Diskriminierung kennt kein Alter

AZ-Leser Andreas Albrecht berichtet von einer älteren Frau aus dem Viertel, die sich ihm anvertraut hat. Die erschütternde Geschichte.
Andreas Albrecht |
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Perlach - Schüchtern tritt die ältere Frau mit schlohweißem Haar hinter meiner Chefin in den Container. »Besuch für Dich!« – Ich bitte Platz zu nehmen. Nein, sie möchte mich nicht stören und nicht lange bleiben, meinte die Rentnerin im breiten Bayerisch leise nuschelnd. Sie habe das Plakat gesehen und frage sich, was es damit auf sich habe.

Noch gedanklich vertieft im Krampf mit meinen Einträgen auf unserer Internet-Programmseite, erkläre ich kurz und knapp angebunden, dass wir zu einem Fotowettbewerb gegen Diskriminierung in den drei Stadtteilen Perlach, Ramersdorf und Neuperlach aufgerufen haben, an den sich jeder beteiligen könne. »Naa, das is dann nix für mich!« schüttelt resigniert, aber mit traurigen Augen der Kopf der Rentnerin. Obwohl sie seit Jahren von Kindern und Jugendlichen diskriminiert werde und sie nicht wisse, was sie dagegen machen könne, fuhr sie leise fort. Wie würde sie diskriminiert, fragte ich neugierig die alte Frau mit dem interessant, faltig alternden, aber müden Ausdruck. Kinder verfolgen sie, zeigten ihren nackten Hintern bei herunter gezogener Hose, bedrohten sie, man wolle sie »ficken« und ihr »ein Messer in den Arsch schieben«. 12-jährige Rotz-Gören und manche älter. Sie kenne sie teilweise.

Ich frage mich insgeheim: Warum tut man das? Langeweile? Was hat die alte Dame getan, dass sie beleidigt, beschimpft und bedroht wird? Müssen die Kids ihre Wut, Aggressionen und ihre übersättigte Langeweile unbedingt an eine alte, einsame Frau auslassen? Wissen deren Eltern von diesen feigen Methoden?

Währenddessen spricht leise die Frau zusammenhanglos weiter. Sie habe bereits eine Anzeige erstattet. Die Neuperlacher Polizei tue nichts. Sie habe Angst. Auch meine Empfehlung an konkreten Jugendbeamten nimmt sie nicht an. Sie überlege sich stattdessen die Anzeige zurückzuziehen. Minuten später meinte sie auch beiläufig die Staatsanwaltschaft habe das Verfahren eingestellt.

Ich kann der Frau nur empfehlen sich dagegen zu wehren. Hartnäckig bleiben, und wenn nötig in der Hauptpolizeiinspektion in der Ettstr. in der Innenstadt zu gehen - wenn sie kein Vertrauen mehr in der Polizeiinspektion in Neuperlach mehr habe - und mal fragen, was sie als alleinstehende Frau gegen solche Methoden noch tun könne.

Zum Schluss unseres Gespräches äußere ich noch meine verwegene Idee, was sie davon halte, wenn ich ein schönes Portrait-Foto von ihr machen würde mit dem einfachen, kurzen Satz: »Würden Sie diese Frau diskriminieren? - Sie wird!« Und wir würden das Foto bei diesem Wettbewerb einreichen, in die geplante Ausstellung geben und der Presse weiterleiten.

Nein, dazu habe sie zu viel Angst. Sie sei kein mutiger Mensch. - Ich verabschiedete mich von der ruhigen Frau: »Überlegen Sie es sich!«

www.respect-2013.de

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