Stadt München wirft Traditionsgeschäft nach 68 Jahren aus dem Rathaus

Seit 1956 gibt es den Bernsteinladen im Münchner Rathaus. Jetzt fürchtet die Inhaberin, dass sie den Platz räumen muss – und startet eine Petition.
Sophia Willibald
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Inhaberin Vilia Fehrn und Verkaufsmanagerin Susanne Lutz bangen um den Bernsteinladen im Münchner Rathaus. Zwischen den Frauen ist die Petition aufgestellt, auf der jeder - auch per QR-Code - für den Erhalt des Geschäfts unterschreiben kann. Derzeit sind es etwa 3500 Unterschriften, 6000 werden benötigt.
Inhaberin Vilia Fehrn und Verkaufsmanagerin Susanne Lutz bangen um den Bernsteinladen im Münchner Rathaus. Zwischen den Frauen ist die Petition aufgestellt, auf der jeder - auch per QR-Code - für den Erhalt des Geschäfts unterschreiben kann. Derzeit sind es etwa 3500 Unterschriften, 6000 werden benötigt. © Daniel von Loeper

München - Vilia Fehrn, Inhaberin des stadtbekannten Bernsteinladens im Rathaus, wirkt ratlos: "Sie können uns einfach rausschmeißen. Wir haben nichts falsch gemacht."

Im Dezember 2022 habe sie einen Brief vom Kommunalreferat erhalten, erzählt die 72-Jährige. Die Stadt teilte ihr mit, dass sie die Fläche des Ladens voraussichtlich ab Ende 2024 anderweitig nutzen wolle.

Die Ware im Bernsteinladen "Amber House" im Rathaus.
Die Ware im Bernsteinladen "Amber House" im Rathaus. © Daniel von Loeper

"Können uns einfach rausschmeißen": Bernsteinladen-Betreiberin im Rathaus ist fassungslos

Ein großer Schock für Fehrn und ihre langjährigen Mitarbeiterinnen. Auch ihre treuen Kunden können es kaum fassen. "Das ist ein Laden, bei dem mir das Herz aufgeht, ein Kulturgeschäft, das ist kein Grusch", sagt etwa die 86-jährige Brigitte Dolezik. Sie kenne den Bernsteinladen schon ihr Leben lang.

Ladenmanagerin Susanne Lutz begegnet den neuen Plänen der Stadt mit Unverständnis: "Ein Traditionsgeschäft wie der Bernsteinladen sollte doch mehr Schutz bekommen als ein Starbucks."

Die Ware im Bernsteinladen "Amber House" im Rathaus.
Die Ware im Bernsteinladen "Amber House" im Rathaus. © Daniel von Loeper

Aber was hat die Stadt genau vor? Die AZ hat im Kommunalreferat nachgefragt. Das Innenstadtkonzept stehe grundsätzlich für den Erhalt traditioneller Einzelhandelsgeschäfte, so die Antwort.

Aber: "Das Konzept gewährt für das einzelne Mietverhältnis keinen Bestandschutz." Ziel sei es dennoch, vertragstreuen Mietern nicht zu kündigen. Trotzdem solle der Bernsteinladen jetzt Platz machen – für die Erweiterung der Tourist- und Stadtinformation.

Jennifer Herloev (eine Freundin der Eigentümerin Fehrn), Mitarbeiterin Christine Bernd (angestellt seit 24 Jahren) und Shopmanagerin Susanne Lutz zu Bernstein Laden Amber House im Rathaus am Marienplatz soll offenbar weichen 10.10.2024, Foto: Daniel von Loeper
Jennifer Herloev (eine Freundin der Eigentümerin Fehrn), Mitarbeiterin Christine Bernd (angestellt seit 24 Jahren) und Shopmanagerin Susanne Lutz zu Bernstein Laden Amber House im Rathaus am Marienplatz soll offenbar weichen 10.10.2024, Foto: Daniel von Loeper © Daniel von Loeper

Angebot der Stadt: Umzug ins Ruffinihaus

Als Entschädigung wurden Vilia Fehrn zwei Alternativflächen im Ruffinihaus angeboten. Für die Inhaberin des Bernsteinladens kommt ein Umzug in das historische Gebäude am Rindermarkt nicht infrage. Schon allein der Firmenname beinhalte doch das "Rathaus", beklagt die 72-Jährige.

Bernstein Laden Amber House im Rathaus am Marienplatz soll offenbar weichen 10.10.2024, Foto: Daniel von Loeper
Bernstein Laden Amber House im Rathaus am Marienplatz soll offenbar weichen 10.10.2024, Foto: Daniel von Loeper © Daniel von Loeper

Sollte sie endgültig räumen müssen, werde sie ihr Geschäft schließen, erklärt Vilia Fehrn. Mittlerweile sei es der einzige reine Bernsteinladen in ganz Bayern. Kunden schätzen die persönliche Beratung. Für Touristen sind die Bernsteinstücke beliebte Souvenirs. Dass das ein großer Verlust für die Stadt wäre, da sind sich alle einig - auch das Kommunalreferat sieht das so.

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Und nun? Eine letzte Hoffnung bleibt Vilia Fehrn noch: Eine Petition, die man in ihrem Geschäft am Marienplatz 8 unterschreiben kann, soll den Bernsteinladen im Rathaus retten. Sie braucht 6.000 Unterschriften, damit der Bayerische Landtag eine erneute Sitzung im Stadtrat ansetzen kann.

Fehrn will unbedingt die große Tradition des Geschäfts fortführen. Gegründet wurde das Unternehmen schon 1884 von der Familie Witzki in Danzig. In den goldenen Zwanzigern boomte das Bernsteingeschäft und es wurden weitere Filialen eröffnet, 1932 die erste in München am Marienplatz 23. 1956 bezog man den Laden im Rathaus.


Unterschrieben werden kann die Petition hier auf der Plattform Openpetition.

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37 Kommentare
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  • pittomuc am 13.10.2024 15:35 Uhr / Bewertung:

    Worüber sollen sich Touristen in dieser optisch heruntergekommenen Stadt den noch informieren, über funktionierende Rolltreppen , über saubere Aufzüge einer U und S-Bahn Schächten? Ich war gerade eine Woche in Berlin… Sowohl in Außenbezirken als auch in Touristen Hotspots vorbildlich, sauber,aufgeräumt… Sämtliche Rolltreppen waren intakt, die Aufzüge blitzblank geputzt, keine überfüllten Abfalleimer, und ich habe Berlin wirklich schon anders erlebt da könnte sich München einen großen Teil abschneiden.

  • Witwe Bolte am 13.10.2024 21:01 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von pittomuc

    In der Tourist-Info gibts jede Menge papierenes Infomaterial, Kataloge, Radlpläne, Konzertprogramme, Formulare usw. Die Strassenmusikanten müssen sich dort anmelden und evtl. vorspielen.
    Ausserdem muss man sich dort die Eintrittskarten für den Rathausturm kaufen usw.usw.

  • Gelegenheitsleserin am 14.10.2024 10:52 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von pittomuc

    @pittomuc
    "Ich war gerade eine Woche in Berlin… Sowohl in Außenbezirken als auch in Touristen Hotspots vorbildlich, sauber,aufgeräumt…"

    Da staune ich aber!
    Ich habe selbst fünf Jahre in Berlin gelebt und habe es ziemlich dreckig in Erinnerung. Und meine Berliner Freunde sind immer ganz begeistert, wie sauber es in München ist ...

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