Eine Familie für das Findel-Baby?

Wenn sich die Mutter der kleinen Raquel, die in der Borstei ausgesetzt worden ist, nicht meldet, kommt die Kleine in eine Bereitschaftspflege – und könnte bald schon adoptiert werden.
von  Laura Kaufmann, Natalie Kettinger
Apothekerin Monika Schübel sorgt sich wie mehrere Borstei-Bewohner um die Mutter: Sie bietet ihr Hilfe an.
Apothekerin Monika Schübel sorgt sich wie mehrere Borstei-Bewohner um die Mutter: Sie bietet ihr Hilfe an. © Daniel von Loeper

München - Von dem Aufruhr um ihre kleine Person bekommt Raquel nichts mit. Das Neugeborene, am Mittwochmorgen als Findelkind in der Borstei entdeckt, ist ein ruhiges Baby. Im Klinikum Dritter Orden wird das Mädchen gut versorgt – wie ihre Mutter in dem Zettel, den sie zu dem ausgesetzten Kind in den Weidenkorb legte, gebeten hatte: „Bitte kümmern Sie sich gut um Sie. Ich kann es nicht! Ein Tag alt und heißt Raquel.“

Nur eine leichte Unterkühlung stellten die Kinderärzte bei der Einlieferung fest, Raquel geht es gut. „Sie trinkt ganz normal“, sagt Kliniksprecherin Petra Bönnemann. Ein braves Neugeborenes sei die Kleine. „Die Schwestern sagen, sie sei ein sehr hübsches Baby.“ Zierlich, ein wenig dunklen Flaum auf den Kopf.

Wie lange Raquel in der Menzinger Straße bleibt, entscheidet das Stadtjugendamt, das sie in Obhut genommen hat. Und dann?

Meldet sich die Mutter, werden Jugendamt und Sozialarbeiter überprüfen, ob sie überhaupt in der Lage ist, sich um ihr Kind zu kümmern.

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Bleibt die Frau verschwunden, kommt Raquel zur so genannten „Bereitschaftspflege“ in eine Pflegefamilie und wird – frühestens im Alter von acht Wochen – zur Adoption freigegeben.

Fühlt sich Raquel in ihrer neuen Familie wohl, schickt das Jugendamt ein bis eineinhalb Jahre nach der Vermittlung einen entsprechenden Bericht ans Vormundschaftsgericht. „So lange die Adoption nicht notariell beurkundet ist, hat die leibliche Mutter rein theoretisch das Recht, ihr Kind wieder zu sich zu nehmen“, sagt Frank Boos vom Sozialreferat.

Hat das Vormundschaftsgericht allerdings den Adoptionsbeschluss erlassen, erhält das Kind den Nachnamen seiner „neuen“ Eltern und die Adoption ist rechtskräftig. „Damit sind alle vorherigen verwandtschaftlichen Beziehungen Kraft Gesetz erloschen.“

Doch die Polizei hat die Suche nach Raquels Mutter noch nicht aufgegeben. „Wir führen weiter Befragungen durch“, sagt ein Sprecher. „Leider gibt es noch nichts Neues.“

Auch in der Borstei hofft man, dass die Mutter des Kindes wieder auftaucht. Die Apothekerin Monika Schübel hat in der Franz-Marc-Straße, dort, wo die Mutter ihr Neugeborenes ausgesetzt hat, Plakate aufgehängt: „Wir haben Schweigepflicht. Sprechen Sie mit uns vertraulich.“

„Ich denke nicht, dass sie jetzt mit dem Medienrummel vorbeikommt“, sagt Schübel. „Auch heute sind Fernsehteams da.“ Gemeldet haben sich viele Sozialdienste bei ihr, „Wir haben eine Liste voll Ansprechpartner, psychologisch bis juristisch, bei denen sie Hilfe bekommen könnte.“

Die Gedanken der Borstei-Bewohner sind mittlerweile eher bei der Mutter als bei der kleinen Raquel. „Wir wissen, dass sie gut umsorgt ist“, sagt Schübel. „Aber wir fragen uns, in welcher verzweifelten Lage die Mutter ist und hoffen, dass sie nach der Geburt ärztliche Hilfe in Anspruch genommen hat.“ Und dass sie sich meldet.

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