Das Ich als Modell: Hier werden Sie geschrumpft

Ein Atelier in der Isarvorstadt stellt Miniaturen von Menschen mit einem 3D-Drucker her. Eine AZ-Reporterin hat Modell gestanden. Wie das Mini-Ich entsteht und was es kostet.
München - Mit nur einem Knopfdruck von Oliver Frank lösen 48 Kameras gleichzeitig aus. In Sekundenbruchteilen scannen sie jedes Detail meines Körpers. Meine Pupillen, die Haarsträhne hinter meinem Ohr, die Falten der Jeans, die Schnallen meiner Stiefel. So müssen sich Stars auf dem roten Teppich fühlen. Während noch Lichtpunkte vor meinen Augen tanzen, hat der Scanner bereits ein vollständiges Bild von mir erfasst, das dann im 3D-Drucker zu einem Mini-Ich zusammengefügt wird: ein rund 20 Zentimeter großer Klon aus Gips, zum Mitnehmen für zu Hause.
Genau das ist Oliver Franks Geschäftsidee. Mit seiner Figuren-Druckerei „youlittle“ hat sich der 41-Jährige Anfang Januar in der Buttermelcherstraße selbstständig gemacht. Der gelernte Grafik-Designer war vom ersten Moment an fasziniert von der neuen Technik: „Das ist die Zukunft“, sagt er. „Statt Bilderrahmen stehen dann Figuren zu Hause. Ist doch total irre!“ Bis zu zehn Kunden pro Tag will Frank künftig in seinem Keller-Atelier einscannen.
Bereits jetzt bevölkern zahlreiche Gips-Figuren sein Büro auf der anderen Straßenseite, im Haus der Kleinen Künste: Ein Paar, das sich verliebt in die Augen blickt. Isi Yilmaz, Besitzer der Absturzkneipe „X-Cess“, grinsend in Unterhemd und mit seiner Militär-Kappe. Oder: Ein erschöpft aussehender Mann, dessen Beine über die Kante der Vitrine baumeln. Franks Freundin Susanne mit Winterjacke und Jutebeutel. Der Verkäufer vom Feinkost-Laden um die Ecke in seiner blauen Arbeitsschürze.
Eine hochschwangere Frau im Bikini, deren Bauch so weit nach vorn ragt, dass die Figur umzukippen droht. „Mit dem 3D-Drucker ist jedes Motiv möglich“, erklärt Oliver Frank. „Weil der Scan nur eine Sekunde dauert, können auch kleine Kinder und Haustiere problemlos abgelichtet werden.“ Die einzige Einschränkung ist bislang eine technische: „Keine Brillen, kein Lack, nichts Glänzendes.“ Denn Transparentes und Reflektierendes kann der Scanner nicht erfassen.
Oliver Frank hofft, irgendwann zumindest Brillen abbilden zu können „Die sind im Gesicht sehr prägnant. Sie wegzulassen, verfälscht das Äußere sehr.“ Ich steige von dem weißen Styropor-Podest inmitten der Scan-Kameras und mache den Weg frei für eine Familie, die bereits im Vorraum wartet. Die Öztürks, Vater Volkan (34), Mutter Fatma (29) und die Söhne Cem (7), Efe und Can (3), haben für ihr Familien-Portrait aus Gips einen ganz besonderen Anlass gewählt: „Am Valentinstag feiern wir unseren zehnten Hochzeitstag“, sagt Volkan Öztürk (34) stolz. Er weiß schon genau, wo die fertige Figur stehen soll: „Bei uns im Wohnzimmer. Ganz weit oben, wo die Jungs nicht hinkommen.“
Seine Söhne toben wild durchs Atelier. Es dauert, bis sie auf dem Podest stillhalten, auch wenn es nur für eine Sekunde sein muss. „Fertig?“, fragt Oliver Frank. Dann zählt er von drei auf null runter und löst aus. Gleißendes Licht. Als die Kinder begeistert kichern, löst Oliver Frank sofort nochmal aus und fängt ihr Lachen ein.
Immerhin sind die Gips-Figuren ein teurer Spaß – zwischen 230 und 400 Euro kostet eine, je nach Größe. Damit Franks Kunden am Ende zufrieden sind, dürfen sie immer aus mehreren Aufnahmen die Schönste auswählen. Die Fotos fügt Oliver Frank am Computer zu dreidimensionalen Modellen zusammen. Rund zwei Stunden sitzt er an jedem Datensatz, seine Druckerei in Garching braucht weitere vier Stunden. Alle fertigen Figuren holt Oliver Frank selbst in der Druckerei ab. „Jede einzelne Figur fasziniert mich, obwohl ich ja schon einige gesehen habe. Sie sind so unglaublich lebensecht.“ Und tatsächlich: Als ich meine Figur in der Hand halte, blicke ich mir selbst in die Augen. Und mein Mini-Ich, 18 Zentimeter klein, blickt lächelnd zurück.