Der Jutebeutel ist Trend

AZ-Leserreporterin Stella Lemberger ist im Viertel aufgewachsen und hat schon so einiges erlebt. Hier erzählt sie davon.
Nun bin ich doch wieder da. War ich doch kurz ausgebüchst, mal hier, mal dort. Von Giesing wieder zurück.
Heute ist ein bayerisch-frischer Tag, doch die Sonne scheint. Ich verlasse die Wohnung mit meinem Jutebeutel.
Es ist auch hier schon Trend alternativ zu wirken. Etwas allerdings, nicht zu stark.
Gut gelaunt betrete ich die Straße und laufe Richtung Weißenburger. Links der Bordeauxplatz. Eine ältere Dame bückt sich und hebt ein Häufchen auf das ihr kleiner kläffender Freund gerade in die Wiese gesetzt hat.
Auf einem Pfosten direkt daneben ist ein durchgestrichener Hund abgebildet. Hunde sind hier verboten. Ganz unmünchnerisch scheint es hier keinen zu stören, denn ich sehe außer dem Haufen von dem Terrier der alten Dame noch viele andere.
Ansonsten erspähe ich ein paar Menschen auf Decken. Am Rand sitzen ein Paar Pärchen auf Bänken. Eine Frau liest ein Buch. Das war hier nicht immer so. Als ich klein war, lief meine Mutter oft mir mit hier entlang. Wir wohnten in der Weißenburgerstraße und waren hier unterwegs, wenn wir einkaufen wollten.
Früher gab es hier viele Junkies. Ja, liebe Zugereiste es war nicht immer so schön wie heut!
Auch viele Punks saßen hier rum. Keine Ahnung wo die alle hin sind. Manchmal seh ich noch ein oder zwei am Ostbahnhof. Die werden meist schnell entsorgt.
Ich marschiere weiter die Metzstraße entlang, denn ich will ja schließlich zum Biomarkt. Davon gibt es hier mindestens fünf Stück. Früher, als ich klein war, gab es nur einen.
Unsere Nachbarin ging da einkaufen. Ihre Essgewohnheiten waren mir fremd. Ihre Tochter, die in meinem Alter war, kam regelmäßig zu uns und schlug sich den Bauch mit Fischstäbchen voll. Sowas gab es nur bei uns. Natürlich haben wir das nie verraten.
Heute ist Bio viel leckerer und gehört natürlich zum Trend des Viertels. Wie der Jutebeutel.
Ich passiere wunderschöne Altbauten. Natürlich sind sie allesamt saniert und nicht gerade günstig. Alles Yuppies, sagen die Alten. Die mit ihren Laptops überall. Haben die echten Haidhauser vertrieben.
Oh nein! Bin ich auch einer von denen? Nein natürlich nicht. Ich war ja schon früher hier und ich studiere noch. Ich lebe mit meinem Freund hier, der schon arbeitet. Vielleicht ist er ja der Yuppie.
Endlich am Weißenburgerplatz angekommen. Ich sehe viele Menschen in Anzügen. Machen wohl Mittagspause hier.
Als ich klein war, saßen hier viele Hippies. Darunter auch meine Mutter. Wir Kinder tollten herum. Badeten nackt im Brunnen. Da hat sich niemand Gedanken gemacht. Da hat auch keiner was gesagt. Hier war alles kunterbunt gemischt.
Nun noch am Italiener vorbei. Ich schaffe es selten, ohne das mich jemand aufhält. Na gut, höre ich mir ein alte Geschichten an.
Ich kann mich los reißen und erreiche den Supermarkt. Wie aufregend das wieder war. Mal sehen was auf dem Rückweg so los ist.
Wie das alles wohl in zehn Jahren ausschaut?