Das Heroin-Haus von Hadern
Von der Fürstenrieder Straße aus steuern Dealer ihre europaweiten Geschäfte. Jetzt stehen drei von ihnen vor dem Münchner Landgericht – einer bricht schnell ein.
Hadern (München) - Das hässlichste an der Wohnung sind die Einbauschränke: weiß, mit rosa Linien und Resopal-Beschichtung. Sie allein machen die Wohnung in der Fürstenrieder Straße zum Alptraum eines jeden Innenarchitekten.
Die Drogenhändler, die sich hier 2012 treffen, schert das wenig. Zwischen den Einbauschränken, einem Bügelbrett und einem hölzernen Sekretär reden sie über das Heroin, das sie kiloweise durch halb Europa schmuggeln. Manchmal sitzt einer auch auf dem Wand-Klappbett. Und manchmal kommt sogar der der Chef des Rings vorbei – von Albanien direkt nach Hadern (München).
Solche Treffen gibt es heute nicht mehr. Münchner Zollfahnder und Beamte des Landeskriminalamts haben den Drogenring gesprengt und sieben Männer (20 bis 43) vor Gericht gebracht. Zwei Männer wurden vom Landgericht Weiden bereits zu elf und zehn Jahren Haft verurteilt. In Freiburg wollen zwei weitere gestehen.
Vorm Landgericht München I sitzen derzeit drei Männer: Ein Koch, ein Handwerker und ein Automechaniker, alle drei Albaner. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Koch und dem Mechaniker Drogenhandel, dem Handwerker Beihilfe zum Drogenhandel vor.
Der Mann, der sie hierher gebracht hat, ist Zollfahnder Felix D. Vor der 7. Strafkammer des Landgerichts berichtet der 33-Jährige, welche Beweise er seit Juli 2012 mit seinem Ermittlerteam gegen die mutmaßlichen Drogenhändler gesammelt hat. Das Problem für die Angeklagten ist: Es sind ziemlich viele.
Aus dem Stegreif referiert Felix D. über die Ermittlungen. Er berichtet den Richtern, wie seine Zoll-Kollegen der Bande bereits im Januar 2012 auf die Schliche kamen. Wie der Ring Heroin in Lastwagen von Albanien nach Tschechien brachte und von da weiter nach München, Freiburg oder in die Schweiz.
Der Zollfahnder erzählt auch, wie die Rauschgifthändler mehrmals pro Woche ihre SIM-Karten wechselten – und welche Codewörter sie für Geld („Dokumente“) und Drogen („Ficken“) benutzten. Insgesamt könne man ihnen den Handel mit 35,3 Kilo Heroin nachweisen, sagt Felix D. Üblicherweise mit Milchzucker gestreckt, bringt diese Menge auf der Straße etwa sechs Millionen Euro.
Felix D. erwähnt vor Gericht auch die Haderner Wohnung: Von der habe man im Mai 2012 erfahren. „Alle wichtigen Leute waren dort“, sagt Felix D. – zu Besuch beim gelernten Koch Xherdan B. (Namen aller Angeklagten geändert), der hier unangemeldet residiert. Felix D. nennt ihn den „Statthalter von München“. Von hier habe der 37-Jährige aus Tirana den Handel in und über München organisiert.
Diesen Mann nimmt Zollfahnder Felix D. am 20. September 2012 persönlich an der Rastanlage Dasing fest – mitsamt seines Komplizen, dem Mechaniker Altin V. Einige Stunden zuvor hatten die Zollfahnder beide Männer zusammen mit Handwerker Granit K. in Freiburg beobachtet und fotografiert.
Ihn nehmen Bundespolizisten am selben Tag am Münchner Hauptbahnhof mit 1,1 Kilo Heroin fest – er hat es sich um den Oberkörper gebunden. Ermittler und Staatsanwaltschaft sind sicher: Xherdan B. und Altin V. haben ihn als Kurier per Zug nach München geschickt – und seien aus Sicherheitsgründen selbst mit dem Auto gefahren.
Vor Gericht gibt der Handwerker schon am zweiten Verhandlungstag auf. Er gibt die Kurierfahrt nach München zu. Über seine mutmaßlichen Kumpanen verliert er kein Wort. Für sie sieht es trotzdem nicht gut aus, vor allem für Xherdan B. Er taucht in über 100 Telefonüberwachungsprotokollen auf – teilweise unter dem Codenamen „Jimmy“.
Vor zehn Jahren war er schon mal wegen Drogen dran. Granit K. habe ihn außerdem auf einem Foto als Auftraggeber identifiziert, sagt Ermittler Felix D. Ihm drohen bis zu 14 Jahre Haft, doch er schweigt weiterhin.
Es sieht so aus, als würde der „Statthalter von München“ seinen 38. Geburtstag im Knast feiern. Und viele weitere auch.