AZ-Spaziergang in München: Augenweide Bogenhausen
München - Bogenhausen ist einer der vielfältigsten Bezirke der Stadt. Der Übergang von der dicht bebauten Innenstadt ins ländlich geprägte Umland hat viele ganz verschiedene Seiten.
Gründerzeitbauten, Wohnblocks aus der Nachkriegszeit, große Grünanlagen mit altem Baumbestand und noble Villen – all das hat der 13. Stadtbezirk zu bieten.
München-Bogenhausen: Wo vor 60 Jahren noch Schafe weideten
Noch bis in die frühen 1960er Jahre weideten am heutigen Arabellapark Schafe, die städtische Bebauung endete an der Richard-Strauß-Straße – kaum drei Kilometer Luftlinie vom Münchner Rathaus entfernt. Wir spazieren heute durch Altbogenhausen mit seinen vielen wunderschönen Jugendstilvillen und prächtigem alten Baumbestand. Dieser Teil wurde im Zweiten Weltkrieg kaum beschädigt.
Das Herzstück des Stadtteils ist der Friedensengel am Isarhochufer. Er erinnert an 25 Friedensjahre seit dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 und gilt auch als Dank an das bayerische Heer. Die AZ lässt sich führen von Grit Ranft, die vor elf Jahren ihre Ausbildung zur offiziellen Gästeführerin der Stadt gemacht hat – und damit ihren Traum zum Beruf. Die freiberufliche Stadtführerin rät: "Richten Sie den Blick immer wieder nach oben, genießen Sie die Details!"

Station 1: Tempel für die Kultur
Wir starten am Prinzregententheater. An der Fassade und auf dem Dach gibt es viele Details zu entdecken. Dazu gehören bei einem Theater auch Masken. Architekt Max Littmann hat sich bei dem Theaterbau am Wagner-Festspielhaus in Bayreuth orientiert, auch hier ist der Zuschauerraum wie ein Amphitheater konzipiert.
"Er sprach von einem demokratischen Theater, hat darauf geachtet, dass es keine wesentlich schlechteren oder besseren Plätze gab", erzählt Stadtführerin Grit Ranft. An der Rückseite können Sie durch die Scheiben in den prächtigen Jugendstil-Gartensaal blicken. Das Gartentürl ist fast immer geöffnet.
Station 2: Ein Juwel des Jugendstils
Nur wenige Schritte von der Rückseite des Theaters entfernt, in der Lucile-Grahn-Straße 47, machen wir einen kleinen Abstecher zu einem der schönsten Jugendstilhäuser der Stadt.
Am besten kann man vom gegenüberliegenden Gehweg die Pfauen, Blumen und Lebensbäume betrachten. Typisch für den Jugendstil sind auch die unterschiedlichen, kleinteiligen Fensterformen und die Asymmetrie: Der betonte Giebel ist zwar mittig, nicht aber die Eingangstür.

Lucile Grahn (1819-1907), nach der die Straße benannt ist, war eine sehr erfolgreiche Tänzerin. In ihrem Testament hat sie ihren Besitz der Stadt vermacht, für notleidende Kinder.
Station 3: Eine der schönsten Straßen der Stadt
Wir spazieren zurück über den Prinzregentenplatz und gehen auf der linken Seite die Possartstraße hoch. Schauen Sie dabei auf die Häuser rechts: Was für ein Unterschied zu dem Einheitslook vieler heutiger Fassaden!
Wir biegen nach links in die Holbeinstraße – für unsere Stadtführerin Grit Ranft eine der schönsten Straßen der Stadt. Sie muss es wissen, kommt sie doch überall hin. An unserem Weg liegt das Café Mio. Wenn Sie eine Pause brauchen, kehren Sie ein – so viele Möglichkeiten gibt's nicht in Bogenhausen.

