Bub (1) stürzt zehn Meter tief: Zweige retten sein Leben
Giesing - Wie in ein weiches, grünes Kissen plumpste der kleine Bub. Die frisch geschnittenen Ahornzweige vor dem Mietshaus in der Pilgersheimer Straße dämpften den Aufprall des Eineinhalbjährigen. Er war beim Spielen mit seinem Zwillingsbruder am Freitagabend im 3.Stock aus dem Fenster gefallen.
Die Äste der mächtigen Ahornbäume reichen bis unmittelbar vor die Fassade des Wohnblocks unterhalb der Candidbrücke. Deshalb musste das Grün auch zurückgestutzt werden. Am Freitagmorgen rückten Arbeiter einer Gartenbaufirma mit einer Hydraulikbühne an. Systematisch schnitten sie die Kronen der Bäume aus. „Das hat ganz schön gedauert“, erzählt ein Nachbar, „und weil die Männer pünktlich Feierabend machen wollten, ließen sie Laub und Äste liegen.“
Ein Zufall, der ein paar Stunden später helfen sollte, das Glück einer jungen Familie zu retten. Iman und Eman sind Zwillinge. Die beiden eineinhalb Jahre alten Buben haben eben erst angefangen, die Welt um sich herum zu entdecken. Am Freitagabend spielen die beiden miteinander. Vater und Mutter sind zu Hause. Ungestört erkunden die Kinder das Schlafzimmer. Sie klettern auf den Fenstersims. Er ist extrabreit. Das Fenster steht wegen der Hitze offen. Die Kinder krabbeln auf den Sims. Nur ein paar Zentimeter weiter geht es senkrecht in die Tiefe.
Rund zehn Meter. Die Wohnung ihrer Eltern liegt im dritten Stock. Plötzlich verliert Iman das Gleichgewicht. Er stürzt ab, überschlägt sich in der Luft und landet schließlich drei Stockwerke tiefer in dem knapp hüfthohen Haufen aus Ahornblättern und Zweigen. Die Eltern hören das Weinen ihrer Kinder. Sie rennen ins Schlafzimmer. Nur Eman ist da. Sein Bruder liegt unten vor dem Haus. „Er hat geweint, aber sonst schien er unverletzt“, erzählt ein Nachbar. Der Kindernotarzt der Feuerwehr bringt den unternehmungslustigen Knirps in die Haunersche Kinderklinik.
Die Ärzte untersuchen Iman und können es selbst kaum glauben: Bis auf ein paar Schrammen und Kratzer im Gesicht ist der Bub völlig unverletzt. Die Eltern stehen dagegen schwer unter Schock. Sie machen sich Vorwürfe, dass sie nicht besser aufgepasst haben. Psychologen des Kriseninterventionsteams kümmern sich um sie. Das Wochenende hat Iman vorsichtshalber in der Klinik verbracht. Inzwischen ist er wieder zu Hause – nur am offenen Fenster wird er so schnell nicht mehr herumturnen.
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