So viel München steckt in Armin Laschet

München - Es ist ein seltsam hektischer digitaler Nockherberg-Anstich 2021. Ständig wird hin und her geschaltet zwischen den Privathäusern der Politiker. Und so geht manches Detail ein bisserl unter.
Armin Laschet lebte in München
Als das Bayerische Fernsehen zu Armin Laschet schaltet ("Grüß Gott aus dem Aachener Rathaus"), betont Laschet seine Beziehung zu München. "Ich bin eng mit dieser wunderbaren Stadt verbunden", sagt der nordrhein-westfälische Ministerpräsident.
Laschet eng mit München verbunden? Tatsächlich hat er viele Beziehungen zu München, er hat hier in den 80ern zwei Jahre gelebt, eine Zeit, die ihn geprägt hat. Zum Beispiel, weil die BR-Moderatoren vom Starkbier-Anstich ("Sie wissen, dass der Nockherberg nicht die Verlängerung des Karnevals ist?") gewissermaßen mit einem ehemaligen Kollegen sprechen. Laschet hat als junger Mann für das Bayerische Fernsehen gearbeitet.

Nach München ziehen? Laschets Mutter ist erstmal schockiert
Eine Spurensuche der AZ gestaltet sich im Sommer 2021 mühsam. Seine Presseleute in der Düsseldorfer Staatskanzlei, ihm immer noch verbundene Wegbegleiter aus der Münchner Zeit - alle zeigen sich zuerst offen, was das Thema "Laschet und München" betrifft. Doch inzwischen ist die Nervosität in Laschets Umfeld offenbar extrem groß. Man scheint zu fürchten, dem CDU-Kandidaten in der Krise mit Privatgeschichten weiter zu schaden - und spricht lieber überhaupt nicht mehr.
Einer, der sich intensiv mit Laschets Leben auseinandergesetzt hat und noch darüber spricht, ist Tobias Blasius. Der Düsseldorfer Landtagskorrespondent der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" ist einer der Autoren der sehr lesenswerten Laschet-Biografie "Der Machtmenschliche" - und hat mit Laschet vor Erscheinen des Buchs häufiger auch über dessen Münchner Jahre gesprochen. "Es ist eine tolle, prägende Zeit für ihn gewesen", sagt Blasius im Gespräch mit der AZ.
So landete Armin Laschet in München
Doch wie landete Laschet überhaupt in München? "Eigentlich wollte er nach Bonn", erzählt Blasius. "Der Hauptstadtbetrieb interessierte ihn bereits, er hätte in Aachen wohnen bleiben können, was aus finanziellen Gründen gut gewesen wäre, er war der Erste in seiner Familie, der studierte."
Laschet gab bei der Zentralen Vergabe der Studienplätze für Jura Bonn an, Köln und Münster. Auf Platz 4 habe er noch München genannt, erzählt Blasius, "er ging davon aus, dass das sowieso nicht klappt". Als der Brief mit der Zusage für München kommt, sei das für Laschets Mutter "ein Schock gewesen".
Laschet wohnt in München im Kloster
Denn München gilt als sehr teuer, damals schon. Laschet, tief verwurzelt in der katholischen Kirche, schreibt Klöster in München und Umgebung an. Und landet bei St. Bonifaz in der Karlstraße. Er wohnt in dem grauen Beton-Trakt des Klosters, seinen Biografen hat er ein Foto des Hauses gezeigt, das es letztlich nicht ins Buch geschafft hat. 150 Mark Miete habe er im Monat bezahlt, sagt Blasius. Laschet beginnt sein Jura-Studium an der LMU im Wintersemester 1981/82.
Sein ungewöhnlicher Nebenjob im Kloster: Er ist der Fahrer von Abt Odilo Lechner, fährt ihn zu Terminen in ganz Bayern. Man darf sich den jungen Mann aus Aachen wohl ohnehin als Auto-begeistert vorstellen. Ein Mal im Monat überführt er Gebrauchtwagen ins Rheinland, dafür gibt es 100 Mark und die Rückfahrkarte. Laschet kann so Geld verdienen - und seine Freundin und heutige Frau Susanne besuchen, die damals in Bonn lebt. Und noch ein Auto-Aspekt fällt Biograf Blasius ein, wenn man mit ihm über Laschet und seine Beziehung zu München spricht. "Er ist BMW-Freak!"
Laschet wird Mitglied einer Studentenverbindung
Die LMU macht es als Riesen-Uni Neu-Münchnern nicht gerade leicht. Laschet profitiert von dem verschulten Jura-Studium. Zwar gibt es dort 1.200 Erstsemester, doch er ist stets mit der selben Gruppe aus 200 alphabetisch sortierten Studenten zusammen. "Noch heute trägt sein gesamter Freundeskreis aus der Studienzeit Nachnamen zwischen K und N", sagt Blasius.
Laschet mag München, bleibt aber wie viele Studenten seiner Heimat eng verbunden. So erklärt sich wohl auch, dass er sich nicht der CSU anschließt.
Allerdings ist Laschet in München Mitglied der katholischen Studentenverbindung Aenania, eine farbentragende, nicht-schlagende Verbindung. Dort trifft er auch einen der Männer, die später Radio Charivari aufbauen. Laschet kehrt 1983, nach vier Semestern, ins Rheinland zurück, studiert an der Uni in Bonn. Doch seine Kontakte aus München nutzt er, um journalistisch zu arbeiten.
Armin Laschet berichtet bei Radio Charivari aus Bonn
Charivari geht am 1. April 1986 auf Sendung, Laschet ist ab dem ersten Tag dabei. Beinahe täglich wird er morgens für drei Minuten aus der Hauptstadt zugeschaltet, berichtet am Telefon aus dem Politik-Betrieb. Nach dem ersten juristischen Staatsexamen durchläuft er eine Ausbildung bei Charivari - zumindest nennt sich sein Engagement dort Volontariat.
Mit einer echten journalistischen Ausbildung habe es nicht viel zu tun gehabt, sagt Blasius. Bis 1990 ist Laschet aus Bonn für Charivari tätig.

