Hier lernen Migrantinnen Radlfahren

Muslimische Frauen können oft nicht Fahrrad fahren. Das schickt sich nicht, bekommen sie schon als Kind zu hören. In Haidhausen können sie es lernen.
Mara Mertin |
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Auf dem Fahrrad ins Leben: Die Bilder.
Inga Kjer 7 Auf dem Fahrrad ins Leben: Die Bilder.
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Haidhausen - Mit festem Schritt schiebt Leila Khalfallah ihr Fahrrad die Straße entlang. Ihr Ziel ist ein geteerter Bolzplatz in München. Hier treffen sich freitags sechs Frauen, um etwas zu lernen, was für viele selbstverständlich ist: Fahrrad fahren. An diesem Tag darf die 43-Jährige zum ersten Mal auf der Straße üben. Bis es soweit ist, schiebt sie.

Die Frauen auf dem Bolzplatz tragen Kopftuch. Auch Leila, die ursprünglich aus Tunesien kommt. Der Kurs der Münchner Einrichtung „Projekt-Laden“ richtet sich speziell an Migrantinnen. Die meisten Teilnehmerinnen haben ihre Wurzeln in islamisch geprägten Ländern.

„Noch heute gilt in den islamischen Gesellschaften eine erwachsene Frau auf dem Rad als leichtsinnig und nicht seriös“, sagt Mohamed Abd el-Rahim, Islamwissenschaftler an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Sie habe Verantwortung für ihre Familie zu übernehmen - und das sei vielen unvereinbar mit dem Bild einer Muslima im Sattel. Und doch: „Unter theologischen Gesichtspunkten besteht kein Verbot für muslimische Frauen, Rad zu fahren.“

Das Münchner Angebot baute Kursleiterin Andrea Silberhorn vor vier Jahren auf. Männer dürfen nicht teilnehmen. Wie wichtig das ist, betont Ruth Weigel. Sie ist Sozialpädagogin bei „Donna Mobile“ in München, wo die Kurse seit 14 Jahren angeboten werden. „Dass kein Mann mitmacht, ist oft Voraussetzung“, berichtet Weigel – das verlangten die Familien.

In Leila Khalfallahs Kindheit verbot der Vater ihr und ihren acht Schwestern das Radfahren. Heute wird Leila von ihrem Mann Hassan Khalfallah unterstützt. Die Familie lebt seit mehr als 15 Jahren in Deutschland. „Wir haben sogar zusammen geübt“, sagt sie. Passanten hätten über sie gelacht. Eine Frau mit Kopftuch auf dem Rad? Das sei auch in Deutschland noch „ein komisches Bild“. Auch Leilas Freundin Zeinab tritt in München zum ersten Mal in die Pedale.

„Ich bin grundsätzlich für solche Kurse. Radfahren gehört bei uns einfach dazu“, sagt Martin Neumeyer (CSU), Integrationsbeauftragter der Bayerischen Staatsregierung. Um im deutschen Alltag anzukommen sei es wichtig, nicht nur am Außergewöhnlichen teilzuhaben, sondern auch am Normalen – wie dem Radeln oder Schwimmen.

Anfangs schlingert Zeinab auf ihrem Mountainbike noch über den Platz. Immer wieder muss sich die 43-Jährige mit einem Fuß auf dem Boden abstützen. Als Zeinab erstmals ohne umzufallen fährt, klatscht Leila Beifall. Zeinab, eine kleine, rundliche Frau mit walnussbraunen Augen, strahlt. Am Rand ihres Kopftuchs stehen kleine Schweißperlen.

Noch erledigt Leila alle ihre Wege zu Fuß: zur Schule ihres Sohnes, zum Supermarkt, zu ihren Freundinnen. Den Führerschein hat sie nicht. „Mit dem Rad erobern sich die Frauen auch eigenständige Räume – sie besuchen zum Beispiel einen Park, in den sie sonst nie kämen“, berichtet Weigel.

Zwei Flüchtlingsmädchen aus Somalia gehen nach der Radstunde zum Deutschkurs. „Vielleicht möchte ich jetzt auch lesen lernen“, sagt Zeinab. In Marokko auf dem Land aufgewachsen, hat sie nie die Schule besucht. „Beim Radkurs geht es nicht nur um die Balance im Sattel“, erklärt Ruth Weigel. „Es geht auch um Balance im Leben.“

Als Leila Khalfallah mit Andrea Silberhorn vom Bolzplatz auf die Straße radelt, ist ihr Rücken gerade – sie schlingert kein bisschen.

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