So nahm Tracy Abschied von ihrem Vater Monti Lüftner

Audio von Carbonatix
Tracy Tarrach (16) singt am Sarg des verstorbenen Vaters Monti Lüftner "Amazing Grace". Das Lied lief im Radio, als sie ihn zum letzten Mal sah. Mit ihrem Gesang rührte sie die Trauergäste zu Tränen.
Tracys schwerster Gang beginnt um 12.22 Uhr. „Streets of Philadelphia“ von Bruce Springsteen ist gerade vorbei, die 600 Gäste schauen gebannt nach vorn. Es ist totenstill in der Kirche.
Die 16-jährige Tracy Tarrach geht langsam auf das Mikrophon zu. Sie schaut zum Blumen-übersähten Sarg, in dem ihr toter Vater liegt. Daneben lächelt ihr Monti († 77) von einem großen Bild entgegen. Tracy stellt sich an das Mikro und atmet tief durch – genau wie die Trauergäste.
Sie fasst sich, streicht eine blonde Strähne aus dem Gesicht und sagt mit zitternder Stimme: „Als ich das letzte Mal das Lied gehört habe, war es auch das letzte Mal, dass ich meinen Vater gesehen habe. Wir waren im Auto, mochten das Lied, kamen aber nicht auf den Titel. Monti meinte, ich solle beim Radio anrufen und fragen. Ich sagte, ich hätte die Nummer vom Radio doch nicht. Da lachte er.“
Tracys Augen füllen sich mit Tränen. Sie spricht von „ihrem Monti“, wie ihn die anderen nicht kannten. Monti, dem Familienmenschen.
Der Anfang ihrer Vater-Tochter-Beziehung war schwierig, das Ende so tragisch. Doch Tracy will es nicht als Ende sehen. Sie sagt: „Manchmal gibt es sie, die Geschichte ohne Ende, die unendliche Geschichte ist so eine – und die Geschichte von meiner Liebe zu dir ist auch so eine.“
Die Gäste sind ergriffen von Tracy. Montis einzigem Kind, seinem Sonnenschein. Dann sagt Tracy, dass ihr Vater es so sehr liebte, wenn sie ein Lied für ihn sang: „Er sagte immer, ich solle lauter singen. Aber ich antwortete, dass ich den Text manchmal nicht weiß. Da sagte er, dass der Text egal sei. Hauptsache, Tracy, Du singst. Ich höre so gerne Deine Stimme. Sing einfach!“ Sie hält kurz inne: „Und genau das mache ich jetzt.“
Die Gäste können es kaum glauben. Da geht Tracy nach vorn – und singt. „Amazing Grace“. Voller Liebe, Kraft und Hingabe. Sie singt laut, sie schaut immer wieder lächelnd zum lachenden Monti-Bild. Es ist das letzte Lied für ihren Vater. Die Kirche zittert mit. Tränen fließen. Bei der letzten Strophen bricht Tracy in Tränen aus – und das Lied ab.
Tracys Mutter Isolde Tarrach zur AZ: „Die Ärzte wollten Tracy im Krankenhaus behalten. Sie hat Grippe, das Imunsystem ist sehr schwach. Aber Tracy wollte das unbedingt machen.“ Für ihren Monti.
Kimberly Hoppe
Die Rede im Wortlaut
Lieber Monti,
viele, sehr viele kannten Monti Lüftner, die öffentliche Persönlichkeit, den erfolgreichen Musikmanager, Mr. Music, der mit Stars wie Whitney Houston, Bob Marley, Peter Alexander und vielen anderen auf du und du war, den tatkräftigen und sozial engagierten Mitmenschen und Organisator des MontiCups, den schillernden „Partylöwen“ und schließlich den treuen und verlässlichen Freund fürs Leben.
Nur wenige aber kannten Monti, den Familienmenschen, Monti den liebevollen und fürsorglichen Vater – meinen Papa.
Von diesem Monti, dem wunderbarsten Monti überhaupt möchte ich jetzt erzählen. Jede Geschichte hat ihren Anfang.
Ich denke Monti, du wirst mir nicht böse sein, wenn ich sage, dass wir zwei einen Start mit – na, sagen wir mal – etwas längerem Anlauf hatten und manchmal musste ich dich auf unserem gemeinsamen Weg ein bisschen ermuntern und du mich in meiner jugendlichen Begeisterung etwas bremsen – aber so ist das eben wenn Vater und Tochter in einer modernen Patchworkfamilie zueinander finden.
In den ersten 10 Jahren meines Lebens war ich eine von vielen Stationen auf deinen Reisen irgendwo zwischen München, New York, Rio, Tokio und dem Wörthersee – ich erinnere mich an schöne Momentaufnahmen, Kindergeburtstage, Lieder unterm Weihnachtsbaum, Zuckerwatte auf dem Rummelplatz , Wochenenden auf dem Kinderbauernhof – Erinnerungen fürs Fotoalbum, pictures of you. Ich habe dich natürlich auch damals schon furchtbar lieb gehabt, du bliebst in dieser Zeit aber der öffentliche Monti, du warst noch nicht mein Monti.
Als ich mit meiner Mutter nach München gezogen bin, begann glücklicherweise ein neues, vielversprechendes Kapitel für uns, auch wenn es nicht immer einfach war. Aber die Mühe hat sich gelohnt. Wie so oft in deinem Leben hat auch in unserer Beziehung die Musik eine besondere Rolle gespielt. Die Liebe zur Musik hat uns von Anfang an verbunden, uns eine gemeinsame Basis und Sprache gegeben. Endlich hatte ich den Vater in dir gefunden, den ich mir immer gewünscht hatte.
Wir haben stundenlang zusammen Backgammon oder Tennis gespielt, fast jeden Sonntag unseren Fisch gegessen, wir haben Konzerte besucht, sind ins Kino gegangen und du hast mit mir jedes Jahr Urlaub an deinem geliebten Wörthersee gemacht.
Du hast viel Liebe in mein Leben getragen und ich hoffe, ich auch in Deines.
Leider hat auch jede Geschichte ihr Ende, da macht auch die Geschichte von Monti und Tracy keine Ausnahme.
Es ist ein sehr trauriges Ende, da unser gemeinsamer Weg, gerade als es so richtig Spaß machte, schon wieder zu Ende war.
Aber es gibt auch bei Geschichten, die das Leben schreibt, die berühmte Ausnahme von der Regel. Denn manchmal gibt es sie, die Geschichte ohne Ende, die unendliche Geschichte ist so eine – und die Geschichte von meiner Liebe zu dir ist auch so eine!
In Liebe und Dankbarkeit, Deine Tracy
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