Eine der ältesten Kirchen Münchens könnte jeden Moment einstürzen

Die Kirche St. Nikolaus in Englschalking ist ein sehr besonderes Kircherl. Doch der Bau droht einzustürzen – es ist ein Wettlauf mit der Zeit.
Nina Job
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Obwohl alle lächeln – dem Kircherl "mit Gesicht" geht es schlecht. St. Nikolaus, das Wahrzeichen von Englschalking, ist seit einem Jahr wegen Einsturzgefahr gesperrt. Gabriele Huber (l.) und Gisela Welzenbach engagieren sich für die Sanierung.
Obwohl alle lächeln – dem Kircherl "mit Gesicht" geht es schlecht. St. Nikolaus, das Wahrzeichen von Englschalking, ist seit einem Jahr wegen Einsturzgefahr gesperrt. Gabriele Huber (l.) und Gisela Welzenbach engagieren sich für die Sanierung. © Daniel von Loeper

Bogenhausen - Als hätte ihm ein Kind ein Gesicht aufgemalt, so steht es da, das Nikolauskircherl von Englschalking. Die zwei schmalen Fenster im Glockenturm wirken wie zwei fröhliche Augen. Darunter ragt eine spitze Nase hervor: der Zeiger der Sonnenuhr. Er wirft seinen schmalen Schatten auf das geschwungene Zifferblatt – und das schaut eben so aus, wie kleine Kinder einen lächelnden Mund malen.

"Dieses liebenswerte Kircherl zaubert einem einfach jedes Mal ein Lächeln ins Gesicht", sagt Gisela Welzenbach, die seit 40 Jahren ganz in der Nähe wohnt. "Es wäre unendlich schade, wenn diese kleine Kirche nicht erhalten werden kann." St. Nikolaus gehört zur Pfarrgemeinde St. Emmeram und ist eine der ältesten Kirchen der Stadt.

Akut einsturzgefährdet: Kirche seit einem Jahr gesperrt

Im 13. Jahrhundert wurde die Kirche aus Feldsteinen und Ton im Stil der Spätromanik gebaut. Es war und ist das Zentrum des historischen Dorfkerns von Englschalking. Nebenan sind sogar noch einige historische Bauernhöfe erhalten. Diese besondere kleine katholische Kirche im Osten der Stadt ist akut einsturzgefährdet. "Sie ist schon seit einem Jahr gesperrt", erzählt Gabriele Huber vom Spendenausschuss der Pfarrei.

Vor einem Jahr hatte die Pfarrgemeinde einen Gutachter beauftragt, die Statik zu prüfen. Das Ergebnis war verheerend: Der Dachstuhl ist marode. "Teile der Hölzer des Dachstuhls und der Decke" sind "aufgrund von Feuchtigkeitsschäden verfault", teilte Pfarrer Peter Duswald den Gemeindemitgliedern per Post und auf der Homepage mit. Der gemauerte Dachreiter im romanisch-frühgotischen Stil mit seinem Pyramidendach sei bereits eingesunken.

St. Nikolaus ist um 1.300 (Spätromanik) aus Feldsteinen gebaut worden. Innen wurde sie teil barockisiert.
St. Nikolaus ist um 1.300 (Spätromanik) aus Feldsteinen gebaut worden. Innen wurde sie teil barockisiert. © Daniel von Loeper

Die größten Schwachstellen hatte der Gutachter nicht an den uralten Holzbalken festgestellt, die schon seit Jahrhunderten allen Wettern und Lasten trotzen, sondern an Stellen, an denen vor Jahrzehnten schon einmal Ausbesserungsarbeiten vorgenommen worden waren, erzählt Gabriele Huber.

Bis dahin haben in St. Nikolaus regelmäßig Beerdigungen, Gottesdienste, Taufen und Hochzeiten stattgefunden. Nicht auszudenken, wenn bei solch einem Anlass der Turm umgestürzt oder das Dach eingebrochen wäre. Die kleine Kirche musste sofort gesperrt werden.

Die Neigung des Turms ist mit bloßem Auge kaum zu erkennen

"Der Turm hat sich schon um zehn Zentimeter zur Seite geneigt", sagt die ehrenamtliche Helferin Gabriele Huber. Mit bloßem Auge ist die Neigung kaum zu erkennen. Nichtsdestotrotz: Weiter neigen darf er sich nicht. So schief wie der Schiefe Turm von Pisa könnte das Türmchen von St. Nikolaus nie werden. Es würde vorher zusammenstürzen oder abbrechen.

Deshalb kann auch der Besuch des idyllischen Friedhofs zu bestimmten Zeiten gefährlich werden. Ist das Wetter gut, kommen Englschalkinger, pflegen hier wie eh und je die Gräber ihrer Angehörigen. Friedliche Ruhe herrscht unter den uralten Bäumen, die ihre Schatten auf die Gräber werfen. Vogelgezwitscher übertönt Straßengeräusche.

Umgeben sind die gerade mal 200 Grabstätten von einer verputzten, dicken Friedhofsmauer. Sie hat ein Dach aus gebrannten Tonziegeln, die Nonne und Mönch genannt werden. Unten liegen die Nonnen, oben die Mönche.

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Auf dem Friedhof liegen zwei Münchner Prominente

Ernst Rattenhuber, Großbauer und Gründungsmitglied der CSU, liegt auf dem kleinen Friedhof in Englschalking begraben. Und auch Wilhelm Flaschenträger, der Ziegeleibesitzer und letzte Bürgermeister von Daglfing, hat hier seine letzte Ruhe gefunden. Daglfing war einst – wie auch Englschalking – ein eigenständiges Dorf.

