73-Jährige: "Hilfe! Ich finde keine Wohnung!"

Ingeborg Höllriegl muss ihre Wohnung in Schwabing verlassen - findet aber keine neue Bleibe. Heute kommen die ersten Handwerker.
Thomas Gautier |
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Eigentlich darf sie hier gar nicht mehr sein: Ingeborg Höllriegl in ihrem Wohnzimmer in der Kaulbachstraße.Fotos: Gregor Feindt
Gregor Feindt Eigentlich darf sie hier gar nicht mehr sein: Ingeborg Höllriegl in ihrem Wohnzimmer in der Kaulbachstraße.Fotos: Gregor Feindt

Ingeborg Höllriegl muss ihre Wohnung in Schwabing verlassen - findet aber keine neue Bleibe. Heute kommen die ersten Handwerker

Schwabing - Die Möbel hat sie ausgeräumt, ihr Hab und Gut zu kleinen Haufen getürmt oder in Kisten verpackt. Diesen kümmerlichen Rest aus 70 Jahren wird Ingeborg Höllriegl mitnehmen, wenn sie für immer geht.

Die Frage ist nur: wohin? Die 73-Jährige muss ihre Wohnung verlassen – aber sie findet einfach kein neues Heim.

70 Jahre lang lebte die ehemalige Friseurin und Kassiererin in der Sechs-Zimmer-Wohnung in der Kaulbachstraße (AZ berichtete) – ein ganzes Leben lang. Als Kind mit ihrer Oma und ihren Eltern, dann mit ihrer Tochter Gabi (52), die selbst hier aufgewachsen ist.

Jetzt ist sie am Ende – buchstäblich: Nach einer 20-prozentigen Mietererhöhung kosten die 175 Quadratmeter im Altbau nun 1650 Euro. Viel zu viel für Ingeborg Höllriegl, die nur 925 Euro Rente im Monat bekommt. Selbst mit ihrer Tochter, die im Getränkehandel arbeitet, kann sie das nicht stemmen.

Die Tochter ist bereits ausgezogen, kam bei einer Freundin unter. Die Mutter aber steht vor dem Nichts. Sie sagt: „Ich stehe auf der Straße.“

Eine Zwei-Zimmer-Wohnung bräuchte sie, dafür könnte sie maximal 750 Euro aufbringen, weil ihre Tochter sie ein bisschen unterstützt. Aber es klappt einfach nicht, sagt Ingeborg Höllriegl: Bei über 50 Wohnungen habe sie es schon probiert, die Tochter hat selbst Anzeigen geschaltet – ohne Erfolg.

Am vergangenen Sonntag hat sie sich zuletzt eine Wohnung angesehen. Die Miete von 815 Euro war viel zu hoch, aber immerhin bekam sie einen Termin. Sonst hörte Ingeborg Höllriegl vor allem Fragen nach ihrem Alter. „Dann haben sie gesagt, sie rufen mich zurück. Aber sie haben nie angerufen.“

Heute kommen die Handwerker. Die Eigentümergemeinschaft hat die Wohnung längst wieder vermietet, ein Paar mit Kindern zieht wohl im Oktober ein. Bis dahin müssen die Tapeten von den Wänden, die Böden werden saniert und die Elektrik neu gemacht. „Wir machen das jetzt Zimmer für Zimmer“, sagt Hausverwalter Harald S. Ingeborg Höllriegl müsste zwar seit dem 1. Juli draußen sein, ihre Vermieter hätten ihr aber Aufschub bis Ende Juli gewährt – eine letzte Gnadenfrist. „Dann müssen wir an ihre Zimmer ran“, sagt der Hausverwalter. Sei sie dann noch da, käme es zur Räumungsklage. „Wir wollen sie nicht rausjagen, aber wir stehen selbst unter Druck.“

Wie es jetzt aussieht, steht Ingeborg Höllriegl am 1. August auf der Straße. Ihre Tochter hat sich um eine Sozialwohnung bemüht, aber die wird die alte Dame bis dahin nicht bekommen. Die Wartelisten sind voll.

Das Sozialreferat hat ihr eine Not-Pension angeboten, dorthin dürfte sie aber ihre zwei Wellensittiche Bazi und Bubi nicht mitnehmen. Das kommt für Ingeborg Höllriegl nicht in Frage. „Eher nehmen wir uns Decken und gehen zum Monopteros“, sagt sie leise zu ihren Vögeln. „Dann schlafen wir dort. Wie die Gammler.“

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