Kurz Zeit auf der Dienstreise? Laschet geht in die Maxvorstadt
Und auch beim Bayerischen Rundfunk finden sich Wurzeln Laschets. Ab 1988 bis Ende 1990 arbeitet er für den BR, ab 1989 ist er am Aufbau eines eigenen Korrespondentenbüros in Bonn beteiligt. Er gibt Termine durch, holt mal einen O-Ton ein. Wie wichtig dieser Job war? Schwer zu sagen, in der 2020 erschienenen Biografie wird das BR-Archiv noch zitiert, dass "keine Beiträge von einem Autor Armin Laschet" gefunden worden seien.
Also doch eher ein Hilfsjob? Inzwischen ist beim Bayerischen Rundfunk auf jeden Fall ein Beitrag von "Report aus München" aus dem Jahr 1989 aufgetaucht, in dem auch der junge Armin Laschet als Interviewer auftritt. Klar, konzentriert und kritisch befragt er die damalige Grünen-Politikerin Petra Kelly zu Verstrickungen der Friedensbewegung mit dem libyschen Diktator Muammar al-Gaddafi.
"München ist für ihn Vorbild"
Wie hat München Laschet geprägt? "München ist für ihn ein Vorbild, was Großstadt und Stadtplanung betrifft", sagt Blasius. Die Olympia-Bewerbung von Rhein-Ruhr habe er "immer wieder mit München begründet", er selbst habe ja in den 80ern in München erlebt, was Olympia 1972 für die Architektur, den Verkehr und das Lebensgefühl ausgemacht hätte.
Und das Lebensgefühl, das mag Laschet. Mehrere private Wiesn-Besuche sind bekanntgeworden, er kam auch schon 2019 auf den Nockherberg, bei Dienstreisen, so heißt es, genieße es Laschet, privat noch nostalgisch durch die Maxvorstadt zu streifen. Und selbst beim Fußball findet sich ein Bezug. "Seine Brüder sind Gladbach-Fans und haben nie verstanden, warum er zum FC Bayern hält", sagt sein Biograf.
Nur mit der CSU, da wurde Laschet, der CDU-Mann aus dem Rheinland, nie ganz warm. Als Liberaler hat er sich von Stoiber bis Seehofer oft an den Unionsfreunden aus München abgearbeitet, mit Söder kam die persönliche Konkurrenz dazu.
Ein Kanzler Laschet auf jeden Fall wäre ein Kanzler mit starken Bezügen zu München. Einer, den man sich mit sehr viel mehr Freude auf dem Nockherberg 2022 vorstellen kann als es bei Angela Merkel, der evangelischen Pfarrerstochter aus Vorpommern, der Fall war.