Von 1818 bis 1930 gehörten beide zu einer Gemeinde: Daglfing. Zeit seines Lebens setzte sich der Bürgermeister dafür ein, dass Daglfing nach München eingemeindet wird, was in seinem Todesjahr 1930 schließlich geschah. Im selben Jahr wurde auch die Straße nach ihm benannt, an der das Nikolauskircherl steht.

Die Gräber der beiden Prominenten und die der anderen Verstorbenen sind liebevoll bepflanzt und gepflegt. Auf dem kleinen Friedhof ist beim AZ-Besuch ein reges Kommen und Gehen.

Doch wenn es stürmt und der Wind pfeift, müssen die Besucher draußen bleiben. "Bei Sturm müssen wir auch den Friedhof absperren, damit niemand gefährdet wird", erklärt Gabriele Huber. So geht es nun schon ein Jahr. Das Wetter im Blick behalten, aufsperren, zusperren und Tag für Tag wächst die Gefahr, dass die kleine Kirche weiter zur Seite sackt oder gar zusammenstürzt.

Wer kommt für die teure Sanierung auf?

Dass die notwendigen baulichen Notfallmaßnahmen noch nicht getroffen werden konnten, liegt – wie so oft – am Geld: "Damit die Kirche wieder betretbar ist, sind 150.000 Euro nötig", sagt Huber. Da das Nikolauskircherl einer Kirchenstiftung der Pfarrgemeinde gehört und nicht der Erzdiözese, werden die Instandsetzungskosten auch nicht einfach so von der Erzdiözese übernommen. Vom Landesamt für Denkmalschutz gab es bislang ebenfalls keine verbindliche Zusage.

So versuchte es der Pfarrverband erst mal allein. In der Kirche St. Emmeram, die zur selben Pfarrei gehört, steht eine Spendenbox. Auch auf der Homepage wird um Unterstützung gebeten. Am vergangenen Wochenende feierte die Gemeinde Fronleichnam nach, die Prozession zog von St. Emmeram zum Nikolauskircherl. Anschließend gab's Würstl und Bier auf einem alten Bauernhof nur ein paar Schritte entfernt – auch mit dem Ziel, weitere Spender zu gewinnen.

Rund 56.000 Euro sind bis Fronleichnam zusammen gekommen, berichtet Gabriele Huber, die im Spendenausschuss der Pfarrei zuständig ist. Das reicht noch nicht, um mit der Sanierung zu beginnen.

Hoffnungsschimmer vom Landesamt für Denkmalpflege

Doch nun ist finanzielle Unterstützung in Sicht. "Das Landesamt für Denkmalpflege hat der Kirchenstiftung eine Förderung für die Maßnahme in Aussicht gestellt", teilte Sprecherin Miriam Windsheimer der AZ am Freitag mit. Die Mittel sollen aus einem Fördertopf des Freistaats für Baudenkmalpflege kommen. Zur Höhe der Summe äußerte sie sich allerdings nicht. "Mit einer Entscheidung und einem baldigen Beginn der Sanierungsmaßnahmen ist demnächst zu rechnen", verspricht Windsheimer.

Und eine Sprecherin des erzbischöflichen Ordinariats teilte auf AZ-Anfrage mit, man werde einen Antrag für einen Zuschuss prüfen. Das sind gute Nachrichten für die Englschalkinger, darunter Gisela Welzenbach: "Es gibt Hoffnung für das Kircherl mit dem lächelnden Gesicht", freut sie sich.


www.sankt-emmeram.de, Spenden an die Pfarrgemeinde möglich unter "Notfallsanierung St. Nikolaus". IBAN: DE18 7509 0300 0002 1426 27, BIC: GENODEF1M05

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10 Kommentare
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  • tutnixzursache am 21.06.2023 12:50 Uhr / Bewertung:

    die Pfarrgemeinde könnte ja mal bei einer der reichsten Organisationen um Spenden bitten: der Katholischen Kirche. Ach nein, die ist ja unter anderem deswegen so reich, weil sie überall die Hand aufhält und Andere für ihre Gebäude bezahlen lässt.

  • Martin G. am 21.06.2023 12:12 Uhr / Bewertung:

    Diese Situation symbolisiert sehr treffend die Situation der kath. Kirche im Allgemeinen. Sie haben die Möglichkeiten und Mittel, den Einsturz dieser Kirche und gleichzeitig den Zusammenbruch der gesamten deutschen kath. Kirche zu verhindern, sind sich nicht einig (Ablehnung der Finanzierung des Synodalen Rats) und warten, bis es zu spät sein wird.

    Die Zeit ist wohl reif, für den Zusammenbruch der Kirche(n). Wollen wir dies nicht aufhalten. Aus den Trümmer wird etwas neues entstehen.

  • Martin G. am 21.06.2023 10:26 Uhr / Bewertung:

    Diese Situation symbolisiert sehr treffend die Situation der kath. Kirche im Allgemeinen. Sie haben die Möglichkeiten und Mittel, den Einsturz dieser Kirche und gleichzeitig den Zusammenbruch der gesamten deutschen kath. Kirche zu verhindern, sind sich nicht einig (Ablehnung der Finanzierung des Synodalen Rats) und warten, bis es zu spät sein wird.

    Die Zeit ist wohl reif, für den Zusammenbruch der Kirche(n). Wollen wir dies nicht aufhalten. Aus den Trümmer wird etwas neues entstehen.

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