Sozialreferentin im AZ-Interview: „Wir brauchen Grundstücke“
Ihr Etat beträgt über eine Milliarde Euro, doch gleich zu Beginn muss sie 6,5 Millionen Euro sparen – Brigitte Meier tritt am 1. Juli das Amt der Sozialreferentin an. Im AZ-Interview beschreibt sie die größten Aufgaben neben dem Sparen.
Armut in München: Das Sozialreferat ist das Stadtministerium mit dem größten Etat – er beträgt mehr als eine Milliarde Euro. Die Not wächst, nach aktuellem Sozialbericht leben 42144 Haushalte von HartzIV – in denen über 20500 Kinder leben. Auch alte Menschen sind betroffen, fast 11000 Senioren beziehen Grundsicherung. Am 1. Juli übernimmt Brigitte Meier (45) die Leitung des Sozialreferats. Beim Besuch in der AZ sprach sie über ihr neues Amt.
AZ: In München wächst die Armut. Keine einfache Zeit, um ins Amt als Sozialreferentin zu starten.
BRIGITTE MEIER: Wenn sich nur, also nur in Anführungszeichen, die soziale Lage zuspitzen würde, hätte ich weniger Bauchgrimmen. Da gibt es immer Auf und Abs. Was mir aber große Sorgen bereitet, ist die Zukunft der Arge, der Arbeitsgemeinschaft für Beschäftigung. Die muss nach einem Urteil des Verfassungsgerichts jetzt neu organisiert werden. Wir müssen schauen, dass wir möglichst viel von der bisherigen Kooperation zwischen Arbeitsagentur und Kommune retten. Diese Organisationsfrage trifft unmittelbar die Ärmsten in dieser Stadt.
Was überwiegt: Vorfreude aufs Amt – oder Respekt?
Ich freue mich sehr darauf. Trotzdem habe ich auch Respekt vor dem Amt. Es bringt viel Verantwortung mit sich. Das Sozialreferat ist das schwierigste Referat von allen. Keine Behörde ist so nah am Menschen. Wir gehen in die Wohnungen der Menschen, dringen in ihre Privatsphäre ein. Wir versuchen ihnen in schwierigsten sozialen Lebenslagen zu helfen.
Frieder Graffe war seit 1993 Sozialreferent. Wo möchten Sie neue Akzente setzen?
Ich möchte, dass mehr quergedacht wird. Die Ressorts sollten stärker kooperieren. Wie nötig das ist, zeigt sich bei der Jugendhilfe. Da explodieren die Kosten. Ein Problem: Die älteren Jugendlichen kommen nicht aus diesem Hilfesystem raus, weil es keine günstigen Wohnungen für sie gibt und sie keine Ausbildung haben. Wir müssen uns hier besser vernetzen.
Was sehen Sie als drängendste Probleme Münchens?
Das A und O ist die Armutsbekämpfung. Der Münchner Arbeitsmarkt ist eigentlich gut. Es geht also vor allem darum, was ein Mensch an Qualifizierung braucht, um wieder in Arbeit zu kommen. Vordringlich ist auch das Thema Wohnen.
Was wollen Sie gegen die Wohnungsnot tun?
Wir müssen schauen, dass wir Grundstücke bekommen, Baurecht schaffen und die Finanzierung kein Hindernis ist. Ich denke zum Beispiel an Bürgschaften für gemeinnützige Träger, die nicht genügend Eigenkapital mitbringen, um ein Bauprojekt zu stemmen.
Bei vielen sozialen Themen können die Kommunen nur reagieren und nicht agieren. Ist das nicht frustrierend?
In der kommunalen Sozialpolitik muss man auf das, was woanders angerichtet wird, reagieren. Aber wer in die soziale Arbeit geht, der weiß das. Man ist da immer der Ausputzer. Wenn man im Einzelfall helfen kann, ist das schon sehr viel und das gelingt oft. Leider aber nicht immer. Man kann nicht jeden Fall retten.
Ist es für Sie auch Genugtuung, bald Referentin zu sein? Immerhin sind Sie bei der Wahl zur Jugendamtsleiterin vor vier Jahren durchgefallen.
Von Genugtuung würde ich nicht sprechen. In der Politik geht es eben ruppig zu. Wichtig ist nur, dass man wieder aufsteht, nicht liegenbleibt. Daran wächst man auch.
Die Stadt spart. Inwiefern ist das Sozialreferat betroffen?
Heuer müssen 6,5 Millionen Euro gespart werden. Wir wollen nicht alles übers Personal rausholen. So werden wir unter anderem versuchen, Hartz-IV-Empfänger, die in einer zu teuren Wohnung leben, schneller in günstigeren Wohnraum zu vermitteln.
2014 wird wieder ein Job frei – als OB. Kein Interesse?
Das sehe ich nicht für mich. Sozialreferentin ist mein Traumjob. Die Namen der bisherigen OB-Kandidaten sind bekannt.
Wen sehen Sie als Favoriten?
Julian Nida-Rümelin. Aber auch die anderen Kandidaten sehe ich als geeignet an.
Ist ein Philosophieprofessor nicht zu verkopft dafür?
Jeder wächst mit seinem Amt.
Interview: Julia Lenders
Er war 17 Jahre lang Sozialreferent in München: Frieder Graffe, der Vorgänger von Brigitte Meier, geht nun in Ruhestand.
- Themen: