Das große Eichhörnchen-Sterben
Bogenhausen - In der letzten Zeit hat die Tierschützerin Viviana Munoz nicht viel Glück beim Spazierengehen. Erst vor einer Woche bemerkte sie, wie streng geschützte Fledermäuse in Bogenhausen bei Baumfällarbeiten getötet wurden. Jetzt muss sie mit ansehen, wie zahlreiche Eichhörnchen um ihr Leben kämpfen.
Am Mittwoch bemerkt die Tierärztin ein Grundstück an der Elektrastraße, auf dem auffallend viele Bäume fehlen. Bei ihrer Recherche findet sie heraus, dass im Zuge der Bauarbeiten für eine Tiefgarage bereits am Montag etwa 30 Bäume gerodet worden waren. Dass die Pflanzen allerdings als Wohn- und Brutplatz für viele Eichhörnchen dienten, dafür interessierte sich bei der Baufirma wohl niemand. Ohne Rücksicht auf Verluste tat die Kettensäge ihren Dienst. Übrig blieben: kahle Baumstümpfe und leblose Nagetiere auf dem Boden.
Dabei müssten die Arbeiter eigentlich eine Sondererlaubnis von der Naturschutzbehörde einholen, sobald sie Eichhörnchennester in den Ästen finden. Das „Europäische Eichhörnchen“ ist nämlich durch das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) besonders geschützt. Demnach dürfen die Tiere weder mutwillig beunruhigt noch verletzt oder gar getötet werden. Auch wer eine Lebensstätte – Kobel genannt – zerstört, macht sich nach § 44 BNatSchG strafbar. Der Landtagsabgeordnete Florian von Brunn will die Abholzaktion deshalb zur Anzeige bringen. Er hat die Polizei informiert, eine Streife schickte die aber nicht. „Vermutlich liegt eine Genehmigung für die Fällungen vor“, mutmaßt der SPD-Politiker.
Die traurige Bilanz der Rodung: Drei Eichhörnchen sind tot. „Und es werden auch noch mehr werden“, sagt Heidi Gallenberger. Sie ist eine von vielen Freiwilligen, die sich für den Verein „Eichhörnchen Schutz“ um verwaiste Wildtiere kümmern. Ohne ihre Nester auf den Bäumen, hätten Jungtiere wenig Chancen zu überleben. Deshalb werde sie erneut in Bogenhausen vorbeigehen, um herumirrende Eichhörnchen einzufangen.
Zwei heimatlose Nager konnten von Ersthelferin Viviana Munoz schon gerettet werden. Beide werden nun von Hand aufgezogen. Ob die Kleinen durchkommen, ist nicht gewiss. Die Aufzucht verlangt den Ersatzeltern einiges ab, denn alle vier Stunden muss den Eichhörnchenkindern spezielle Milch mit einer Pipette eingeflößt werden. Bereits im vergangenen Jahr war eine Eichhörnchen-Familie in der Melusinenstraße einer tödlichen Abholz-Attacke zum Opfer gefallen (AZ berichtete). Eines der in Obhut genommenen Babys überlebte nicht.
Trotz Rückschlägen setzen die Helfer ihren Einsatz fort. Besonders frustrierend für den Verein: Ein Gesuch auf finanzielle Unterstützung bei der Stadt wurde kürzlich abgelehnt. Heidi Gallenberger: „Es ist traurig, denn für die Pflege von Wildtieren braucht man Fachwissen. Offenbar interessiert der Artenschutz in Bayern aber keinen.“
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