Danach geht's an der ehemaligen Landesversichertenanstalt (Holbeinstraße 9-11) vorbei. Der Bau im neubarocken Stil wurde 1906 eröffnet. Eine Sensation damals: Fürs Personal gab's Brausen- und Wannenbäder und einen Frühstückssaal.
Ab der Kreuzung Lamontstraße beginnt der schönste Abschnitt der Holbeinstraße: Jedes Haus ist individuell gestaltet und verziert, man kann sich kaum sattsehen an all den Jugendstilelementen.
Station 4: Pschorrs noble Herberge
Aus der Holbeinstraße kommend überqueren wir die Ismaninger Straße, halten uns rechts und biegen links in die Siebertstraße. Nun betreten wir die eigentliche Villenkolonie Bogenhausen. Innerhalb von nur 20 Jahren sind hier nach 1900 rund 120 Villen entstanden, in denen Industrielle, Wissenschaftler und Künstler wohnten.
An der Ecke Möhlstraße können Sie abends einen Blick in eine weiße Villa mit riesiger Privatbibliothek werfen – beeindruckend! Wir gehen nach rechts zur Jugendstilvilla in der Möhlstraße 23.

Georg Theodor Pschorr (1865-1949) aus der Brauereidynastie ließ sie bauen, sein Bruder wohnte ein paar Häuser weiter. Grit Ranft sagt mit Blick auf die Garage daneben: "Da könnte man auch toll wohnen."
Station 5: Oase der Besinnung
Der Bogenhauser Friedhof mit der Rokokokirche St. Georg ist ein sehr idyllischer Ort. Hier kann man sich auf Promi-Suche machen: Liesl Karlstadt, Oskar Maria Graf, Helmut Fischer, Bernd Eichinger und viele andere liegen hier. Wir statten dem Grab von Johann von Lamont einen Besuch ab. Der gebürtige Schotte erforschte in München Himmel und Erde, 44 Jahre lang war er Direktor der königlichen Sternwarte.

Der Legende nach war der Astronom und Physiker sehr großzügig und verfügte, dass der Mesner immer ein paar Münzen für Kinder in die Hand an seiner Büste legen solle. Beim AZ-Besuch liegt nur ein Cent in der Hand, Stadtführerin Grit Ranft legt noch etwas dazu.
Station 6: Beim Milchzentrifugenrevolutionär
Vom Friedhof spazieren wir in die Maximiliansanlagen und gehen oben entlang über den Wilhelm-Hausenstein-Weg. Nach wenigen Minuten verlassen wir den Park wieder, gehen links zur Maria-Theresia-Straße. Das Haus, auf das wir zukommen (Nr. 32), gehörte einst Rudolf Diesel.
Entdecken Sie die Initialen? Ein paar Schritte weiter, in der Maria-Theresia-Straße 27, lebte einer, der in vielerlei Hinsicht ein Vorreiter war: Der adelige Maschinenbauer Clemens Freiherr von Bechtolsheim meldete 44 Erfindungen zum Patent an, darunter eine neue Technik zum Zentrifugieren von Milch – damit revolutionierte er die Landwirtschaft.

Und er ließ eine der Jugendstilvillen in Deutschland bauen. Davor stehen wir nun. Der Bau stammt von Martin Dülfer, das Dekor wohl von Richard Riemerschmid.
Station 7: Brunnen und Bücher
Von der Villa Bechtolsheim geht's weiter zur Monacensia (Marie-Theresia-Straße 23). In dem Prachtbau ist das Literaturarchiv der Stadt untergebracht. Mehr als 150.000 Bände sind frei zugänglich. Auch Nachlässe (z. B. von Thomas Mann) werden hier aufbewahrt. Die Monacensia ist ein offenes Haus, in dem man lesen und Ausstellungen besuchen, im Garten sitzen und auch eine Kleinigkeit essen kann.

Bauen ließ das Haus einst der berühmte Bildhauer Adolf von Hildebrand. Von ihm stammt unter anderem der Wittelsbacher Brunnen und der Hubertusbrunnen am Nymphenburger Kanal. Er arbeitete hier auch, deshalb sind die Räume und Türen teilweise so riesig.
Station 8: Ausklang am Friedensengel
Den perfekten Ausklang unserer Tour finden wir am Friedensengel. Wenn Sie bei Sonnenuntergang eintreffen, ist es am schönsten, dann taucht das Abendrot die Häuser und die Prinzregentenstraße zu unseren Füßen bis zum Prinz-Carl-Palais in goldenes Licht.

Und auch hier begegnet uns noch einmal der Jugendstil: Vier große Mosaike aus Glassteinen stellen in dem Friedenstempel den Krieg, Sieg, Frieden und Wohlstand dar. An diesem Ort lässt es sich auch prima in den nächsten Urlaub träumen, schlägt Stadtführerin Ranft vor.
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