So wehren Sie sich gegen Miet-Wucher
Vorsicht, Mieterhöhung! Jede dritte ist nicht rechtens. Wie man rausfindet, wann man zahlen muss – und wann nicht. Die AZ beantwortet alle wichtigen Fragen.
München - Ein Schreiben vom Vermieter. Er fordert mehr Geld. Um sich möglichen Ärger zu sparen, unterschreiben viele Münchner einfach und überweisen wie gefordert mehr Miete. Ein Fehler: Denn jede dritte Mieterhöhung in Deutschland ist unzulässig, so der deutsche Mieterbund. Über 250 Millionen Euro zahlen deutsche Mieter jedes Jahr zu viel.
Die AZ klärt die wichtigsten Fragen für alle, die keine Staffelmiete vereinbart haben:
Ist die Mieterhöhung richtig begründet?
Hier passiert auf Vermieterseite der häufigste Fehler: Der Vermieter liefert keine Gründe für die Mieterhöhung. „Ein einfaches Schreiben nach dem Motto, ’Bitte zahlen Sie ab nächstem Monat 100 Euro mehr’, reicht nicht aus“, erklärt Anja Franz vom Mieterverein München. Gültig ist das Schreiben erst, wenn der Vermieter mit ortsüblichen Vergleichsmieten argumentiert. In München wird hierzu der Mietspiegel herangezogen, der die Mieten der letzten vier Jahre abbildet. Anders geregelt ist das in Gemeinden, in denen kein Mietspiegel existieren: der Vermieter muss Mieten von mindestens drei Vergleichswohnungen auflisten oder ein Gutachten vorlegen.
Liegt die Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete anhand des Mietspiegels bei, ist jedoch noch lange nicht gesagt, ob sie korrekt ist. Franz empfiehlt, genau hinzusehen: „Natürlich kann der Mieter sich selbst daran machen, doch ich rate dazu, einen Fachmann zu fragen. Denn der Teufel steckt im Detail.“
Um wie viel darf erhöht werden?
Mieterhöhungen dürfen immer nur bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete gefordert werden. Zudem gibt es eine Obergrenze, die der Vermieter immer einhalten muss. Die so genannte Kappungsgrenze legt fest, dass innerhalb von drei Jahren die Miete höchstens um 20 Prozent steigen darf.
Ein Beispiel: Ein Münchner zahlt derzeit für seine 80-Quadratmeter-Wohnung, Baujahr 1980, durchschnittliche Lage, 560 Euro Kaltmiete – das bedeutet 7 Euro pro Quadratmeter. Angenommen, der Vermieter plant eine Mieterhöhung, muss er beachten: Grundsätzlich darf der zukünftige Quadratmetermietpreis nicht über der laut Mietspiegel ortsüblichen Miete liegen. Diese berechnet sich aus einem durchschnittlichen Grundpreis (9,15 Euro) sowie gewissen Zu- und Abschlägen aufgrund von Wohnlage und -Ausstattung.
Nimmt man der Einfachheit halber an, die ortsübliche Miete entspricht exakt dem Grundpreis, ergibt sich folgendes: Pro Quadratmeter darf der Vermieter nicht mehr als 9,15 Euro verlangen (732 Euro pro Monat). Und es greift die Kappungsgrenze: Weil dieser Preis mehr als 20 Prozent über der derzeitigen Miete liegt, darf er nur auf 7 Euro plus 20 Prozent erhöhen: maximal 8,40 Euro, das macht 672 Euro im Monat. Die Mieterhöhung würde also 112 Euro ausmachen.
Einen Vorteil haben übrigens Mieter von Einfamilienhäusern. Diese tauchen im Mietspiegel nicht auf und es gibt meist keine Vergleichshäuser, so Mietexpertin Franz. Deswegen müsste der Vermieter ein Gutachten in Auftrag geben – und diese sind so teuer, dass viele Vermieter davor zurückschrecken.
Wie oft darf die Miete erhöht werden? Nach dem Einzug oder der letzten Mieterhöhung muss die Miete mindestens zwölf Monate konstant bleiben. Nimmt man die Überlegungsfrist des Mieters hinzu, kann die Mieterhöhung erst nach 15 Monaten greifen.
Von wem kommt die Forderung?
Nur der Vermieter, also der Eigentümer, darf die Miete erhöhen. Anja Franz Franz: „Entscheidend ist der Eintrag im Grundbuch.“
An wen ist sie gerichtet?
Die Mieterhöhung muss an alle im Mietvertrag eingetragenen Mieter gerichtet werden, das gilt auch bei Ehepaaren und in Wohngemeinschaften.
Schriftlich oder mündlich?
Eine mündliche oder telefonische Forderung reicht nicht aus. Die schriftliche Mieterhöhung muss von allen Vermietern stammen.
Wie steht es um Mieterhöhungen im Fall von energetischen Sanierungen?
Ob Modernisierung oder energetische Sanierung: Der Vermieter darf laut Gesetz elf Prozent der Kosten auf die Jahresmiete umlegen. Je nach Umfang der Arbeiten muss der Mieter für seine Miete dadurch viel tiefer in die Tasche greifen.
Ein Beispiel: Kostet die Sanierung in einem Mietshaus je Wohnung 20.000 Euro, kommen auf den Mieter 2200 Euro jährlich zu – die Monatsmiete steigt um 183 Euro. Die kleine Ersparnis bei den Nebenkosten wird dadurch schnell aufgefressen.
Wie steht es mit Sonderregelungen?
Mieterhöhungen sind ausgeschlossen, wenn ein Staffel- oder auch ein Indexmietvertrag abgeschlossen wurde.
Wie schnell muss man reagieren?
Hier greift die so genannte Überlegungsfrist: Der Mieter hat den restlichen Monat nach Forderungseingang und zusätzlich noch zwei weitere Monate Zeit, ehe er der Mieterhöhung zustimmt oder nicht. Eine Mieterhöhung ist erst wirksam, wenn der Mieter zugestimmt hat.
Mietspiegel: Wie die Preise entstehen
500 Mietspiegel gibt es in Deutschland. Die Funktion: Die Zahlenwerke „spiegeln“ den Wohnungsmarkt wieder und damit die ortsüblichen Mieten. Die Stadt München lässt alle zwei Jahre einen neuen Mietspiegel für frei finanzierte Wohnungen erstellen, Anfang 2013 soll der neueste vorliegen.
Die Befragungen, durchgeführt vom Marktforschungsinstitut TNS Infratest, laufen noch bis Ende Mai. Insgesamt sollen 24.000 Haushalte befragt werden, ausgewählt per Zufallsprinzip. Der Mieterverein blickt eher besorgt auf die anstehende Veröffentlichung, denn die Erfahrung zeigt: Ein neuer Mietspiegel löst in der Regel eine Welle von Mieterhöhungen aus. Schuld daran ist auch eine Regelung, die der Mieterverein seit Jahren bemängelt: Im Mietspiegel tauchen Mieten auf, die in den vergangenen vier Jahren neu vereinbart oder verändert wurden.
Den größten Posten nehmen teure Neuvermietungen ein, günstigere Altmietverträge werden ignoriert – und so schrauben sich die ortsüblichen Münchner Mieten nach oben.
- Themen: