Dachauer Moorleiche kommt aus Peru!

Über Jahrzehnte blieb das Rätsel um eine Mumie in der Archäologischen Staatssammlung ungelöst – bis jetzt.    
Michael Burner / Onlineredaktion |
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Typisch für Inka-Mumien: Die Verschnürung eines Körpers zur extremen Hocklage. Moorleichen hingegen liegen meist seitlich.
Petra Schramek 2 Typisch für Inka-Mumien: Die Verschnürung eines Körpers zur extremen Hocklage. Moorleichen hingegen liegen meist seitlich.
So lag die Mumie seit 1977 als "Dachauer Moorleiche" in der Staatssammlung.
Petra Schramek 2 So lag die Mumie seit 1977 als "Dachauer Moorleiche" in der Staatssammlung.

Über Jahrzehnte blieb das Rätsel um eine Mumie in der Archäologischen Staatssammlung ungelöst – bis jetzt.

Altstadt - Seit 1977 liegt sie da, die vermeintliche Moorleiche aus dem Dachauer Moos. In der Archäologischen Staatssammlung haben über drei Jahrzehnte gut drei Millionen Besucher – darunter auch viele renommierte Wissenschaftler – den mumifizierten Leichnam einer etwa 20- bis 25-Jährigen Frau aus dem 16.Jahrhundert bestaunt.

Sie alle starrten auf eine Moorleiche, die gar keine ist. Und aus dem Dachauer Moos stammt die schon gar nicht. Neue Untersuchungen belegen: Die Tote stammt aus Südamerika und hat auch nie in einem Moor gelegen.

DIE VORGESCHICHTE

Über die Herkunft der Leiche ist wenig überliefert. Seit 1904 war der mumifizierte Körper in der Anatomischen Anstalt in der Pettenkoferstraße verwahrt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Leiche im Bombenschutt gefunden und in die Staatssammlung verbracht. Dort blieb sie bis 2007. Als es dort Anzeichen für einen Parasitenbefall gab, wurde der mülltonnengroße Glaskasten, in dem die Leiche zur Seite gedreht eingebettet war, geöffnet.

„Rein optisch“, sagt Rupert Gebhard, Direktor der Archäologischen Staatssammlung, „hätte es wirklich eine Moorleiche sein können. Eine genaue Identifizierung war daher sehr schwierig.“

DIE HINWEISE

Bei einer ersten Untersuchung des 500 Jahre alten Leichnams tauchten Fragen auf: Wieso etwa sind Haut und Haar noch so gut erhalten? Der hohe Säuregehalt eines Moores zersetzt das äußere Gewebe normalerweise innerhalb kürzester Zeit. Der exotisch geflochtene Zopf erscheint auf einmal untypisch für eine Frisur im Europa des 16. Jahrhunderts. Die Mumie kam erneut ins Labor.

DIE UNTERSUCHUNG

Ein Forscherteam stieß auf Fakten, die belegen, dass es sich nicht um eine Moorleiche aus dem Dachauer Moos handeln kann – sondern dass die Frau vor 500 Jahren einem Inka-Stamm aus Chile oder Peru angehört hat.

Die Analyse ihres Haars ergab, dass sich die Frau hauptsächlich von Mais und Fisch ernährt haben muss. Der Wollfaden, der ihren Zopf zusammenhält, ist aus Alpaka-Haar. Die südamerikanische Kamelart war zur damaligen Zeit in Europa aber unbekannt. Auch die Embryostellung ist typisch für rituelle Mumifizierungen zur Inka-Zeit. „Die Leiche kommt definitiv aus dem südlichen Peru oder dem nördlichen Chile“, sagt Gebhard.

DIE HERKUNFT

Wie ist die Mumie eigentlich nach München gelangt? Bei ihrer Recherche stießen die Forscher auf Prinzessin Therese von Bayern (1850 – 1925): Eine ihrer Forschungsreisen führte die kunstinteressierte Adelige 1898 nach Südamerika. Sie kam mit zwei Mumien nach München zurück. Eine landete im Völkerkundemuseum – von der anderen fehlt jede Spur. Eine andere Theorie führt zum Münchner Künstler und Wissenschaftler Gabriel von Max († 1915), der als leidenschaftlicher Mumiensammler galt. Stammte die vermeintliche „Moorleiche“ aus seiner Sammlung? Dieses Geheimnis um die Mumie bleibt vorerst noch ungelöst.

 

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