Bombenentschärfung: "Den Teufel treiben wir aus"
Schwabing - Kurz nach acht Uhr brechen Marion Zitzinger und ihre beiden Kinder auf. Ihre Wohnung liegt mitten in der Gefahrenzone rund um die Ungererstraße, wo am Samstagmittag die Fliegerbombe entschärft werden soll. "Wir gehen zur Oma", sagen Gabriel und Lamilia. Die wohnt in der Occamstraße. Vor fünf Jahren, als in der Feilitzstraße ein gefährlicher Blindgänger gesprengt werden musste, war es umgekehrt. Damals kam die Oma bei den Enkeln unter.
Sprengmeister Roger Flakowski arbeitet mit Gottes Segen
Rund 4.500 Anwohner müssen am Samstagmorgen ihre Wohnungen verlassen. Feuerwehr, Polizei, THW und Rettungsdienst, insgesamt rund 700 Helfer, sind im Einsatz. Sie gehen von Haus zu Haus, sehen nach, damit auch wirklich niemand zurückbleibt.
Apostolos Malamoussis, Erzpriester der Griechisch-orthodoxen Metropolie, hält die Stellung. Er verlässt das Viertel als einer der Letzten. "Wir mussten den Gottesdienst absagen, ausgerechnet am Nationalfeiertag, an dem besonders viele Gläubige in die Kirche kommen", erzählt der Priester. Auf der Straße trifft er Sprengmeister Roger Flakowski (54).
Er soll den Blindgänger entschärfen. "Wir werden den Teufel austreiben", verspricht er dem Geistlichen. Der segnet ihn. Zur Sicherheit, man kann ja nie wissen, was noch passiert. Flakowski ahnt da noch nicht, dass die Höllenmaschine ihre Tücken hat. Der Zünder an der Spitze hatte sich beim Aufprall der 250 Kilo schweren amerikanischen Fliegerbombe verformt. Das macht die Entschärfung deutlich kniffeliger. Normal lassen sich die Zünder an der Spitze und am Heck rausschrauben – wie eine Glühbirne nur eben viel gefährlicher.
Ein Zünder bereitete Probleme
Baggerfahrer Tobias Schmuck (23) hat den Blindgänger am Donnerstag auf der Baustelle gegenüber dem Nordfriedhof bei Erdarbeiten entdeckt. Mit der Baggerschaufel war er an die Bombe gestoßen.
"Das fühlt sich an, als sei man gegen einen Betonbrocken gekracht", sagt der 23-Jährige. Als er sich die Sache aus der Nähe ansieht, ist es eine Bombe. "Da rutscht einem schon ein bisschen das Herz in die Hose." Im Umkreis von 500 Metern müssen alle Anwohner in Sicherheit gebracht werden. Geduldig wartet Walter Heller (90), bis Sanitäter ihn abholen. "Ich komme zur Betreuungsstelle", sagt er. Ein paar Häuser weiter wohnt Alfred Knauseder. Der 63-Jährige kann nicht laufen. Er wird die Treppe runter getragen und zum Sanka gebracht, so wie rund zwei Dutzend weitere Patienten.
Die umliegenden Geschäfte sind geschlossen. Der Nordfriedhof ebenso. "Was ist denn hier los", fragt ein Rentner aus Freising, der am Grab seiner verstorbenen Frau Stiefmütterchen pflanzen will. Von der Aufregung um die Bombe hat er nichts mitbekommen. Er muss bis zum Nachmittag warten, bis er auf den Friedhof darf.
In der Luft kreist ein Polizeihubschrauber. Als die Piloten durchgeben, dass alles geräumt ist, werden die Züge der U6 gestoppt. Ebenso die Autos auf der A9 und am Mittleren Ring.
Roger Flakowski und sein Kollege Martin Radons machen sich an die Arbeit. 45 Minuten benötigen sie. Dann ist es geschafft. Beide Zünder sind raus. "Der an der Spitze hat Ärger gemacht, da mussten wir zaubern", sagt Roger Flakowski. Die Bombe soll später abtransportiert, zersägt, der Sprengstoff verbrannt werden. Kurz nach 14 Uhr können die Menschen zurück in ihre Wohnungen. Geschafft, bis irgendwo in München der nächste Blindgänger auftaucht.
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