So viel verdient München mit Atomkraft
Die Stadt profitiert von der Laufzeitverlängerung für das Kernkraftwerk Isar 2. Johannes Singhammer (CSU) hat ausgerechnet: Die 14 Extra-Jahre bringen mehr als 389 Millionen.
MÜNCHEN Drei Monate ist es her, dass rund 50000 Menschen in München auf die Straße gingen. „Ab-schal-ten“, forderten die Demonstranten. In die Menschenkette reihte sich auch OB Christian Ude ein – ein erklärter Kernkraft-Kritiker. Und doch ist die Stadt bekanntlich Mitbetreiber des lukrativen Meilers Isar 2 (AZ berichtete).
Die pikante Situation, die sich daraus ergibt: Einerseits widerstrebt die im vorigen Jahr beschlossene Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke dem, was auch Rot-Grün im Rathaus für politisch richtig hält. Andererseits profitiert die Stadt aber vom Ausstieg aus dem Ausstieg. Und das nicht zu knapp.
Das Bundestagsbüro des CSU-Abgeordneten Johannes Singhammer hat berechnet, wie viel die Stadtwerke München durch die Laufzeitverlängerung einnehmen. Demnach liegt der bereinigte Gewinn für die dazugekommen 14 Jahre bei gut 389 Millionen Euro! Eine satte Summe – die noch dazu, so meint Singhammer, eher konservativ gerechnet sei. Denn es ist nicht berücksichtigt, dass der zu Grunde gelegte Strompreis wohl weiter steigen wird.
Wie setzt sich diese Kalkulation zusammen?
Bleibt es bei der beschlossenen Laufzeitverlängerung, darf der Meiler nahe Landshut bis 2034, also 14 Jahre länger, am Netz bleiben. Vom zuständigen Bundesministerium ließ Singhammer sich die zusätzliche Strommenge nennen, die dadurch voraussichtlich produziert werden kann – 144,7 Terawattstunden. Mit berücksichtigt in der Rechnung sind die Kosten für die Stromerzeugung und vor allem auch die neuen Steuern und Abgaben, die durch den Atom-Deal auf die AKW-Betreiber zukommen. Trotz aller Minusposten: Am Ende der Auflistung liegt der von Ertragssteuern bereinigte Gewinn von Isar 2 noch bei gut 1,5 Milliarden Euro. Und davon steht ein Viertel den Stadtwerken zu. Die exakte Summe in der Singhammer-Kalkulation: 389407168 Euro.
Die Stadtwerke selbst bestätigen diese Berechnungen nicht. Dort heißt es bloß: „Mögliche Mehr-Erlöse durch einen weiteren Betrieb des Kraftwerks nach seinem ursprünglichen Laufzeitende ab 2020 sind reine Spekulation.“ Die politischen Verhältnisse im Bund könnten sich schließlich wieder ändern. Und eine Verfassungsbeschwerde ist auch angekündigt.
Doch Bundestagsabgeordneter Singhammer – er hat der Laufzeitverlängerung selbst zugestimmt – sieht das Ganze anders. Er verweist darauf, dass eine erneute Kehrtwende in der Atompolitik eine „erhebliche Entschädigungspflicht“ mit sich bringen würde. Deshalb meint er: „Jetzt liegen die Karten auf der Hand, jetzt kann man handeln.“
Eigentlich gibt es nämlich seit 1993 einen Beschluss, wonach die Stadt ihre Beteiligung loswerden will – aber nur unter „wirtschaftlichen Bedingungen“. Einen Unter-Wert-Vekauf, so betonte OB Ude mehrmals, verbiete allein schon die Gemeindeordnung.
Dazu meint Singhammer: „Diese Argumentation ist jetzt erledigt.“ Die Stadtwerke könnten sehr genau kalkulieren, was ihr Anteil wert ist. Er rührt in der rot-grünen Wunde: „Wenn die Stadt der Meinung ist, Kernkraft ist etwas, das sie ablehnt, dann soll sie ihren Anteil verkaufen.“ Das sei konsequent. Wenn die Stadt ihre AKW-Beteiligung aber behalten und damit verdienen wolle, dann solle sie das offen sagen. „Sonst macht sie sich unglaubwürdig.“
Trotz der Altlast AKW: Die SWM engagieren sich als Vorreiter bei den regenerativen Energien. Bis 2025 wollen sie so viel Ökostrom produzieren, dass sie den Bedarf der ganzen Stadt decken können. Zu diesem Zeitpunkt wird Isar 2 nach den aktuellen Planungen noch laufen. Ob dann immer noch ein Teil des Meilers münchnerisch ist?
Julia Lenders
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