Sommerjobs in München: Betreuerin im Kinder-Zirkus

AZ-Reporterin Bettina Funk hat sich ins Zirkuszelt gewagt: Bei Lilalu hat sie Kinder angefeuert und sich sogar selbst kurz am Vertikaltuch versucht.
von  Bettina Funk
Uwe Göschel erklärt der AZ-Reporterin, worauf sie beim Vertikaltuch achten muss.
Uwe Göschel erklärt der AZ-Reporterin, worauf sie beim Vertikaltuch achten muss. © Sigi Müller

München - Im Zirkus habe ich die Artisten immer bewundert, die sich in luftiger Höhe in glänzende Tüchern einwickeln und sich dann kopfüber im freien Fall hinunter lassen. Heute bewundere ich sieben- bis neunjährige Kinder, die genau das lernen.

Ich mache einen Tag Praktikum beim Lilalu-Ferienprogramm im Olympiapark. Die Organisatoren haben mich dem Vertikaltuch-Workshop von Uwe Göschel zugeteilt. Gemeinsam mit den Ferienbetreuerinnen Julia und Christin bin ich dafür zuständig, dem Leiter zu assistieren, aufzupassen und in den Turn-Pausen für Ablenkung zu sorgen.

Am einwöchigen Ferien-Workshop nehmen 20 Mädchen und ein Bub teil. Das sei auch gut, erklärt mir Uwe Göschel, weil das Motto des Kurses für die große Show am Sonntag "James Bond" sei.

Uwe Göschel erklärt der AZ-Reporterin, worauf sie beim Vertikaltuch achten muss.
Uwe Göschel erklärt der AZ-Reporterin, worauf sie beim Vertikaltuch achten muss. © Sigi Müller

Praktikum beim Lilalu-Ferienprogramm im Olympiapark

Um halb 9 bringen die Eltern ihre Kinder ins Zirkuszelt, um 9 beginnen dann die Workshops. Uwe leitet die jungen Artisten zu einer kleinen Aufwärmeinheit an. Julia, Christin und ich hüpfen vorbildlich mit. Danach legen wir in die Manege des großen Zirkuszelts dicke Matten als Schutz, darüber hängen von einem Gerüst drei schmale, glatte, bis zum Boden reichende Tücher herunter.

Obwohl ich zuvor noch nie ein Vertikaltuch angefasst habe, verwende ich wenig später ganz selbstverständlich Sätze wie etwa "Eva, willst du nochmal den Schmetterling machen?" Die achtjährige Eva nickt, klettert am Tuch bis zur Hälfte nach oben und fängt an, sich darin einzuwickeln. "Beide Arme in der Mitte durch", rufe ich ihr zu. Jetzt kann Eva ihre Beine anziehen und sich nach hinten fallenlassen. "Schön die Beine durchstrecken", rate ich ihr – wohlwissend, dass ich das, was die Achtjährige da macht, niemals selbst könnte.

Es ist der zweite Workshop-Tag in dieser Woche und die Kinder können bereits an den Tüchern hinaufklettern und sich auf unterschiedliche Weise darin einwickeln. Wer dabei noch Probleme hat, wird von Uwe, Julia, Christin und mir angefeuert, hochgehoben oder festgehalten.

Kinderakrobatik zu den Klängen von "James Bond"

Um 10 Uhr müssen wir die Kinder dann zur Kostümprobe ins Kostümzelt bringen. Passend zu "James Bond" und "Goldeneye" hat sich die Lilalu-Kostümbildnerin Nadine für die Mädels goldene Anzüge und darüber schwarze Röckchen ausgedacht, als Kopfschmuck bekommen sie eine schwarze Federspange. In einer Nebenkabine bekommt Felix, der einzige Bub des Kurses, einen dunklen Anzug als Kostüm.

Hier bei Lilalu nehmen diese Woche insgesamt 630 Kinder an 31 Workshops teil. Am Samstag treten sie dann in zwei großen Shows auf und präsentieren ihren Eltern und Verwandten, was sie in einer Woche alles gelernt haben – das wiederholt sich die gesamten Ferien hindurch. Pro Woche kostet das 199 Euro.

Nach der Kostümprobe gehen wir zurück ins Zirkuszelt. Uwe wartet dort schon auf uns. "Jetzt klettert ihr alle einmal ganz nach oben", sagt Uwe. Er weiß, dass er das den Kindern am zweiten Tag schon zutrauen kann – und Höhenangst hat hier (fast) keiner.

Schon am zweiten Tag können die Kinder weit hoch klettern.
Schon am zweiten Tag können die Kinder weit hoch klettern. © Sigi Müller

Lilalu-Zirkus-Workshop: 20 Mädchen und ein Bub

"Puh, ganz da oben ist es ganz schön warm", sagt die achtjährige Marlene schnaufend, als sie wieder langsam am Tuch entlang hinunter gerutscht ist. Zwischendurch frage ich Felix, wie es eigentlich so ist, als einziger Bub unter 20 Mädchen. Er antwortet etwas zurückhaltend: "Ja, ganz okay, das macht mir nichts".

Ich merke aber, dass Uwe auf ihn besonders gut aufpasst und ihn noch mehr lobt als die Mädels. Denn die sprechen sowieso nach jedem Versuch darüber, was gut geklappt hat und geben sich gegenseitig Ratschläge.

Julia, Christin und ich ermahnen sie zwischendurch immer mal, etwas leiser zu sein. Währenddessen wird es im Zirkuszelt immer heißer.

Bei den Workshop-Leitern hat Lilalu, das zur Johanniter-Unfall-Hilfe gehört, hohe Ansprüche. Vertikaltuch-Workshopleiter Uwe Göschel hat eine Ausbildung an der Staatlichen Schule für Artistik in Berlin, der einzigen dieser Art, absolviert. Zuvor war er zehn Jahre lang Wasserspringer im Leistungssport. Nach seiner Ausbildung war er 14 Jahre als Varieté-Künstler am Vertikalseil und als Stuntman tätig.

"Das Seil ist wie das Tuch, nur eben männlicher, weil es wehtut"

"Das Seil ist wie das Tuch, nur eben männlicher, weil es wehtut", erklärt er. Parallel zu seinen Auftritten studierte der heute 41-Jährige Wirtschaftsjura. Heute ist er Beamter in der Staatskanzlei – und schon seit zehn Jahren regelmäßig Workshop-Leiter bei Lilalu.

Ferienbetreuerin Julia war in den Sommerferien im vergangenen Jahr zum ersten Mal bei Lilalu dabei. Seitdem hat die 18-Jährige in fast allen Schulferien mitgeholfen. "Das ist hier wie eine Familie."

Aber:"Wenn wir am Samstagabend dann nach Hause kommen, fallen wir alle todmüde ins Bett", erzählt sie. "Trotzdem Freude wir uns auch da schon wieder total auf Montag."

Im Zirkuszelt von Lilalu im Olympiapark findet in den ganzen Ferien ein Kursprogramm statt.
Im Zirkuszelt von Lilalu im Olympiapark findet in den ganzen Ferien ein Kursprogramm statt. © Sigi Müller

Nach einem Tag schmerzen die Arme

Julia ist heuer zwei Wochen bei Lilalu. Insgesamt gibt es pro Woche fast 100 Ferienbetreuer, in den ganzen Sommerferien sind es 400. Wer Betreuer werden möchte, muss sich mit seinem Lebenslauf bewerben, ein Grundlagenseminar besuchen und ein polizeiliches Führungszeugnis abgeben. Trotzdem ist der Job auch Ehrenamt – 40 Euro bekommt jeder Betreuer pro Tag.

Als ich meinen Praktikumstag beende, schmerzen meine Arme vom Halten und Hochheben der Kinder und vom eigenen (kurzen und eher erfolglosen) Kletterversuch am Vertikaltuch. Aber ich bin sehr beeindruckt von den jungen Artisten und ihrem Mut und auch davon, mit wie viel Professionalität bei Lilalu auf die Samstags-Shows hingearbeitet wird.

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