Stadtgestaltungskommission: Sehr mutig oder zu massiv?

Die Kommission für Stadtgestaltung berät über drei Projekte. Dabei treten die Schwächen des wichtigen Gremiums offen zutage.
von  Paul Nöllke
Wenn es um die bauliche Entwicklung Münchens geht, spielt auch die Stadtplanungskommission immer eine Rolle.
Wenn es um die bauliche Entwicklung Münchens geht, spielt auch die Stadtplanungskommission immer eine Rolle. © Sigi Müller

München - Wie wird in München gebaut? Wo entstehen Hochhäuser, wie groß dürfen die Fenster ausfallen und aus welchem Material ist die Fassade?

Drei Neubauten für die Nachhaltigkeit 

Darüber entscheiden in München nicht nur Architekten und Bauherren - sondern oft auch die Kommission für Stadtgestaltung, die sich am Dienstagabend zu einer recht lebhaften virtuellen Debatte traf. Das Thema des Abends: Drei Neubauprojekte, die das Stadtbild nachhaltig verändern könnten (siehe unten).

Doch wie funktioniert diese mächtige Kommission? Immer, wenn in der Stadt ein Gebäude entstehen soll, welches die Stadt prägen würde, ist das ein Fall für das Gremium. In der Kommission sitzen 27 Mitglieder, berufen vom Stadtrat. Sie sind Architekten, Stadtplaner, Politiker, Natur- und Denkmalschützer sowie Heimatpfleger. Die Mitglieder sind selten einer Meinung - so auch in der Sitzung diese Woche.

"Dieser Entwurf ist toll, sehr mutig!", meinte etwa der Architekt Manfred Kovatsch zum geplanten Hochhaus am Candidplatz. "Zu massiv", erklärte dagegen Professorin Karin Schmid. "Muss es denn so einen Tor-Charakter haben?", überlegte Architektin Karin Loosen.

Ein bisschen Mut gehört dazu

"Wir müssen uns endlich mal wieder etwas trauen", forderte FDP-Stadtrat Jörg Hoffmann daraufhin sichtlich verärgert. "Wo, wenn nicht an diesem Ort?" Wenn jemand einen mutigen Vorschlag einbringen würde, kämen immer wieder Fachleute, die erklärten, wieso das nicht möglich sei. "Damit sollten wir mal aufhören!"

Ähnlich auch die Diskussion zum Klinikgelände in Thalkirchen. Sind die dringend benötigten Wohnungen für Krankenpfleger "elegant" und "zurückhaltend" oder verschandeln die Hochhäuser das Isarufer und zerstören die Stadtsilhouette für die kommenden hundert Jahre? Auch hier gehen die Meinungen auseinander. Und selbst das vergleichsweise kleine Hotel an der Sonnenstraße wurde eifrig diskutiert.

Hotelentwurf wurde vehement abgelehnt

Im Sommer hatte der Architekt Carlos Graf Maltzan einen Entwurf für ein neues Hotel vorgelegt, der von der Stadtgestaltungskommission damals als "zu massiv" abgelehnt worden war. Maltzan hatte den Entwurf daraufhin noch einmal überarbeitet, der weiße Bau erscheint nun deutlich braver und zurückhaltender an der Sonnenstraße.

"Das ist Respekt gegenüber der historischen Stadt", freute sich Professor Jürg Sulzer über den neuen Entwurf. "Mir fällt es schwer, das positiv zu kommentieren", widersprach der Architekt Matthias Sauerbruch daraufhin. Das neue Gebäude sei ein "Fantasie-Klassizismus", der nicht hierher passe.

Ende gut, alles gut

Am Ende wurde der überarbeitete Entwurf von der Kommission dennoch durchgewunken - gegen so einen zurückhaltenden Bau stellt man sich nicht.


Um diese drei Projekte ging's:

Sonnenstraße: Ein Hotel mit Dachgarten

Kleinere Fenster, weniger Kanten: So sieht der überarbeitete Entwurf aus.
Kleinere Fenster, weniger Kanten: So sieht der überarbeitete Entwurf aus. © Allplan

Sehr viel geordneter und braver ist der überarbeitete Entwurf, den Carlos Graf Maltzan der Stadtbaukommission diese Woche vorgelegt hat. Der alte Entwurf war von der Kommission im Sommer noch als "zu massiv" bezeichnet worden. Die damals geplanten riesigen Fenster sind verschwunden, der Bau in der Schwanthalerstraße wirkt nun etwas tiefer, insgesamt hat das Haus sogar noch an Höhe gewonnen. Der neue Entwurf wurde von den meisten Mitgliedern der Kommission am Dienstag gelobt: "Zurückhaltender", "ruhiger", und "respektvoll" sei das Haus nun, so die Meinung des Gremiums. Nur der Architekt Matthias Sauerbruch empfand das neue Gebäude als "Fantasie-Klassizismus", welches abzulehnen sei. Genehmigt wurde das Haus, was nach dem Bau als Hotel mit 276 Zimmer in Betrieb gehen soll, dennoch. Zur Zeit stehen auf dem Gelände noch zwei Nachkriegsbauten, in denen sich Fastfood-Restaurants befinden. "Ich hoffe, dass der neue Entwurf Sie überzeugen konnte", sagte Maltzan am Ende der Sitzung. Er finde, dass die Vorschläge der Kommission nun aufgenommen worden seien.

Thalkirchen: Schwesternwohnheim statt Arztvilla

Von links: die zwei Wohntürme, daneben die neue Klinik. Das Wohngebäude ganz rechts steht schon.
Von links: die zwei Wohntürme, daneben die neue Klinik. Das Wohngebäude ganz rechts steht schon. © ORT-Group, PanM

Viel gelobt und scharf kritisiert wurde dieser Entwurf auf dem Klinikgelände in Thalkirchen. Eigentlich sind es zwei Projekte, die hier entstehen sollen: Einmal die beiden Wohntürme für Gesundheitspersonal und eine neue Klinik.

Gerade die beiden Wohntürme, die auf dem Gelände der ehemaligen Villa des Arztes Rinecker entstehen, wurden hoch gelobt. Laut Architekt wurde besonders darauf geachtet, die Bäume nicht zu beeinträchtigen, auch soll das Gelände um die Gebäude für die Öffentlichkeit frei zugänglich bleiben. Der Klinikbau wurde derweil von der Kommission als "zu massiv" gesehen. Auch am Gesamtkonzept gab es Kritik. Die Gebäude gäben Anlass zur Sorge, dass das Isarufer von Hochhäusern umstellt werden könne, erklärte Professorin Karin Schmid besorgt. Bedenken, die Stadtbaurätin Elisabeth Merk (parteilos) zurückwies. Dennoch - gerade das Klinikgebäude müsse noch nachgebessert werden - so die Kommission.

Candidplatz: Eine neue "Ikone" für München?

Mutig oder daneben? Dieser Entwurf spaltet.
Mutig oder daneben? Dieser Entwurf spaltet. © Visualisierung: MVRDV

Ist dieser Entwurf mutig? Oder kitschig? Kein anderes Projekt wurde am Dienstagabend kontroverser diskutiert als dieses neue "Tor" am Candidplatz. Die Architekten waren in die Sitzung gekommen, um erst mal vorzufühlen. Ist so ein hohes, gewagtes Gebäude in München überhaupt möglich? Die Reaktionen reichten von Euphorie für das 64 Meter hohe Projekt - "sehr mutig!" - bis hin zu harter Kritik: "Der Entwurf ist in sich selbst verliebt!". Das Fazit der Kommission: Grundsätzlich eine gute Idee, diese Stelle aufzuwerten, doch das Projekt muss mit den Bürgern abgesprochen werden. Nun soll es im Bezirksausschuss (BA) vorgestellt werden. Die Architekten zeigten sich vorsichtig zufrieden. Man werde das Gebäude gerne dem BA vorlegen und sei gespannt auf weitere Meinungen zu dieser neuen "Ikone" für München.

Wie gefallen Ihnen die drei Entwürfe? Schreiben Sie uns an:
leserforum@az-muenchen.de oder per Brief: Garmischer Straße 35, 81373 München, Stichwort "Architektur".

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