in dem nichtsesshafte Münchner ihre Wägen aufstellten oder in einfachen Hütten lebten. Etwa 20 Prozent davon gehörten zur Volksgruppe der Sinti und Roma – viele, die durch das NS-Regime dorthin deportiert wurden oder Kasernierung und KZ überlebt hatten. 1950 wurde es aufgelöst – offiziell wegen des Baus der B 94.

Tatsächlich waren die Landfahrer mit ihren Wägen und Baracken, Pferden und Kamelen vielen Teilen der Bevölkerung alles andere als angenehm – und auch der Stadtrat verkündete damals, das Lager sei kein gutes Aushängeschild für München. Zum Freibad habe man damals durchs Lager gemusst, berichtet ein Zeitzeuge, der damals noch ein Kind war. „Wir hatten zu denen aber eigentlich keinen Kontakt.“

Zeitzeugen, Schauspieler und Münchner Sinti und Roma selbst bringen den Zuschauern Themen wie Hausieren, Handeln, aber auch die Feindseligkeiten zwischen den einzelnen Volksgruppen oder die Vereinbarkeit der alten Traditionen mit der Moderne näher. Dabei spielen sie bewusst mit Klischees, etwa, wenn die Teilnehmer die Protagonisten so einkleiden sollen, wie sie sich den typischen Sinto oder Roma vorstellen – und im Gegenzug eine Sinteza in eine waschechte Münchnerin verwandeln müssen. Die Stadtspaziergänger wissen meistens nicht, wann die nächste Geschichte „um die Ecke“ kommt – was die Auseinandersetzung mit den Sinti und Roma umso spannender macht.

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Freitag/Samstag (24./25. Juli) um 20 Uhr; Mi (22. Juli) um 19 Uhr. Treffpunkt: Parkplatz gegenüber SZ-Verlagsgebäude, Karten (15 Euro): 0176/68421269

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